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Exklusiv Interviews

30.07.2014 Album "First Light"

GFDK - Uwe Kerkau Promotion

Andrew McCormack ist ein Komponist und Pianist im Vollbesitz seines kreativen Schaffens. Der 1978 in Großbritannien geborene McCormack lebt in New York. Mit Talent und Können hat er sich einen exzellenten Ruf erarbeitet und verdient einen Platz unter 'Britain's Hottest'.

2007 stürmte McCormack die Musikszene mit dem Debüt-Album Telescope, einer gelungenen Aufnahme, auf der sich seine ihm typischen fließenden Melodien mit einem kraftvoll rhythmischen Puls verbinden.

McCormack umrundet seitdem die Welt als Bandleader seines Trios und im Duett mit Saxophonist Jason Yarde. Zusammen haben die beiden das Album My Duo (2010) und Places and Other Spaces (2011) heraus gebracht.

Wir lieben Musik... weil sie uns glücklich macht

McCormack unterstützt viele heimische Talente und war die treibende Kraft hinter den Leuten wie Kyle Eastwood, Eric Alexander, Denys Baptiste und Jean Toussaint.

Geschickt entwickelt und verfeinert McCormack seinen originellen kompositorischen Ansatz und seine traditionelle Performance. McCormacks britischer Stil fesselt das Publikum, indem er die Sehnsucht nach ausdrucksvoller, gefühlsgeladener Ästhetik stillt. Der Umzug nach New York beflügelt den Swing und das dynamische Zusammenspiel  seines beeindruckenden Live-Sounds.

Das Resultat bislang ist ein Pianist und ein Komponist, der den ‚karriere-entscheidenden‘ Schritt auf die internationale Bühne wagt. Einer, der sich vom ‚Rising Star‘ der britischen Szene zu einem ernst zu nehmenden  Künstler weiterentwickelt hat, mit einem ‚festen Zuhause‘ bei Edition Records, neuem Management, großartigen Pressereaktionen und seinem neuen Trio-Album First Light, das mit den beiden New Yorkern Zack Lober am Bass und Schlagzeuger Colin Stanahan aufgenommen wurde.

Am 10. Juli 2014 war die Erstaufführung des Albums in Londons Pizza Express. Im zweiten Set trat McCormack mit dem außerordentlich talentierten finnischen Trompeter und Komponist Verneri Pohjola auf, einem neuen Edition Records Künstler. Der 36 jährige aus Helsinki steht seit wenigen Jahren im internationalen Rampenlicht und entwickelt sich zu einem Star in der Jazz Szene. Den Respekt der Kritiker hat sich Pohjola mit seinen beiden letzten Veröffentlichungen bei dem deutschen Label ACT verdient. Pohjolas neues Album erscheint Anfang 2015 bei Edition Records. An seiner Seite, der Pianist Aki Rissanen, der Bassist Antti Lötjönen und Teppo Mäkynen am Schlagzeug.

 

 

Uwe Kerkau Promotion
Hammermühle 34
D-51491 Overath
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12.06.2014 alles nur geldmacherei?

GFDK - Michaela Boland

Ist das vielbeschriebene phönixhafte Revival des deutschen Schlagers in Wahrheit nur Augenwischerei? Tatsächlich sollen dort nämlich einzig drei Künstler präsent sein: Andreas Gabalier, Andrea Berg und natürlich Helene Fischer. Letztere werde augenblicklich ganz schön verheizt, findet zumindest Haluk Koudsi. 

Der Schlagersänger und Urenkel des früheren syrischen Staatspräsidenten, Nazim al- Kudsi, ist sich sicher, dass man lediglich glaube, der Schlager habe eine kometenhafte Renaissance erfahren. In Wirklichkeit jedoch handele es sich bei der gerade angesagten deutschen Musik um Disco-Sounds a la Avicii bzw. volkstümlich angehauchte Rock-Pop-Klänge. 

Welchen Stellenwert der echte Schlager tastsächlich hat, wie man seinen Weg in der Branche ohne Vitamin B oder peinliche Auftritte in massentauglichen Busch-TV-Shows meistern kann und warum das Genre seit 25 Jahren sein Leben ist, hat der Mann, dem ZDF-Hitparaden-Ikone Uwe Hübner einen entscheidenden Schubs gab, im Gespräch verraten. Michaela Boland trifft Schlagersänger Haluk Koudsi.

Zwei augenscheinlich gut situierte Herren im eleganten Outfit des 19. Jahrhunderts reiten vor der düsteren Kulisse eines alten Grusel-Gemäuers in Richtung Innenhof. Ihre Mission: Die Seelen-Rettung des holden Eheweibes des einen der beiden. Während sein Kumpan, der in gewisser Weise an Igor, Dr. Frankensteins buckligen Gehilfen, erinnert, mit Augenklappe und Zylinder letzte eindringliche Worte an den verzweifelten Ehemann richtet, soll dieser das scheinbar Unmögliche bewerkstelligen:

Einen Holzpfahl durch das Herz der nur vermeintlich Toten jagen, die innerhalb des hauseigenen Kellergewölbes in einem Sarg verweilt und einmal die Seine war. So beginnt der geradezu phantastisch umgesetzte Videoclip zum Song, "Atemzug", des Gesangsduos Paradies

Haluk Koudsi und Kollege Ingo Himmelmann hatten das Musikprojekt vor genau zehn Jahren gestartet und sich Schlager auf die Fahne geschrieben. Wohl mutet das Gänsehaut-Video zum Song für die gewählte Musikrichtung auf den ersten Blick ungewöhnlich an, überzeugt jedoch sowohl von der szenischen Umsetzung her als auch durch den Schnitt. Bässe, Drums und jede Menge Gitarrenriffs mag man vielleicht weniger in Schlagermusik für möglich halten, wird aber schnell eines Besseren belehrt.

 Die eingängige melodiöse Klangfarbe des Stücks fügt sich nämlich perfekt mit Lyrics und Beat ineinander. Alles ist stimmig. Und wer Vampire-Stories mag, wird ohnehin begeistert sein. Nicht umsonst hat sich Koudsi für die Produktion dieses Meisterwerks Crew-Mitglieder des weltweiten Kino-Erfolgs "Matrix" mit Keanu Reeves an die Seite geholt. Heute treffe ich den gebürtigen Hildener zum Gespräch.

Für die Gesellschaft Freunde der Künste hat mir der sympathische Rheinländer mit türkisch-syrischen Wurzeln schon einmal von seinen neusten Projekten berichtet.

Michaela Boland: Mit eurem Video zu „Atemzug“ ist euch im Zeitalter von Twilight und Vampire-Diaries ein außergewöhnlicher und aufwendiger Clip gelungen. Wie kam es dazu?

Haluk Koudsi: Mein bester Freund ist Filmregisseur und arbeitet auch als Kameramann für Fußballstadien. Bei der Sportschau siehst du ihn regelmäßig. Es war schon immer sein Traum, mal ein Musik-Video zu drehen. Wir haben aus Hollywood die Leute von dem Film Matrix eingeflogen. Also, wir haben enorm viel Geld dafür ausgegeben. Mein Freund hat dann das Drehbuch geschrieben, gedreht und die komplette Produktion übernommen. Die Gothic-Leute fanden das auch gut. 

Michaela Boland: Am 25. Juni erscheint der aktuelle Paradies-Titel. „Jeder neue Tag mit dir“. Hier gibt es ein entscheidendes Novum.  

Haluk Koudsi: Normalerweise fahre ich Auto, dann fällt mir eine Melodie mit einem Text ein, danach schalte ich schnell über Bluetooth das Diktiergerät an und ich singe da hinein. Dann habe ich den Titel. Anschließend schreibe ich die Akkorde heraus, schreibe den Text durch und wenn das Ganze dann mit allem Drum und Dran fertig ist, schicke ich es meinem Kollegen Ingo zu, der es dann arrangiert. So lief es bisher.

Bei dem ganz neuen Titel, der jetzt herauskommt, ist es aber ganz anders gelaufen. Da bin ich auch über meinen Schatten gesprungen. Wir haben den Produzenten Didi Hamann kennengelernt

Er hat Banaroo aus den 90er Jahren zum Erfolg geführt, mit Chris Roberts, Howard Carpendale und Cicero gearbeitet. Jetzt hat Didi Hamann unseren neuen Song, „Jeder neue Tag mit dir“, komplett geschrieben und getextet. Passend dazu wird es auch noch eine Disco-Fox-Version für die DJs geben.

Michaela Boland: Der Schlager scheint derzeit einen enormen Aufwind auf der Beliebtheitsskala der Gesellschaft zu erfahren. Wirkt sich dieser Trend auch auf euch aus?

Haluk Koudsi: Man muss immer vorsichtig sein mit dem Schlager. Man denkt, er sei jetzt da und extrem präsent, das ist aber gar nicht der Fall, denn präsent sind nur drei Künstler: Andreas Gabalier und Andrea Berg, von der man ja zeitweilig auch weniger gehört hat. Doch dank Dieter Bohlen war sie ja dann wieder da, und natürlich Helene Fischer. Wenn man sich jedoch Songs von Helene Fischer anhört, ist das ja in dem Sinne kein Schlager. Das ist schon fast Disco-Musik, so wie es Avicii machen würden oder auch jedweder Disco-DJ täte. 

Nur weil es in deutscher Sprache gesungen wird, wird es eben als Schlager gewertet. Auch Andreas Gabalier ist tatsächlich ein Volks-Rock `n Roller, wie er sich ja auch selber nennt. Auch das ist kein richtiger Schlager. Wenn man mal in seine Konzerte hineinschaut, stellt man fest, dass zwar ein wenig Volksmusik dabei ist, aber er singt immer wieder auch ganz normale Popsongs und ganz normale Rocksongs. Ich finde natürlich gut, dass diese drei Künstler mal etwas anderes machen, aber als Schlager würde ich das keineswegs bezeichnen.

Michaela Boland: Wie würdest du diese Stilrichtungen nennen?

Haluk Koudsi: Vielleicht Neo-Schlager. 

Michaela Boland: Wie auch immer man es bezeichnet, warum ist die Akzeptanz deiner Meinung nach scheinbar plötzlich so ungeheuer hoch?

Haluk Koudsi: Es ist die Sehnsucht nach deutschsprachiger Musik. Es gab ja Anfang der 80er Jahre die Neue Deutsche Welle. Da kam sehr viel Zeug raus, was auch sehr banal war, aber das hat trotzdem etwas Lustiges gehabt. Die Leute haben es akzeptiert, es lief aber nur zwei drei Jahre. Mit Markus und Nena, die sich noch gehalten hat. Auch die Humpe-Schwestern, haben sich gehalten und waren über Jahre hinweg erfolgreich, später mit 2-Raumwohnung und Ich und Ich. Die Neue Deutsche Welle war zwar sehr erfolgreich, aber nach diesem Zeitraum war die deutsche Musik auch wieder weg. 

Dieses Phänomen hast du in Frankreich übrigens nicht, denn da gibt es eine Quote. Ein gewisser Prozentsatz an französischen Liedern muss dort im Radio gespielt werden. Hier in Deutschland gibt es diese Quote nicht. Dann kam bei uns aber dieses Niveauvollere. Solche Leute wie Grönemeyer und Lindenberg. Lindenberg war zwar auch schon in den Siebzigern da, aber mehr als Schlagzeuger. Es gab Westernhagen und PUR, Illegal 2001. Dazwischen gab es auch immer mal wieder die Münchener Freiheit. 

Plötzlich wurden auch ernstere Sachen ein Thema in der Musik. Politik und sozialkritische Dinge. Diese Sache ist aber mittlerweile auch vom Tisch. Dafür haben sich solche Künstler wie Xavier Naidoo etabliert. Schaut man heute in die Album-Charts, findet man bis zu 60% deutschsprachige Alben. Nicht nur Helene Fischer, die ja gerade sogar mit zwei Alben vertreten ist und Xavier Naidoo, sondern auch Jan Delay, Revolverheld oder Silbermond.

Michaela Boland: Was hältst du persönlich von Helene Fischer und ihrer Arbeit?

Haluk Koudsi: Sie kommt aus dem Musical-Bereich und hat natürlich eine einwandfreie Ausbildung genossen. Sie liefert eine gute Qualität ab. Sie kann singen, tanzen und sich wunderbar bewegen, sieht gut aus. Außerdem haben ihre Produzenten es verstanden, die Musik vom Schlager ins Moderne zu verwandeln, ohne die alten Fans zu verprellen, aber neue hinzuzugewinnen. Bei Helene Fischer habe ich aber generell die Angst, dass sie verheizt wird.

Man sieht sie zu viel. Ich bin der Meinung, da sollte das Management wirklich mal bremsen, denn sie ist ja momentan nicht nur in sämtlichen Schlagershows zu sehen, sondern auch in der Werbung und macht ihre Tourneen. Es gibt natürlich Nutznießer davon. Ich finde aber, sie wird derzeit fast schon aufgebraucht. 

Michaela Boland: Hat sich der Anspruch der Menschen oder die Musik in erster Linie verändert?

Haluk Koudsi: Ich denke, es liegt zum Teil daran, dass man die Texte wieder verstehen möchte und die deutsche Musik hat sich natürlich auch gewandelt. In der Weise, dass sie sich der internationalen Musik angepasst hat. Die Sachen von Naidoo sind ja schon Soul, ein bisschen Gospel-angehaucht. Er kommt ja aus dem kirchlichen Bereich in Mannheim. Gruppen wie PUR haben unten in Bietigheim und Stuttgart in amerikanischen Kasernen gespielt und sind dort gewachsen. 

Sie waren auch Beatles-Fans. Darüber dass Westernhagen im Grunde amerikanische Musik ist, brauchen wir auch nicht zu reden. Das Instrumentale dahinter ist sehr englisch oder amerikanisch geworden. Weil man das ja hier eigentlich auch gerne gehört hat, sagte man dann eben, „o.k., ich nehme die deutschen Texte dazu“. Der Rap ist natürlich auch modernisiert worden.

 Erst die Fantastischen Vier haben ihn etabliert. Dann kam Fettes Brot noch raus und diverse andere. Früher gab es bei uns nur Volksmusik und Schlager. Heute gibt es eben einfach eine große Vielfalt: Hip Hop, R`n B, House-Elemente, Rock und Pop. Gerade die Vielfalt hat alle Gesellschaftsschichten wieder eingeholt. Die Mixtur macht es aus. 

Michaela Boland: Du beschäftigst dich seit den 80er Jahren, deiner Teenager-Zeit, aktiv mit Musik. Was war der Moment, in dem du beschlossen hast, Musiker zu werden?

Haluk Koudsi: Seit 1982 war ich, wahrscheinlich genauso wie du Bee Gees-Fan bist, ein absoluter Duran Duran-Fan. Ich wollte einfach genau wie sie sein, denn ich dachte mir, „die verdienen Geld, sehen gut aus und können singen“. So habe ich schon zu Schulzeiten Musik gemacht, meine Pausen am Flügel in unserer Aula verbracht. 

Michaela Boland: Hattest du zuvor Musikunterricht?

Haluk Koudsi: Nein, ich habe mir alles selbst beigebracht. Wie die meisten Leute habe ich es dann zuerst einmal in englischer Sprache versucht. Doch gegen Ende der Achtziger bzw. Anfang der Neunziger habe ich festgestellt, dass Englisch zu singen doch nichts für mich war, da ich mich nicht mitteilen konnte und mein Englisch nicht wirklich gut klang.

Michaela Boland: Hätte man daran nicht arbeiten können?

Haluk Koudsi: Schon, aber ich habe dann irgendwann damit begonnen, deutsche Texte zu schreiben. Zunächst waren es Gedichte, später dann Texte und so begann ich irgendwann damit, auf Deutsch zu singen. 

Michaela Boland: Als Schlager bezeichnet man gemeinhin leicht eingängige, instrumentalbegleitete Gesangsstücke der Popmusik mit oft deutschsprachigen, weniger anspruchsvollen, oftmals sentimentalen Texten. Das entspricht ja auch genau dem Image, das dem Schlager per se viele Jahre anhaftete.

Haluk Koudsi: Aber nicht mehr bei den Künstlern von heute.

Michaela Boland: Lässt du dir denn diese Definition für deine Musik im Hinblick auf mangelnden Anspruch auch gefallen?

Haluk Koudsi:  Nein, wir haben schon anspruchsvolle Musik. Von den Texten her ist ja nun nicht gerade, „ich liebe dich, du liebst mich nicht“. Unter meinen Stücken fanden sich zwar auch Liebeslieder, meistens Dramen, aber ebenso auch sozialkritische Stücke. Damals hat man sich sehr für Greenpeace interessiert, die Grünen kamen neu heraus. 

Ich habe zwar später mit den Grünen nichts mehr zu tun gehabt, aber damals waren sie interessant und wurden somit inhaltlich auch musikalisch thematisiert. Kernkraft oder Umweltverschmutzung. Was die Künstler von heute anbelangt, zumindest die, die wirklich etabliert sind, so machen sie dieses Banale ja auch gar nicht mehr. Selbst ein Text wie „Atemlos durch die Nacht…“ ist ja im Grunde genommen kein banaler Schlager mehr.

Michaela Boland: Was wäre nach deinem Dafürhalten im Sinne der oben genannten Definition dann ein banaler Text?  

Haluk Koudsi: Vom Wendler die ganze Scheiße. (lacht). „Sie liebt den DJ, sie liebt den DJ…“ Aber fragen wir uns mal ehrlich: Was ist Schlager? Sachen von Gruppen wie PUR gelten auch als Schlager. Die laufen bei WDR 4. Andersherum: Helene Fischer läuft auch bei WDR 4 und Marius Müller-Westernhagen ist ebenfalls kein Schlager, aber läuft genauso bei WDR 4.

Michaela Boland: Apropos Michael Wendler. Es hat den Anschein, dass er kommerziell recht erfolgreich ist.

Haluk Koudsi: War. Der hat sich ja selber abgeschossen durch dieses Dschungel-Camp usw. Man muss dazu sagen, dass er von den TV-Sendern und Medien an sich hochgehalten wird. Michael Wendler ist überwiegend im Ruhrgebiet erfolgreich. Wenn er in Bayern oder Ostdeutschland aufträte, kämen vielleicht nur 1000 Leute, hier in NRW 25.000.

Michaela Boland: Die Ole-Partyreihe mit ihm und unterschiedlichsten weiteren Größen der Party-Sektor-Szene scheint gut zu laufen. 

Haluk Koudsi: Um mal eben eine Party zu machen, dafür ist der Party- oder Pop-Schlager ganz o.k., aber die verkaufen keine Platten. Kein Mensch geht nach Hause und kauft sich dann später eine Platte von Willi Herren. Das sind Künstler, die einen Namen haben, die verdienen ihre Sporen durch Auftritte. Die Platten sind im Grunde so ein bisschen Merchandising. Niemand geht nach Hause, sitzt beim Frühstück, trinkt Kaffee und legt sich dann Michel Wendler auf. Vielleicht die Hausfrau, die auch schon mal bei Frauentausch mitgemacht hat.

Michaela Boland: Woran glaubst du lag das lange Zeit eher schlechte Image des Schlagers?

Haluk Koudsi: Das Problem an der ganzen Sache ist, dass der Schlager ja wirklich leicht gewesen ist, nämlich leicht zu schreiben und leicht arrangierbar. Zumindest der banale Schlager, der ja auch nicht mehr so erfolgreich ist. Auf diese Weise ist ja jeder drittklassige Sänger, der allein in der Badewanne sitzt und vor sich hin trällert, der Meinung, dass er tatsächlich singen könne. 

Oder, wenn er irgendwann einmal zwei Karaoke Lieder in einer Karaoke-Kabine aufgenommen hat, ist er davon überzeugt, das Singen zu beherrschen und meint, Geld damit machen zu können. Dann geht er in ein Studio, um mal eben schnell einen Schlager zu machen, weil er etwas anderes ja ohnehin nicht hinkriegt. 

Michaela Boland: Ihr habt u.a. ein Stück mit dem Titel, „Er oder ich“ herausgebracht. Da heißt es beispielsweise im Text, „Doch ich weiß, ich spür es, du bist was ganz Süßes, ich komme einfach nicht mehr von dir los“. Was genau ist darin nun das Anspruchsvolle?

Haluk Koudsi: Die Wortwahl an sich. Ich achte bei meinen Texten schon darauf, dass sie ein wenig Niveau haben. 

Michaela Boland: Der absolute Durchbruch wollte zu jener Zeit nicht so recht gelingen. Wie bewertest du deine Vorgehensweise im Rückblick?

Haluk Koudsi: In jungen Jahren habe ich womöglich den Fehler gemacht, die Musik zu machen, die ich selbst gut fand. Zwar mache ich heute auch noch Musik, die ich gut finde, überlege aber trotzdem, ob das etwas für den Markt ist oder nicht. Außerdem hat man ja heute auch seine Berater sowie die Plattenfirma die ganz klar sagen“, das ist nicht geeignet“. 

Michaela Boland: Gibt es bei dir eigentlich eine familienbedingte Disposition im Hinblick auf die Musikalität?

Haluk Koudsi: Von meinen Eltern hat niemand etwas mit der Musik zu tun gehabt. Alles absolut unmusikalische Menschen. Mein Vater ist 30 Jahre lang als Stations-Pfleger in einem Krankenhaus tätig gewesen und hat nur schief gesungen, meine Mutter war Hausfrau. Sie war in Istanbul allerdings ausgebildete Lehrerin.

Michaela Boland: Hast du noch Geschwister?

Haluk Koudsi: Ja, einen zwei Jahre jüngeren Bruder. Er ist kaufmännischer Angestellter und mittlerweile Abteilungsleiter in seinem Betrieb.

Michaela Boland: Du selbst bist 1972 in Hilden geboren. Kommt deine Familie ursprünglich aus der Türkei?

Haluk Koudsi: Meine Mutter war Türkin, mein Vater ist Syrer.

Michaela Boland: Sprichst du beide Sprachen deiner Eltern?

Haluk Koudsi: Türkisch ja, Arabisch nur zu 40 Prozent. Wenn ich muss, kann ich mich verständigen, ansonsten traue ich mich nicht. Wenn ich mit meinen Cousins aus Syrien skype, mittlerweile leben sie in der Türkei, denn sie sind ja alle geflüchtet, dann spreche ich Englisch und sie antworten auf Arabisch.

Michaela Boland: Hast du selbst denn dein ganzes Leben bisher in Deutschland verbracht?

Haluk Koudsi: Fast. 1978 kamen meine Eltern nämlich auf die Idee, nach Syrien zurückzuwollen. Meine Mutter, mein Bruder und ich sind schon vorgereist, weil wir dort einen neuen Haushalt aufbauen sollten, mein Vater musste hier noch seinen Arbeitsvertrag erfüllen. Dann haben meine Mutter mein Bruder und ich für zwei Jahre in Syrien gelebt.

Michaela Boland: Welche Erinnerungen hast du noch an die Zeit?

Haluk Koudsi: Dass der Krieg zwischen dem Libanon und Syrien ausgebrochen ist und wir deshalb zurückkamen. 

Michaela Boland: Waren es also ausschließlich schlimme Erinnerungen, die du mit dieser Zeit verbindest?

Haluk Koudsi: Nein. Es ist schon ein schönes Land, muss man ja ehrlich sagen. Meine gemeinsame Kindheit mit all den Cousins war sehr schön. Wir sind eine Großfamilie. Es ist ja eine adelige Familie gewesen. Wir hießen auch früher „al Koudsi“, quasi wie „von Koudsi“ und mein Ur-Großvater, Nazim al-Kudsi, war früher syrischer Staatspräsident. Er wurde von Assad (Anm. d. Red.: Hafiz al-Assad) gestürzt.

Michaela Boland: Von wann bis wann war das?

Haluk Koudsi: Von 1961 bis 1963. Er hat dann später im Exil in Jordanien gelebt und ist dort auch verstorben.

Michaela Boland: Hatte dieser Umstand für dich noch irgendwelche Auswirkungen?

Haluk Koudsi: Nein, aber mein Vater ist bei der Einreise nach Syrien einmal verhaftet worden. Er wollte dort Urlaub machen. Sie suchten nämlich einen Namensgleichen, haben ihn verhaftet und dann aber festgestellt, dass er es nicht sein kann, weil der Gesuchte 22 Jahre alt sein sollte, mein Vater aber schon 40 war.

Michaela Boland: Was hast du selbst damals vom Krieg mitbekommen?

Haluk Koudsi: Ich erinnere mich noch daran, wie unser Haus durchsucht worden ist, und wie es Einschüsse in die Fensterscheiben gehagelt hat. Wir mussten uns auf den Boden legen. Die Wohnung wurde auch quasi gebrandmarkt. An der Türe wurden mit Kreide Kreuze angebracht, um zu verdeutlichen, dass sie bereits durchsucht wurde.

Michaela Boland: Verfolgst du denn die Politik Syriens regelmäßig?

Haluk Koudsi: Ja, ich verfolge schon die Politik. Es tut einem auch leid, wenn man so wie jetzt sieht, dass der älteste Bazar der Welt in Aleppo an zwei Enden zerstört wird. Es wird hier im Westen nicht alles mitgeteilt. Und mein Vater schaut natürlich Al Jazeera und wenn wir zusammen sitzen, dann erzählt er schon mal davon.

 Von meinen Cousins erfährt man auch manchmal etwas. Allerdings bekommen sie natürlich nicht alles mit, da sie ja jetzt in der Türkei leben. Sie haben die doppelte Staatsbürgerschaft, die türkische und die syrische, denn als das Gebiet früher zum osmanischen Reich zählte, kam meine Oma von der türkischen Seite aus Aleppo. Deshalb hatten alle sogleich beide Staatsbürgerschaften und konnten ganz normal in die Türkei einreisen.

Michaela Boland: Wie war es für dich, zurück nach Deutschland zu kommen?

Haluk Koudsi: Wir hatten die deutsche Sprache komplett verlernt und konnten nur noch Arabisch. Aber die syrische Kultur wurde komplett gekappt. Ich wurde in die dritte Klasse eingeschult und weiß nur noch, dass mein Vater meinem Bruder und mir sagte, „wir sind jetzt wieder in Deutschland und wollen auch nicht mehr in dieses schreckliche Land Syrien zurück. 

Wir werden jetzt Deutsche und ihr werdet jetzt nur noch Deutsch sprechen, auch zu Hause. Alles wird jetzt Deutsch sein. Feierabend“. Seither wurde zu Hause mit unserem Vater auch nur noch Deutsch gesprochen. Das ist bis heute so geblieben. Unsere Mutter sprach schon noch Türkisch mit uns. 

Michaela Boland: Du bist selbst Vater von vier Kindern. Ist es dir wichtig, ihnen auch ein Stück der arabischen Kultur zu vermitteln?

Haluk Koudsi: (lacht) Die können noch nicht mal Kölsch.

Michaela Boland: Wie alt sind die Kids?

Haluk Koudsi: 10 und 7, die Zwillinge sind erst sieben Monate alt. 

Michaela Boland: Hast du deine Gattin einst im Musikbereich kennengelernt?

Haluk Koudsi: Nein, sie war Vorstandssekretärin bei der Landeszentralbank in Düsseldorf und kellnerte  ab und zu zum Spaß in einem Laden, in dem ich einmal auftrat, um Menschen kennenzulernen.

Michaela Boland: Du bist auch schon gemeinsam mit Schlager-Legende Jürgen Drews aufgetreten. Er betätigt sich seit vielen Jahren erfolgreich auf dem Party-Sektor. Die Party-Schlager haben seit vielen Jahren gerade auf Mallorca, aber ebenso bei jedweder Apres Ski-Feier Hochkonjunktur. Hat sich dir dieses Genre jemals erschlossen?

Haluk Koudsi: Hast du schon mal Micki Krause gehört? Er hat jetzt gerade ein Lied herausgebracht, in dem es irgendwie um Bier geht. Also, das ist vom Text her noch banaler. Bei dieser Musikrichtung geht es beispielsweise nicht mehr um Liebe, sondern um saufen, grölen und viel Hejooh. So, dass die Leute, wenn sie einen gewissen Pegel erreicht haben, es auch mitsingen können.

Michaela Boland: Kann man sagen, dass seit man innerhalb dieser Musik mit mehr Off-Bass zwischen den ersten Takten arbeitet, der musikalische Bereich des Partysektors einen ganz schönen Schub erfahren hat?

Haluk Koudsi: Eigentlich schon seit Ibo (Anm. d. Red.: Schlagersänger, 2000 bei einem Autounfall in Österreich ums Leben gekommen). Sein Song, „Ibiza“ war ja der erste Song, der heute als Pop-Schlager gewertet wird. Ibo hat tatsächlich als erstes diese achte Base Drum hineingebracht. Vorher war im Grunde genommen nur „Naturschlagzeug“ angesagt. 

Allerdings wesentlich leiser, ähnlich wie noch in den Siebzigern, nur ein wenig darunter gemischt. Beispielsweise wie bei den Stücken von Roland Kaiser.  In jedem Fall war Ibo der erste, der den Pop-Schlager etabliert hat. Erst danach sind ja diese ganzen Künstler wie Olaf Henning, Matthias Carras oder Sandy Wagner gewachsen. Das waren zumindest diejenigen, die anschließend bei Uwe Hübner in der Hitparade auftraten und mit noch stärkeren Base Drums arbeiteten als Ibo. Mit Ibos Bruder, Cäsar, habe ich mal zusammen Musik gemacht. Was diesen Partyschlager anbelangt, so kann man aber sehen, dass er wieder abnimmt.

Michaela Boland: Woran wird das festgemacht?

Haluk Koudsi: Nachwuchs wird beispielsweise gar nicht mehr genommen. Selbst von den DJs nicht mehr. Es waren ja seinerzeit die DJs, die die ganzen Künstler von hier nach Mallorca geholt haben. Z.B. Micki Krause, Tim Toupet oder Jürgen Drews, nachdem dieser zusammen mit Stefan Raab und „Ein Bett im Kornfeld“ erneut ganz groß raus gekommen war. All das nimmt aber derzeit stark ab, insbesondere deshalb, da neue Künstler nicht mehr nachkommen. Sie werden auch von jenen DJs nicht mehr akzeptiert.

Michaela Boland: Aus welchem Grund?

Haluk Koudsi: Man will es nicht mehr. Man möchte auch auf Mallorca diese Musik nicht mehr haben. Die bereits Etablierten haben natürlich jetzt noch ihre Auftritte und die ziehen auch noch. Aber heute geht der Trend tatsächlich auch auf Mallorca eher dahin, dass man lieber Sachen wie beispielsweise die von Avicii spielt. Man holt sich nun eher DJs wie DJ Antoine dorthin als diese Gröl-Party-Geschichten. 

Hinzu kommt natürlich auch, dass sich die Gesetzeslage auf Mallorca dahingehend geändert hat, dass man draußen am Strand nun keinen Alkohol mehr trinken darf. Genauso wenig darf man noch in Badehose auf den Straßen herumlaufen. Somit ist alles in die Clubs hineingezogen worden. Zwar wird die ganze Sache nun so ein bisschen an den Goldstrand nach Bulgarien verlagert, aber Nachwuchskünstler gibt es keine mehr. In zehn Jahren wird der Partysektor auf Mallorca aussterben. 

Michaela Boland: Was hörst du privat für Musik?

Haluk Koudsi: Alles. Ich höre Klassik, Rock, Hard Rock und Metal von Metallica, Linkin Park, genauso wie alten Pop von Duran Duran und Spandau Ballet oder Keisha oder Pink.

Michaela Boland: In diesem Jahr feierst du nun zehnjähriges Jubiläum mit deiner Band „Paradies“. Offensichtlich hast du den Solo-Pfad irgendwann aufgegeben und dich mit deinem Musik-Partner zusammengetan. Wie kam es dazu?

Haluk Koudsi: 2004 habe ich Ingo Himmelmann über eine Anzeige kennengelernt. Wir haben zuerst experimentelle Musik gemacht, also 80-er Jahre Musik, New Romantic. Das entsprach in etwa so der Musik der Anfänge von Bands wie Depeche Mode, Duran Duran oder Spandau Ballet. Zuvor war die Musik Ende der 70er Jahre ja sehr stark durch Punk, z.B. die Sex Pistols etc. geprägt.

 Und die Jungs Anfang der 80er sind dann aber ganz schnieke und geschminkt daher gekommen und haben eine musikalische Mischung aus David Bowie und Musik mit sehr vielen Synthesizern, also recht vielen „Kraftwerk“-Instrumenten und wenigen Gitarren gemacht. Und wir haben das Ganze eben auf Deutsch versucht. Letztendlich war es allerdings Musik, die keine Sau interessiert hat. 

Vor drei Jahren habe ich nochmal eine Solo-CD gemacht, „Katharina“. Die ist aber gefloppt. Ingo und ich hatten dann schon eine Weile zusammengearbeitet als wir irgendwann Uwe Hübner (Anm. d. Red.: ehemaliger Moderator der legendären ZDF-Hitparade) kennenlernten. Ihm hatte ich bei einer Schlagerveranstaltung in Köln eine CD von uns in die Hand gedrückt. Die fand er gut und setzte sich mit mir in Verbindung. Er sagte, „Mensch, das ist gute Musik, aber mach doch mal einen Disco Fox“. 

Michaela Boland: Wollte Hübner euch dazu bewegen, eure Musik tanzbarer zu machen?

Haluk Koudsi: Ja, vollkommen richtig. Also habe ich mit meinem Kollegen Ingo darüber gesprochen, doch er hat es zunächst abgelehnt. Ich war der Meinung, dass wir einfach mal etwas wagen sollten, da wir schon vier Jahre mit unserer Musik unterwegs waren, die Interessentenzahl sich in Grenzen hielt und wir ja womöglich durch diesen Versuch die Chance gehabt hätten, ein wenig kommerzieller zu werden.

Michaela Boland: Dass eure Musik aber auch schon zuvor gut ankam, belegt doch der Umstand, dass ihr jede Menge Live-Auftritte, wie beispielsweise allein in Gelsenkirchen vor 9000 Zuschauern, vorweisen konntet. 

Haluk Koudsi: Richtig. Wir haben auch für Uwe Hübner schon diverse Auftritte gemacht. Auch solche zusammen mit Kollegen wie Jürgen Drews oder Christian Anders. Zum guten Schluss jedenfalls haben wir dann tatsächlich einen Disco-Fox-Titel produziert. Kurze Zeit später fand erneut ein Schlagerevent mit Uwe Hübner in Köln statt. Dort hieß es dann, dass der letzte geplante Auftritt des Abends demjenigen Künstler vorbehalten sei, der im Rahmen einer Art Tombola gezogen würde. 

Ich füllte also einen Teilnahmezettel für unsere Band, „Paradies“, aus und gab ihn ab. Genau dieser Zettel wurde später gezogen. Wir haben irgendwann einmal erfahren, dass das kein Zufall war, aber Hübner hat sich so für uns interessiert, weil er schon seinerzeit ein Schlagerportal führte, das sich „Hitparadies“ nennt. Parallel dazu gibt es auch noch die Hitparadies-Zeitung.

Michaela Boland: Hübner hat ja einige Jahre die über lange Zeit erfolgreiche ZDF-Hitparade moderiert und dürfte Ahnung von der Materie gehabt haben.

Haluk Koudsi: Das ZDF hat ja die Sendung einfach abgesetzt, wie er mir damals erzählt hat, weil es nicht mehr zeitgemäß gewesen und auch die Zuschauerzahlen runtergegangen seien.

Michaela Boland: Wie ging es für euch weiter?

Haluk Koudsi: Durch Uwe Hübner sind wir eigentlich in die Schlagerschiene hineingerutscht. Wir machten beim Künstlercontest mit und belegten unter 600 Teilnehmern den dritten Platz. Durch Hübner kam es dann bei uns zu solchen Dingen wie „engelsgleicher Duft“. Das Video hierzu habe ich auch selbst gedreht. Ich verstehe zumindest mein Handwerk, ich komponiere und produziere selbst, ich texte, drehe häufig selbst Videos und manage die Band.

 Wir arbeiten uns Stück für Stück voran und nach oben. So haben wir mit Paradies 2013 bei der Müller Music Group einen Bandübernahmevertrag unterschrieben. Das ist eine Plattenfirma, die zu DA Music gehört. Münchener Freiheit oder Rosenstolz sind dort. 

Michaela Boland: Ihr habt ein neues Album fertig. Wann dürfen wir mit dem Erscheinen rechnen?

Haluk Koudsi: Als erste Single haben wir daraus bereits den Titel „Entlieben“ ausgekoppelt. Das lief auch in den Radiostationen. Bei HR 4, Bayern plus, RBB und NDR 1. Wir haben einen Radiopromoter aus Berlin, der das gut untergebracht hat. Dieter Pön. Er hat auch schon unseren früheren Titel „engelsgleicher Duft“ bei „Gute-Laune-TV“ und „Sky“ aufgestellt und außerdem hat es der Song auch zwei Wochen lang auf Platz 1 der Fan-Hitparade geschafft. Den zweiten Titel des Albums brachten wir dann mit „Atemzug“ heraus. Das komplette Album wird dann voraussichtlich 2015 veröffentlicht.

Michaela Boland: Was muss man deiner Meinung nach tun, um Chart-Entries zu bekommen?

Haluk Koudsi: Selber die Platten kaufen (lacht). Das haben die Beatles gemacht und auch Take That. Nein, es ist schwer. Wahrscheinlich muss man einfach viele Live-Auftritte machen, sehr viele Konzerte geben und im Radio präsent sein, aber gleichzeitig ein paar Fernsehauftritte bekommen. Für uns wäre beispielsweise der Fernsehgarten interessant, oder „Immer wieder sonntags“. Damit hat es aber bisher noch nicht geklappt. 

Michaela Boland: Was steht in nächster Zukunft an?

Haluk Koudsi: Wir haben in Kürze einen größeren Auftritt in Leverkusen bei Saturn und im Rathauscenter. Wir haben auch weitere Konzerte geplant und sammeln so unsere Zuschauer Stück für Stück.

Michaela Boland: Lieber Haluk, dafür wünsche ich euch viel Glück. Vielen Dank für dieses Interview.

Michaela Boland ist Journalistin und TV-Moderatorin. Bekannt wurde sie als Gastgeberin der Sommer-Unterhaltungsshow „HOLLYMÜND“ des Westdeutschen Rundfunks Köln. Seit 1988 schrieb sie für die Rheinische Post, unterschiedliche Publikationen der WAZ-Gruppe Essen, Bayer direkt und Kommunalpolitische Blätter.

Außerdem präsentierte sie die ARD-Vorabendshow „STUDIO EINS“ und arbeitete als On-Reporterin für das Regionalmagazin „Guten Abend RTL“. Auf 3-Sat, dem internationalen Kulturprogramm von ARD, ZDF, ORF und SRG, moderierte sie die Kulturtalkshow „Doppelkopf“, sowie für TV NRW, die Casino

Show „Casinolife“ aus Dortmund-Hohensyburg. Michaela Boland arbeitet auch als Veranstaltungsmoderatorin und Synchron- sowie Hörspielsprecherin.

 

Für die Gesellschaft Freunde der Künste moderiert sie den Kaiserswerther Kunstpreis sowie alle großen Kulturveranstaltungen der Gesellschaft.

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22.05.2014 Terri Hooley im interview mit Michaela Boland

GFDK - Michaela Boland

Für die Freunde der Künste hat Terri Hooley exklusiv Michaela Boland seine Geschichte  über den legendären Plattenladen Good Vibrations  erzählt. Belfast Nordirland - Zwischen 1969 und 1998 beherrschte ein blutiger Identitäts und Machtkampf zwischen zwei Bevölkerungsgruppen die Politik: pro-britische Protestanten gegen irisch-nationalistische Katholiken.

Während sich die Menschen in den Siebziger Jahren bis aufs Äußerste bekämpften und feige Morde durch Bombenattentate auf der Tagesordnung standen, behielt ein Mann einen kühlen Kopf: Terri Hooley. 

Die Musik schien sein Schutzschild, der Punk sein Elixier. Mutig eröffnete er auf der meist bombardierten Straße Belfasts einen Plattenladen und förderte Punkbands mit seinem Label. Er glaubte an die Wirkung der Musik und landete prompt einen Erfolg: Mit “Teenage Kicks“ brachte er nicht nur „The Undertones“ groß heraus, sondern konnte auch für ein kleines bisschen mehr Frieden im Land sorgen.

Er verschenkte Platten für das Versprechen, nicht mehr zu töten. Jetzt ist der Film über ihn und sein Leben in deutschen Kinos angelaufen. „Good Vibrations“ lautet der Titel, genau wie der Name seines legendären Geschäfts. „

Michaela Boland: Vermag Musik die Welt zu verändern, Terri?

Terri Hooley: Ich würde das gerne glauben. Sie hat sicherlich meine Welt sehr verändert.

Michaela Boland: Während des Nordirlandkonflikts hast du ausgerechnet in der meist bombardierten Grand Victoria Street in Belfast einen Platten-Landen namens "Good Vibrations" eröffnet, später ein eigenes Plattenlabel gegründet, die Straßenunruhen mit ständiger Waffengewalt quasi ignoriert und trotzdem überlebt. Wenn Musik eine solche Kraft vermitteln kann, was geht in dir vor, wenn du augenblicklich Bilder aus der Ukraine siehst, wo politische Konflikte mit Russland teilweise ebenfalls mit Gewalt auf den Straßen ausgetragen werden?

Terri Hooley: Als ich im Fernsehen sah, in was Moskau und die Ukraine sich da gerade verwickeln, erinnerte mich das sehr stark daran, was damals bei uns in Belfast passiert ist als wir in diesen Konflikt mithineingezogen wurden. Ich sah kurz darauf auch noch einen Film über Musiker, die sich dagegen wandten, dass sich dieser politische Konflikt in der Form ausweitet. Der Nordirlandkonflikt bei uns zog sich über zehn lange Jahre mit all den Bombardements und Morden. Wir hatten wirklich mehr als genug von all dem.

Michaela Boland: Du wurdest am 23. Dezember 1948 in Belfast geboren und wohnst auch heute noch dort. Hast du eigentlich dein ganzes Leben in dieser Stadt verbracht oder zwischendurch auch einmal woanders gelebt?

Terri Hooley: Ich hatte nie den Wunsch irgendwo anders zu leben. Man hat mir Jobs in Amerika angeboten, aber ich habe nie einen anderen Ort entdeckt, an dem ich mir hätte vorstellen können zu leben. Belfast ist ja nur eine kleine Stadt und ich kenne dort so viele Menschen, dass es für mich recht einfach ist, dort etwas zu organisieren. Auch wäre ich mir wie ein Verräter vorgekommen, wenn ich Belfast verlassen hätte.

 Ich war früher in der Friedensbewegung tätig, wir waren insgesamt 40 Leute und nannten uns „The Tribe“. Nach dem ersten Bombenanschlag war die Stadt jedoch auf einmal derart geteilt. Ganze Straßenzüge wurden niedergebrannt. Wenn Katholiken aus einem Gebiet wegzogen, brannten die Protestanten ihre Häuser nieder und wenn Protestanten bestimmte Häuser bezogen, fielen Katholiken dort ein. Was sich da abgespielt hat, war unglaublich.

 Einige derer, die paramilitärisch waren, kannte ich noch aus meiner Kindheit und so konnte ich mit ihnen reden. Manchmal kam es zum Streit mit diesen Menschen aus der Arbeiterklasse, die sogar ihre eigenen Leute erschossen. Das ging dann so lange, bis gesagt wurde, „sei nun still oder ich erschieße dich“.

 Von den ursprünglich 40 Leuten des „Tribe“ war ich am Ende der einzige, der übrig geblieben ist, denn die anderen sind aufgrund von unterschiedlichster Einschüchterung von Seiten der paramilitärischen Organisation oder des Militärs fortgegangen. Daher wollte ich nicht auch noch das Feld räumen.

Michaela Boland: Ihr habt dort in der Titanic-Werft-Stadt unter 300.000 Einwohner?

Terri Hooley: Ja, ich glaube schon. Ganz genau weiß ich es nicht. Ich biete dort Wandertouren an. Das nennt sich dann: “Terri Hooley`s Alternative Belfast Walking Tour“. Da erzähle ich aber rein gar nichts Historisches, ich spreche auch nicht über die Unruhen oder gar über die Titanic. Ich berichte nur über Sex, Drugs und Rock `n Roll. Dabei geht es um alle möglichen Rockstars wie Van Morrison, Jim Riley, Fergal Sharkey, Snow Patrol oder The Undertones. Auch um John Peel.

Michaela Boland: Du bist auch Vater?

Terri Hooley: Ja, ich habe eine 34-jährige Tochter und einen 14-jährigen Sohn. Daher sagten all meine Freunde immer, dass ich offensichtlich 20 Jahre lang viel zu betrunken war, um Sex zu haben.

Michaela Boland: Wie bist du aufgewachsen?

Terri Hooley: Ich bin in Armut aufgewachsen. Wir waren in keiner Weise reich, aber niemand in meiner Umgebung war das damals. Alles, was wir hatten, war ein riesiges Radio und ich liebte dieses Gerät abgöttisch. Ich hörte immerzu Radio. Mein Vater war Politiker.

 Er war eigentlich Engländer und begegnete meiner Mutter während des Zweiten Weltkriegs in Belfast. Dann zog meine Mutter mit nach England, aber sie fühlte sich dort überhaupt nicht wohl. Mein Vater war als Politiker in England zuvor recht etabliert gewesen, als er jedoch nach Nordirland kam, konnte er dort niemals so richtig Fuß fassen.

Michaela Boland: Hast du noch Geschwister?

Terri Hooley: Ja, einen Bruder. Er wurde noch in England geboren, ich bereits in Belfast. Ich mochte meinen Bruder allerdings auch nie (lacht). 

Michaela Boland: Wie hat sich deine besondere Leidenschaft für gepresstes Vinyl entwickelt?

Terri Hooley: Meine Eltern gingen abends schon mal aus und dann habe ich mich regelmäßig aus dem Bett geschlichen und dem Radio gelauscht. Das war Radio Luxemburg. Ich liebte das so sehr. Als ich dann sieben Jahre alt war, bekam ich meine erste Schallplatte. 

Michaela Boland: Mit welchem Titel und von welchem Interpreten?

Terri Hooley: Sie kam als Beilage einer Margarine-Werbung durch den Briefkastenschlitz. Es war der Titel "Swinging on the garden gate" von einem Jazz-Künstler namens Humphrey Lyttelton. Jazz war zu dieser Zeit sehr angesagt. Da ich meinen Bruder, der kein sehr angenehmer Zeitgenosse war, kannte, war mir sofort klar, dass er mir die Platte wegnehmen würde, sobald er sie sähe, und so rannte ich dem Austräger hinterher und bettelte ihn an, mir noch eine zu geben. Ich hütete diese Schallplatte wie einen Schatz und ich versteckte sie.

 Ich wickelte sie in Bettlaken ein und verbarg sie im Badezimmer. Auch las ich dann immer wieder die Textzeilen auf dem Cover, jedes einzelne Wort, denn es vergingen noch Monate, bevor ich die Scheibe zum ersten Mal hören konnte. Schließlich hatte ja niemand in unserer Straße einen Plattenspieler. Eines Tages bat mich ein Freund, dabei behilflich zu sein, Kohle zu seiner Tante zu tragen. Sie hatte einen Plattenspieler. Also bat ich sie, meine Schallplatte abzuspielen. Und sie war genauso wundervoll wie ich es mir vorgestellt hatte.

Michaela Boland: Wurdest du auf diese Weise mehr oder weniger „infiziert“?

Terri Hooley: Ja. Ab diesem Zeitpunkt wurde ich zum Platensammler und zwar zu einem fanatischen. Leute von überall her brachten mir dann Schallplatten. Und auch ich klapperte Häuser ab, besonders in den 60ern, als alle so wild auf die Beatles und die Stones waren. Die Leute fragten mich dann häufig, "warum hörst du dir denn die Plattensammlung meiner Eltern an", denn ich spielte gerne Charlie Parker, Patsy Cline oder sogar Paganini. Mein Musikgeschmack war sehr umfassend.

 Ich liebte einfach all das. Und obgleich ich vor zehn Jahren meine komplette Plattensammlung in meinen Laden verbracht habe, und man ihn nur drei Wochen später niedergebrannt hat, besitze ich die allererste Scheibe noch immer.

Michaela Boland: Spielst du als Musikliebhaber auch selbst irgendwelche Instrumente?

Terri Hooley: Nein. Das überlasse ich den Profis. Ich kann weder singen noch Noten lesen. Aber, ich habe Platten gemacht. In meinem Herzen bin ich einfach ein großer Fan. Ich habe sehr viele Musiker-Freunde, sogar schon in den 60-er Jahren gehabt und jedes Mal, wenn ich sie auf der Bühne spielen hörte oder höre, geht mir das Herz auf. Ich selbst könnte das nie.

Michaela Boland: Nachdem du deinen Plattenladen hattest, hast du auch jede Menge junge Musiker unterstützt. Wie kam es dazu?

Terri Hooley:  Ich war im Großen und Ganzen glücklich und bin es nach wie vor. Ich bin nie ein Punk gewesen, aber habe immer damit weiter gemacht, mir all diese Punk-Bands anzuhören. Es kamen ja auch immer mal sehr junge Künstler zu mir in den Laden, die anderswo keine Unterstützung erfuhren. Die ersten waren “ The Outcasts“, die ich anfänglich überhaupt nicht gut fand, aber deren Manager und Plattenproduzent ich neun Monate später wurde.

 Die nächste Band war “Rudi“. Ich habe sie dann gefragt, wie es für sie wäre, wenn wir eine Platte produzieren würden. Und genau das haben wir dann auch getan. Ebenso wie mit vielen weiteren Bands. Einige Leute aus der Punk-Szene kamen dann später sogar zu mir und haben sich dafür bedankt, dass ich ihr Leben gerettet hätte.

 Sie meinten, wenn sie bei mir nicht mit dem Punk in Berührung gekommen wären, hätten sie bestimmt beim Arbeitsamt gesessen und wären früher oder später wohl bei den paramilitärischen Organisationen gelandet, hätten gemordet und seien wohl im Gefängnis geworfen worden. 

Michaela Boland: Was war deine ursprüngliche Motivation dieses große Engagement?

Terri Hooley: Dass ich letztendlich das Label gegründet habe, lag daran, dass ich die Menschen wissen lassen wollte, dass nun etwas passiert. Der Grund, warum mir so viel daran lag, den jungen Bands zu helfen, war der, dass es zu der Zeit als ich in Belfast aufwuchs, in den 60er Jahren, noch sogenannte Edie-Clubs gegeben hat. Dort konnten wir in unserer Jugend noch hingehen.

Michaela Boland: Was ist darunter zu verstehen?

Terri Hooley: Treffpunkte mit Live-Musik: Bars, Tanzhallen oder Ballsäle. Leider waren nach zehn Jahren des Konflikts nur noch ein oder zwei davon übrig. Einige waren nämlich schlicht zerbombt worden. Aber niemand kam am späten Abend oder gar nachts mehr in die Belfaster Innenstadt. Es war die einzige europäische Stadt, in deren Zentrum sich die Menschen abends nicht mehr trauten.

 Definitiv hatten sie aber auch eine Art Drahtseil um das Stadt-Zentrum gespannt, sodass die Menschen auch gar nicht mehr mit ihren Autos hineinfahren konnten. Außerdem musste man sich ja auch ständig vor Autobomben vorsehen. Sogar tagsüber, wenn du arbeiten wolltest, haben sie dich schon mal gesucht, die Barrieren durchbrochen und Läden in Brand gesetzt oder Bomben gezündet. Das war schon Grund genug für die Menschen, nachts erst recht nicht in die Stadt zu kommen. 

Michaela Boland: Wie macht man unter solchen Bedingungen Bands bekannt?

Terri Hooley: Es war natürlich für uns besonders schwer, Auftrittsmöglichkeiten für unsere Bands aufzutun. Was wir dann schon mal getan haben, war, Hotels abzutelefonieren und zu sagen, dass eine Party zum 21. Geburtstag von jemandem stattfinden sollte und wir dafür ein paar Bands organisiert hätten. Wenn jene Hotels dann aber herausfanden, dass es in Wahrheit um ein Punk-Konzert ging, sagten sie, obwohl sie froh darüber waren, Publikum zu haben und Alkohol zu verkaufen, „Kommt bloß nicht wieder“. Dieser Aufforderung unverzüglich nachzukommen, unterbrach natürlich so ein Konzert der Bands.

Michaela Boland: Habt ihr Alternativen gefunden?

Terri Hooley: Dann haben wir eine Location namens „Hard Bar“ aufgetan, die ein Strip-Club war. Das war für Belfast eher ungewöhnlich und auch der einzige seiner Art. Es hatte zwar vorher auch mal einen gegeben, aber der wurde zerbombt. Eine Stripperin habe ich da eigentlich auch nie gesehen. Ich habe dann Kontakt dorthin aufgenommen und gesagt, dass wir Live-Musik dort machen wollten und so konnten wir dort Konzerte veranstalten.

 Die Leute kamen von ganz Belfast dorthin. Manchmal war der Weg ein richtiger Kampf für sie, denn egal aus welcher Gegend du kamst, du musstest die Absperrung passieren. Für Leute des „anderen Stammes“ war es recht gefährlich, nachts in die Innenstadt zu kommen, denn die anderen konnten sie einfach so erschießen.

 Tatsächlich hat es in Belfast Straßen gegeben, auf denen du, wenn du nachts auf der rechten Seite fuhrst, für einen Katholiken gehalten wurdest und wenn du auf der linken Seite gingst, hieß das, dass du ein Protestant warst. Aber der Künstler Jerry Gleason sagte stets: Terri und seine Bandjungs laufen immer in der Mitte.

Michaela Boland: Bist du katholisch oder evangelisch?

Terri Hooley: Ich wurde einmal als Protestant geboren. Ich habe nie so ganz ausmachen können, was für eine Konfession mein Vater hatte. Hooley ist eigentlich ein eher katholischer Name. Aber es gibt den Namen nur zwei Mal in Nordirland. Nur mein 14-jähriger Sohn und ich heißen so. Und die Leute sagen sogar noch, das seien zwei zu viel.

 Hooley ist außerdem ein aus Märchen bekannter irischer Begriff. Er bedeutet, `eine Party machen`. Da gibt es ein bekanntes Lied in Irland, es heißt: “We`re gonna have a hooley…“ Ich bin als Methodist erzogen worden, meine Mutter war auch sehr religiös. Mein Vater war ein Mann der Arbeit und eher radikal.

 So wurde ich durch meinen Vater als Sozialist und durch meine Mutter als Christ erzogen. Allerdings konnte ich eigentlich nie einen großen Unterschied zwischen diesen beiden Positionen finden. Ich habe in jedem Fall gelernt, jeden zu respektieren und jedem die notwendige Ehrerbietung entgegenzubringen. Wir sind schließlich alle Gottes Kinder. 

Michaela Boland: Hast du während des Glaubenskonflikts für eine der Seiten Partei ergriffen?

Terri Hooley: Nein. Ich habe mich nie auf eine der Seiten gestellt und bin auch sehr stolz darauf. Und ich wurde bereits von beiden Seiten angegriffen, sogar noch in jüngster Vergangenheit. Ich vertrete die Einstellung, dass ich einen Bruder in Melbourne, eine Schwester in Paris und Cousins in Köln habe. Wir sind doch alle eine Menschen-Familie. Ich denke, es gibt zwei Sorten von Menschen: Uns und die anderen. Diese anderen mag ich nicht, aber ich mag uns.

Michaela Boland: Nun hast du ja bereits erzählt, dass dein Vater Politiker war. Ich las, dass du weniger an Politik interessiert sein sollst. Entspricht dies der Wahrheit und wenn ja, ist es nicht eher untypisch, dass Politiker-Kinder rein gar nichts damit am Hut haben wollen?

Terri Hooley: Ich interessiere mich durchaus für Welt -Politik. Nur die Politik Nordirlands interessiert mich nicht im Geringsten, denn sie ist dumm. Dass sie noch immer einen Kampf austragen, der sich schon im Jahre 1690 ereignet hat. Naja, die Protestanten haben gewonnen. König Wilhelm III. von Oranien, der schwul war und die Unterstützung vom Papst erhielt, was ja in sich schon lächerlich ist, schlug König James II. von England und Irland.

 Dieser Kampf am Fluss Boyne war Anlass zu einer der größten Demonstrationen Europas am 12. Juli und die Loyalisten des Oranier-Ordens mit all ihren Bannern schlagen dort regelmäßig auf. Als Nordirland zu Beginn des letzten Jahrhunderts vom Süden getrennt wurde, kontrollierten und dominierten die Protestanten die katholische Bevölkerung. Sie kontrollierten die Politik und Katholiken wurden diskriminiert. Aber die Zeiten haben sich geändert. 

Wir haben jetzt eher eine gleichwertige Gesellschaft. Aber trotzdem verletzten sie sich nach wie vor. Es gibt immer noch Leute, die ein vereinigtes Irland wollen. Einmal haben die Loyalisten unmittelbar vor Weihnachten das Leben der Stadt zum Stillstand gebracht. Sie blockierten die Straßen. Es ging nichts mehr. All die Restaurants blieben leer. Im vergangen Jahr haben mich die Loyalisten angegriffen, vor 14 Jahren haben sie versucht, mich zu töten. 

Was allerdings mittlerweile schön ist, ist der Umstand, dass wir mehr und mehr gemischte Schulen haben, die von katholischen und protestantischen Kindern besucht werden. Dies erschwert herauszufinden, ob jemand katholisch oder evangelisch ist.

Michaela Boland: Glaubst Du, dass die Menschen im Hinblick auf ihre Vergangenheit lernfähig sind?

Terri Hooley: Nein. Es ist einfach bizarr. Ich glaube nicht, dass ich immer Recht habe und jeder andere Unrecht. Ich fühle mich nur so lange im Recht bis jemand anderes mich eines besseren belehrt.

Michaela Boland: Was für einen Beruf hast du eigentlich ursprünglich mal erlernt, bevor dein Leben als Plattenshop-Besitzer und Label-Inhaber begonnen hat?

Terri Hooley: Ich habe für Kodak in der Entwicklung gearbeitet. Hauptsächlich war ich in der Schwarz-Weiß-Vergrößerung eingesetzt. Ich habe zwar die Schule verhältnismäßig früh verlassen, aber das Fotografieren von der Pike auf erlernt. Fotografie und Musik waren schon immer meine Leidenschaften, aber als ich dann angefangen musste, sechs Tage die Woche zu arbeiten, habe ich irgendwann das Interesse verloren. 

Eines Nachts war ich mal da um zu arbeiten, es war in einer kalten Novembernacht, und ich kam gerade aus dem Gebäude als plötzlich drei bewaffnete Männer aus einem Auto sprangen und versuchten, mich zu entführen. Glücklicherweise kamen mir zwei befreundete Männer zur Hilfe, sie sprangen herbei und retten mir das Leben. Das war der Punkt, an welchem ich mich dazu entschlossen habe, einen Plattenladen aufzumachen. Ich dachte, ich müsse das tun, bevor man mich eines Tages umbringen würde.

Michaela Boland: Bist du jemand, der so gar keine Angst empfindet? Sich während andauernder Waffenunruhen ein Ladenlokal in der meist bombardierten Straße zu nehmen, ist nicht unbedingt naheliegend.

Terri Hooley: Viele Leute haben mich gefragt, woher der Mut kommt. Ich denke, es war einfach Verrücktheit. Eine Sache, über die beispielsweise in Nordirland gesprochen wird, ist, dass ich ein Zusammentreffen bei den ständig von der Britischen Armee von Dächern aus überwachten “Divis Flats“ (Anm. d. Red.: fast ausschließlich von arbeitslosen irischen Nationalisten bewohnte Siedlung im Westen Belfasts, Hochburg der Untergrundorganisationen IRA und INLA und Schauplatz zahlreicher Straßenschlachten, Bombenanschläge und Schießereien) organisiert habe.

 Und ich schaffte es, die IRA dazu zu bringen, für einen Tag ihre Waffen niederzulegen und die Britische Armee dazu, sich zurückzuhalten. Wenn wir jetzt zurückblicken, dann fragen wir uns natürlich, wie uns das nur gelingen konnte. Naja, ich habe mit der IRA bis in die Morgenstunden in einem Club getrunken. 

Michaela Boland: Warum musste es denn unbedingt ein Ladenlokal in der gefährlichen Grand Victoria Street sein?

Terri Hooley: Naja, wir waren ja sehr an Bomben gewöhnt. Irgendwann wird so etwas einfach mal zur Alltäglichkeit. Ich habe diese Straße auch sehr gemocht, da ich als Kind ganz in der Nähe aufgewachsen bin. Früher bin ich immer an der Hand meines Großvaters durch diese Straße spaziert und kannte zu dem Zeitpunkt alle Ladenbesitzer. Früher gab es dort einen Musikinstrumente-Laden, einen Süßigkeiten-Laden, einen Antiquitäten-Shop und Kleidungsgeschäfte. Ich liebte diese Meile.

Michaela Boland: Wie lief es dann zu Beginn mit deinem Plattenshop „Good Vibrations“?

Terri Hooley: Als ich das leere Ladenlokal entdeckte, hatte es schon keine Fensterscheiben mehr. Also haben wir zuerst mal die Toiletten für die Damen gerichtet und eine Party darin gefeiert. Anschließend standen uns jede Menge helfende Hände zum Renovieren des Ladens zur Verfügung. Und als wir damit fertig waren, haben wir wieder eine große Party geschmissen. 

Wir lieben es, Partys zu feiern. Ab einer bestimmten Uhrzeit am Abend haben wir uns das natürlich nicht mehr getraut, da wir durch die Bombenaschläge, die ja auch häufig Pubs zum Ziel hatten, viele Freunde verloren haben. 

Da gehst du beispielsweise mit einem Kumpel und dessen Bruder aus und fünf Minuten später ist dieser Bruder tot und liegt mit aufgeschnittener Kehle auf dem Boden. Nur weil er katholisch war. Somit war es schon besser, die Feste bei uns zu feiern und häufig habe ich meine Gäste auch nicht mehr heim geschickt, sondern bei mir auf der Erde oder auf dem Sofa übernachten lassen. 

Michaela Boland: Kann man mit dieser latenten Dauerbefürchtung jeden Moment sein Leben verlieren zu können, überhaupt ruhig schlafen?

Terri Hooley: Sehr oft haben wir nachts alle zusammen John Peel im Radio gehört. Das ist auch der Grund, warum er für uns eine solche Bedeutsamkeit hat.

Michaela Boland: Er war der Mann, der den Song „Teenage Kicks“ von den Undertones später zum Erfolg verholfen hat.

Terri Hooley: Niemand mochte beispielsweise die Undertones, aber John Peel hat damit angefangen, die Platte, Teenage Kicks“ zu spielen, was wirklich großartig von ihm war. Als ich selbst diesen Titel zum ersten Mal hörte, glaubte ich einfach an seinen Erfolg.

 Also, nahm ich den Song mit rüber nach London und machte mich beim größten Independent-Label vorstellig, welches viel Punk im Programm hatte. Dann habe ich ihnen die Scheibe vorgestellt und sie erwiderten nur, dass dies die schrecklichste Platte sei, die ihnen je untergekommen wäre. De facto waren natürlich alle Platten deren Platten Müll, aber sie verkauften sich. Dann klapperte ich EMI und CBS und jeder meinte, es wäre Scheiße.

Michaela Boland: Du sollst ja in einer Plattenfirma vor lauter Wut einfach mal sämtliche goldenen Schallplatten von den Wänden gerissen und auf den Boden geschmettert haben. Sonderlich kontrolliert konntest du zu diesem Zeitpunkt wohl nicht mit der Art von Kritik umgehen?

Terri Hooley: Mein Herz war einfach gebrochen. Aber immerhin: Im vergangenen Jahr wurde bei einer Veranstaltung in Dublin „Teenage Kicks“ gespielt und 42.000 Menschen sangen den Text geschlossen mit. Spätestens das hat mich entschädigt. Nun, damals jedenfalls, habe ich in London einfach mal ein Paar Scheiben für John Peel bei der BBC gelassen. 

Dann habe ich mich mit ein paar Freunden aus Belfast betrunken, kam montags mit dickem Schädel zurück nach Belfast und brach heulend vor meiner Frau zusammen. Ich hoffte, dass John Peel die Schallplatte am Abend spielen würde und: er spielte sie tatsächlich mit den Worten, „ist das nicht eine großartige Platte und jetzt tue ich etwas, was ich noch nie gemacht habe“, und er legte die Platte zum zweiten Mal auf. 

Dass so etwas passierte, war das erste Mal in der Geschichte der BBC. Schon am nächsten Tag meldeten sich Leute, die die Rechte für den amerikanischen Markt haben wollten. Wir baten sie, einfach herüber zu kommen und sie kamen kurz darauf und so nahm alles seinen Lauf. Und noch heute sind die Undertones aktiv und spielen. Genauso wie die Outcasts.

Michaela Boland: Wie ist so ein typischer Arbeitstag in deinem Plattenladen verlaufen zum Zeitpunkt der Unruhen?

Terri Hooley: Ich kam gegen 12.00 Uhr mittags mit einem Kater in den Laden. Manchmal haben ja auch andere Personen nach dem Geschäft gesehen, da ich häufig mit den Bands unterwegs gewesen bin. Vormittags kamen immer mal Leute herein, die Bestellungen aufgegeben haben. Wir hatten als Erkennungsmerkmal und Maskottchen draußen einen riesigen Elvis angebracht. Der wurde zwar wiederholt gestohlen, aber wir haben ihn immer wieder zurückbekommen. Alles in allem lief der Laden ganz gut, obwohl es mehrere Platten-Geschäfte in Belfast gab.

Michaela Boland: Stimmt es. Dass du manchmal Menschen Platten umsonst gegeben hast, wenn sie dir versprochen haben, dass sie keine Menschen mehr töten?

Terri Hooley: Ja, das ist richtig. In gewisser Weise zeigte das auch Wirkung. An materiellem Wohlstand war ich ohnehin nie so recht interessiert. Den kann man schließlich am Ende nicht mitnehmen. Ich betätige mich allerdings in vielen Wohltätigkeitsprojekten. So etwas wie Amnesty International und andere. Ich finde auch gut, wenn man beispielsweise Werkzeuge recycelt und für bestimmte Länder zur Verfügung stellt. Manchmal ist es nämlich nicht genug, nur Geld zu spenden.

 In Äthiopien hat die Regierung eine Whisky –Bestellung für 150.000 Pfund aufgegeben, während die Bevölkerung dabei war zu sterben. Ich glaube ja, dass Geld die Ursache allen Übels auf der Welt ist. Die Leute werden so habegierig. Da kommt dann wieder die christliche Erziehung meiner Mutter durch.

Michaela Boland: Bist du auch sehr gläubig?

Terri Hooley: Mir wurde einmal von einem Arzt gesagt, dass ich meinen 30. Geburtstag nicht mehr erleben würde. Dann haben sie mir weismachen wollen, dass ich die 40 nicht erreiche und jetzt bin ich schon 65. Daher glaube ich, dass es Gottes Plan zu sein scheint. Aber, ich weiß noch immer nicht, warum er mich bisher hat so alt hat werden lassen. Was meine konkrete Aufgabe ist, hat sich mir noch nicht erschlossen.

Michaela Boland: Warum hat man dir dies prognostiziert?

Terri Hooley: Wegen meines früheren Alkohol und Drogenkonsums. Das Kuriose an der ganzen Sache ist allerdings, dass ich nicht verstehe, warum ich schon so viele Freunde verlieren musste. Vor sieben Jahren-, die Unruhen waren alle vorüber, verlor ich auf einen Schlag 37 Freunde in nur einem Jahr. Und sie waren keineswegs alle in meinem Alter, sondern teilweise bedeutend jünger.

 Der jüngste Mann, Terri Little, nach mir benannt, starb bei einem Autounfall, die jüngste Frau, eine wirklich enge Freundin, Lucy Higgins, Tochter eines sehr berühmten Richters, den die IRA unzählige Male zu töten versucht hatte, wurde nur 38 Jahre. Sie starb an Krebs. Andere Freunde von mir starben durch Explosionen, wieder andere begingen Selbstmord. Ich habe einfach nicht verstanden, warum so viel jüngere Menschen als ich schon sterben mussten. Ich hätte es bei mir aufgrund meines Alters verstanden.

Michaela Boland: Glaubst an so etwas wie Schicksal?

Terri Hooley: Frühe habe ich das einmal geglaubt, aber manchmal denke ich, “naja“. Eigentlich bin ich mir da keineswegs sicher.

Michaela Boland: Mit wie vielen Verlusten hattest du insgesamt während der Unruhen in Nordirland zu kämpfen?

Terri Hooley: Ungefähr acht Freunde pro Jahr. Deshalb war es für mich ganz besonders erschreckend zuletzt 37 Freunde in nur einem Jahr zu verlieren.

Michaela Boland: Du hast nun mehrfach im Gespräch Alkohol erwähnt. Auch las ich, dass es Drogenerfahrungen gab. Wie intensiv hast du beides konsumiert?

Terri Hooley: Ich wusste damals nicht wirklich, welche Auswirkungen Alkohol haben kann, Dann traf ich all diese älteren Mädchen. Es war irgendwie wie ein Hollywoodfilm, sie fragten mich immer, was ich gerne trinken wolle. Ich habe aus der Szene viel mitgenommen. 

Sie nahmen mich zu Klassik-Konzerten mit. Mir wurde in der Szene irgendwie auch dieses Sex Drugs and Rock `n Roll –Ding vermittelt. Ich lernte einige sehr schlechte Angewohnheiten bei ihnen. Aber: sie haben mir auch das Lesen und Schreiben beigebracht, was eine gute Sache war.

Michaela Boland: Gerade ist der „Good Vibrations“ in den Kinos angelaufen. Wie zufrieden bist du mit dem Film über Dich?

Terri Hooley: Sehr zufrieden.

Michaela Boland: Warst du in die Arbeiten mit involviert?

Terri Hooley: Nicht all zu sehr. Ich habe mich da auch nicht eingemischt, weil ja jeder die Story kannte. Ich bin vor zehn Jahren zur Filmvertragsunterzeichnung nach Dublin gekommen. Wir haben eine sehr lange Zeit gewartet bis wir die richtigen Leute zum Besetzen gefunden hatten. Ursprünglich sollte Michael Fassbender (Anm. d. Red.: X-Men; 12 Years a Slave, Inglourious Basterds) übernehmen, aber wir waren dermaßen von Richard Dormer begeistert, dass wir einfach davon ausgingen, dass er mich besser als irgendjemand anders verkörpern würde.

 Ich selbst spiele ja auch eine kleine Rolle in dem Streifen, nämlich einen Akkordeonspieler im Studio. Meine Tochter und mein Sohn haben auch jeweils eine kleine Rolle übernommen. An dem Tag kam noch Pete Doherty vorbei, mit dem ich einen Drink nehmen wollte. Leider brach ich mir ein Bein und der arme Pete Doherty wurde von allen dafür verantwortlich gemacht, dabei konnte er überhaupt nichts dafür.

Michaela Boland: Bewundernswert, dass du dir nach all den schlimmen Dingen, die du vor dem Hintergrund des Nordirlandkonflikts ja auch erleben musstest, noch immer auf so wunderbare Weise deinen Humor beibehalten hast.

Terri Hooley: Immer, wenn ich abends nach Hause komme, dann lache ich und lache ich und mache mich über alles Mögliche lustig.

Michaela Boland: Lieber Terri Hooley, herzlichen Dank für dieses Interview und für den weiteren Weg alles Gute und viel Erfolg. 

 

Michaela Boland ist Journalistin und TV-Moderatorin. Bekannt wurde sie als Gastgeberin der Sommer-Unterhaltungsshow „HOLLYMÜND“ des Westdeutschen Rundfunks Köln. Seit 1988 schrieb sie für die Rheinische Post, unterschiedliche Publikationen der WAZ-Gruppe Essen, Bayer direkt und Kommunalpolitische Blätter.

Außerdem präsentierte sie die ARD-Vorabendshow „STUDIO EINS“ und arbeitete als On-Reporterin für das Regionalmagazin „Guten Abend RTL“. Auf 3-Sat, dem internationalen Kulturprogramm von ARD, ZDF, ORF und SRG, moderierte sie die Kulturtalkshow „Doppelkopf“, sowie für TV NRW, die Casino

Show „Casinolife“ aus Dortmund-Hohensyburg. Michaela Boland arbeitet auch als Veranstaltungsmoderatorin und Synchron- sowie Hörspielsprecherin.

Infos unter: www.michaela-boland.de

Für die Gesellschaft Freunde der Künste moderiert sie den Kaiserswerther Kunstpreis sowie alle großen Kulturveranstaltungen der Gesellschaft.

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21.05.2014 am 23. Mai 2014 erscheint sein erstlingswerk

GFDK - Michaela Boland

Sein Weg nach oben scheint unaufhaltsam. In Frankreich und Belgien ist er längst ein Star. Sänger, Musiker und Songwriter Bastian Baker. Der 23-jährige Schweizer, der mit bürgerlichem Namen eigentlich Bastien Kaltenbacher heißt und zugunsten der Musik auf eine Profi-Eishockey-Karriere verzichtete, hat sich dem Rock-Folk verschrieben. 

Gerade noch fungierte er erfolgreich als Juror der belgischen Ausgabe von „The Voice“. Gemeinsam mit seinen Band-Kollegen, Nathan Bonjour, Chris Zindel, Joris Amann und Simon Jaccard, firmiert der schöne Jungstar derzeit als erfolgreichster Musikexport der Schweiz.

 Nach dem MTV Music Award zählt Bastian Baker nun auch zu den Gewinnern des Swiss Music Awards in den Kategorien „Best Act Romandie“ und „Best Album Pop/Rock National“. Schon am 23. Mai feiert sein in der Schweiz bereits 2011 erschienenes Erstlingswerk, das Album, „Tomorrow may not be better“ bei uns in Deutschland Release. Zuvor hat der charmante Sänger der Gesellschaft Freunde der Künste in Köln schon einmal Rede und Antwort gestanden.

Michaela Boland: Wie und wann ist dein Interesse für die Musik erwacht?

Bastian Baker: Das ist schon vor langer Zeit passiert. Die erste Erinnerung, die ich an Musik habe, ist auf einem Foto an Weihnachten festgehalten, das meine Eltern von mir gemacht haben als ich gerade mal drei Jahre alt war. Ich hielt eine Gitarre und imitiere Michael Jackson vor einem Mikrofon. Mit fünf Jahren habe ich dann zum ersten Mal ein kleines Konzert auf dem Bar-Tresen des Restaurants meines Vaters gegeben, gemeinsam mit einem amerikanischen Gitarrenspieler.

 Ich liebte das einfach schon immer. Zwischen zehn und 13 Jahren war ich dann Mitglied in einem Kinderchor. Dort hatten wir schon riesige Erlebnisse, wie beispielsweise Aufführungen vor 300 Menschen, gegen Ende des Jahres sogar regelmäßig vor 1000 Leuten. Zum Schluss haben wir sogar ein Album mit Dave Richards, dem Tontechniker von Queen, produziert. Dann habe ich mit dreizehn meine ersten Bands gegründet und bin mit ihnen in Bars, auf Dorffesten oder Hochzeiten aufgetreten.

Michaela Boland: Also, war klar, dass Du auch beruflich einmal in diese Richtung gehen würdest?

Bastian Baker: Für mich schon, aber ansonsten, war es alles andere als klar. Ich habe ja kein klassisches Musikstudium absolviert und auch hatte ich eigentlich nie das Gefühl, dass meine Musik den Leuten derart gefallen würde. Insoweit ist das, was heute passiert, tatsächlich eine echte Überraschung für mich.

 Allerdings war mir in meinem Innersten von jeher klar, dass ich das tun würde, selbst, wenn ich keinen Erfolg damit gehabt hätte. Ich halte das auch für einen guten Grund, denn innerhalb meiner Band wissen wir alle, warum wir Musik machen, nämlich weil wir Musik lieben.

Michaela Boland: Du kommst von einem Sport-Gymnasium und hättest auch Karriere als Profi-Eishockeyspieler machen können, denn dir wurde ein entsprechender Vertrag beim Verein "HC Fribourg-Gotteron angeboten. Das heißt, Du musst in dieser Disziplin ebenfalls sehr gut gewesen sein. Warum hast Du diese Chance zu Gunsten der Musik verstreichen lassen?

Bastian Baker: Das Eishockey war zeitweilig meine größte Leidenschaft. Nur deswegen habe ich überhaupt ein Sport-Gymnasium besucht. Mein Vater war Eishockey-Profi, insoweit war das so ein bisschen das Familiending, zumal dieser Sport in der Schweiz auch ganz groß geschrieben wird. Ich selbst habe 13 Jahre lang gespielt und habe sehr viel dabei gelernt, auch unglaubliche Erlebnisse dadurch gehabt. 

So waren auch meine ersten größeren Reisen mit dem Eishockey verbunden, beispielsweise anlässlich der U-14 Weltmeisterschaft. Ich bin auf diese Weise nach Kanada und Russland gekommen. Man konnte sich so erstmalig der Welt öffnen und ich muss sagen, dass ich dadurch ganz viele Dinge gelernt habe. Zum Beispiel, jeden Menschen zu respektieren oder auch stets pünktlich zu sein. Auch weißt du, wenn du Hockey spielst, dass falls du einmal hinfällst, du sogleich wieder aufstehen musst, denn sonst war es das für dich.

 Dieser Sport verleiht dir zum einen Kämpfermentalität, aber zum anderen genauso Teamgeist. Das habe ich dort mitgenommen. So ist Bastian Baker zwar mein Name, aber dennoch ist es auch wie eine Mannschaft, die ein und denselben Namen trägt. Ich spiele jetzt mit denselben Jungs auf der Bühne zusammen, seit ich 15 Jahre alt bin zusammen und das ist auch sehr wichtig für uns. Und der Übergang vom Eishockey zur Musik hat sich eigentlich ganz einfach vollzogen.

 Zum Ende der Saison 2011 wurde ich von Claude Nobs, dem Mitbegründer des Montreux-Jazz-Festivals, in einer Bar in Zermatt entdeckt. Er ermöglichte mir, erstmals auf diesem Festival aufzutreten. Gerade in jenem Jahr hatte ich auch meine Platte aufgenommen, viele Festivals gespielt und Promo betrieben und so kam es, dass ich im September, als die Eishockey-Saison wieder begonnen hätte, nicht im Stadion war, sondern eine Album-Veröffentlichung hatte. Für mich hat es sich einfach so angefühlt, als sei es auch genau der richtige Zeitpunkt gewesen, um diesen Wechsel zu vollziehen. Es war einfach perfekt und hätte nicht besser sein können.

Michaela Boland: Kennst du deine Bandkollegen praktisch schon von der Schulbank, wenn ihr bereits so lange miteinander Musik macht?

Bastian Baker: Ja. Mit meinem Schlagzeuger habe ich die Schulbank gedrückt. Unser Gymnasium war einerseits auf Sport und andererseits auf Musik ausgerichtet. Der Schlagzeuger hat mich sodann meinem späteren Base-Player vorgestellt. Dann waren wir zuerst mal ein Trio. Aber, nach zwei bis drei Jahren haben wir dann auch einen Gitarrenspieler und einen Klavierspieler gefunden.

Michaela Boland: Wie läuft die Zusammenarbeit?

Bastian Baker: Sehr gut. Wenn ich beispielsweise Simon, meinem Pianisten, der ein wirklich sehr talentierter Musiker ist, kurz vor einem Konzert sage, "Hey, Simon, morgen hätte ich gerne ein bisschen Ukulele auf diesem oder jenem Song", und er mir dann antwortet, "ich kann aber keine Ukulele spielen", dann erwidere ich, "du kannst es aber lernen", dann sagt er, "o.k" und am nächsten Tag kann er es. Er macht einfach alles. Bei manchen Songs hat er daher die Ukulele zwischen den Beinen, spielt Klavier, anschließend Harmonika und macht Percussions. Der Wahnsinn.

Michaela Boland: Du kommst aus Lausanne, der französischsprachigen Schweiz und sprichst mit charmantem Akzent fließend Deutsch. Ab welchem Schuljahr erlernt ihr die Sprache?

Bastian Baker: Danke für das Kompliment. Deutsch lernen wir bei uns so ab 10 oder 11 Jahren, allerdings habe ich auch sehr viel durch das Eishockey gelernt. Also, eigentlich müsste ich viel mehr Schwizerdütsch reden. Deutsch und Schweizerdeutsch sind eigentlich zwei verschiedene Sprachen. Und in Schweizerdeutsch bin ich eigentlich besser. 

Michaela Boland: Fällt keineswegs auf. Du sprichst Deutsch als ob du nicht im Geringsten mehr übersetzen müssest und es wie automatisch aus dir heraussprudele.

Bastian Baker: Nun, es wird immer besser. Manchmal weiß ich allerdings gar nicht, wie ich etwas sagen soll und so kann es passieren, dass ich auch Englisch oder Französisch mitbenutze, um mich zu verständigen.

Michaela Boland: Im Musikbereich sind internationale Acts in der Vergangenheit neben den USA besonders häufig aus dem United Kingdom und auch Schweden hervorgebracht worden. Was hatte da bislang die Schweiz zu bieten?

Bastian Baker: Ich glaube, dass die Schweiz ein sehr cooles Land für Musik ist. Man darf natürlich nicht vergessen, dass wir nur ein sehr kleines Land sind, aber dafür sind die Möglichkeiten ja auch riesig. Im Sommer vergeht beispielsweise kaum ein Tag, an dem es kein Festival gibt. Wir haben 300 Festivals pro Jahr in einem Sieben- Millionen- Land. Es gibt also in fast jedem Dorf ein Festival. 

Wer kein solches hat, ist quasi ein Loser (lacht). Deswegen können mehr und mehr neue Bands spielen. Das hat auch zu einer Änderung im Denken der Menschen geführt. Ich erinnere mich nämlich daran, dass, als ich noch jünger war und zur Schule ging, die Antwort häufig war, " das ist Scheiße", wenn erzählt wurde, dass eine Band aus der Schweiz kam. Heute geht das Schweizer Publikum zu Schweizer Konzerten und das ist unglaublich.

 Die Schweizer machen jetzt aber auch viel mehr. Zum Beispiel Rock-Folk-Music in englischer Sprache. So etwas können sie natürlich auch in jedem Teil der Schweiz spielen. Im französischen oder im deutschen Teil. Es kommt immer besser an. Die zwei Bands, die es augenblicklich im Ausland versuchen, sind "77 Bombay Street" und "Pegasus".

 Außerdem gibt es ja da noch Bands, die in der Schweiz überhaupt nicht bekannt sind, aber dafür im Rest der Welt, wie beispielsweise "Eluveitie". Sie machen Heavy Metal und sind besonders in Asien bekannt. Und dann natürlich nicht zu vergessen: "DJ Bobo".

Michaela Boland: Du bist neben Deiner Heimat derzeit recht viel im Ausland unterwegs.

Bastian Baker: Wir haben jetzt sehr viel in Frankreich und Belgien gearbeitet. In Deutschland wird es auch immer besser. Wir waren vor kurzem sogar in Asien, haben dort in Südkorea gespielt und das war wirklich absolut verrückt. Wir haben 9000 Leute im Konzert gehabt! In einem Stadion. Wir waren zwei Tage dort und ich habe geglaubt, es sei ein Traum.

Michaela Boland: War es dir noch möglich, dich dort frei zu bewegen oder haben die Fans dich bis zum Hotel verfolgt?

Bastian Baker: Nein, sie waren sehr sehr lieb.

Michaela Boland: Ist dein Album, " Too old to die young" dort bereits erhältlich?

Bastian Baker: Das wird es noch, aber bisher macht das Internet schon sehr viel aus. In Japan ist mein Album jetzt seit Februar veröffentlicht. Wir haben drei Shows in Tokio gespielt, die auch super waren. 

Michaela Boland: Hast du deine Karriere eigentlich konkret geplant oder die Dinge auf dich zukommen lassen?

Bastian Baker: Es ist alles verrückt. Jeden Morgen, wenn ich aufwache, gibt es neue Informationen und alles ist anders als gestern noch. Die CD-Krise, dieses oder jenes Konzert findet nun nicht mehr statt, dafür aber ein anderes, auf dem du spielst. Plötzlich musst du ganz schnell eine Reise organisieren. Es ist oft chaotisch, aber ich denke, dass gerade dies auch die Schönheit und das Besondere an diesem Business ausmacht.

 Ich weiß beispielsweise immer ungefähr ein bis drei Monate zuvor, was ich machen möchte, aber nachher weißt du nicht wirklich, ob das alles genauso klappt. Es ist aber einfach cool, wenn du ein Konzert spielst und das führt dich wiederum zu einem anderen Konzert, du triffst neue Leute und sie machen dir dann hier und da weitere Connections. 

Wir sind da auch ein bisschen verrückt und versuchen, immer so viele Dinge wie möglich zu machen, weil wir wirklich diese Leidenschaft dafür haben und es auch sehr lustig finden, dass wir es endlich machen dürfen, weil wir nun ein Publikum haben. Deshalb haben wir manchmal so komische Wochen wie jetzt, wo wir zwei Tage in Korea sind, anschließend in Hamburg und Köln, morgen geht es nach Cannes und danach nach Brüssel. Es ist einfach nur lustig.

Michaela Boland: Hat sich dein Privatleben insofern seit 2011 extrem verändert?

Bastian Baker: Mein Privatleben nicht wirklich. Ich sehe zwar meine Eltern nicht viel, das ist klar. Aber, ich habe eine super Jugend gehabt, muss ich sagen. Ich war sehr glücklich und bin in einer tollen Familie aufgewachsen.

Michaela Boland: Bist du Einzelkind?

Bastian Baker: Nein, ich habe zwei kleine Schwestern.

Michaela Boland: Sie sind bestimmt sehr stolz auf dich. Wie alt sind die beiden?

Bastian Baker: Ja, sie sind cool. 20 und 17 Jahre alt. Eine ist in Amerika. Sie studiert Management und sie ist Tennisprofi. Und die andere steckt noch mitten im Abi in der Schweiz. Bei wichtigen Konzerten sind sie regelmäßig dabei. Es ist klasse.

Michaela Boland: Haben deine Eltern dich im Hinblick auf die Musikkariere eigentlich unterstützt? Waren sie überhaupt damit einverstanden? Immerhin hast du die mögliche Eishockey-Karriere einfach so ausgeschlagen.

Bastian Baker: Ja, denn ich habe es gut angestellt. Ich bin ja nicht angekommen und habe zu ihnen gesagt, "hey, liebe Leute, liebe Eltern, ich nehme jetzt meine Gitarre und ziehe durch die Welt". Ich habe wirklich alles vorbereitet. Sie wussten rein gar nichts von meinen Projekten und als ich zum ersten Mal vor ihnen davon gesprochen habe, konnte ich sie schon in mein eigenes Büro einladen und ihnen präsentieren, was ich schon alles erreicht hatte. Dann erst habe ich ihnen eröffnet, dass ich nun noch viel mehr im Bereich Musik machen wolle. Da waren sie zunächst etwas erstaunt, doch dann war alles im grünen Bereich.

Michaela Boland: Wo lebst du augenblicklich hauptsächlich?

Bastian Baker: Ich habe sozusagen kein Zuhause. Aber, das ist o.k. Wenn ich in der Schweiz bin, gehe ich zu meinen Eltern oder zu meiner Großmutter, die auch in Lausanne wohnt und super cool ist. Ich habe auch noch eine gemeinsame Wohnung mit meinen Kollegen, aber dort sind immer viel zu viele Leute. Wenn man also mal etwas ruhigen Schlaf benötigt, dann will man eigentlich nicht dorthin gehen.

Michaela Boland: Schreibst du all deine Songs eigenständig?

Bastian Baker: Ja. Das kann nachts oder auch tagsüber sein, das kann während einer guten Stimmung passieren oder auch während einer schlechten. Für mich ist einfach nur wichtig, dass es schnell geht. Für mich ist ein Song ein Moment. Es ist Gänsehaut. Wenn etwas passiert, muss ich darüber reden und zwar zack-zack-zack. Eine Melodie gehört zu einem Text, sofort, es ist nämlich für mich sehr schwierig, einen Text zu kreieren und die Melodie erst sechs Monate später zu komponieren.

Michaela Boland: Was hast du denn in der Regel zuerst? Text oder Musik?

Bastian Baker: Das ist immer unterschiedlich. Manchmal das eine zuerst, manchmal das andere. Hin und wieder schreibe ich auch mal sechs Monate gar nichts. Dann wiederum zehn Songs innerhalb einer Woche. Das Gefühl muss eben da sein. Ich schreibe sehr viel in den Zeiten im Jahr, in denen es sehr viele Emotionen gibt. Also, zum Beispiel an Weihnachten oder Neujahr. Das sind die besonderen Momente, in denen ich recht produktiv bin.

Michaela Boland: In deinem Song, "Tomorrow may not be better" heißt es in englischer Sprache, "es ist hart zu beschreiben, wie es in mir aussieht. Es ist noch schlimmer zu sehen, dass niemand an meiner Seite ist". Klingt doch recht traurig. Was für einen konkreten Aufhänger gab es in deinem Leben hierfür?

Bastian Baker: Manchmal brauche ich nicht allzu viel Metapher, sondern sage einfach, wie ich mich fühle. Dieser Song ist sehr speziell. Zwar weiß ich nicht warum, aber ich habe früher immer, wenn mir ein Titel einfiel, diesen auf meiner Matratze notiert. Als ich den Song geschrieben habe, muss ich ungefähr 17 oder 18 gewesen sein und habe mir geschworen, dass wenn ich einmal die Chance haben würde, eine Platte zu machen, dann würde sie diesen Titel bekommen. Als ich den Song schrieb, war ich gerade sehr pessimistisch drauf.

Es war damals die Angst vor der Zeit, die Angst davor stecken zu bleiben. Ich fühlte während dieser Zeit in mir, dass ich es brauchte, zu verreisen, dass ich auch mal neue Menschen kennenlernen müsse. Ich wollte einfach kein Leben, in dem ich jeden Tag den gleichen Bus nehmen, jeden Tag auf demselben Bürostuhl sitzen und mit denselben Kollegen zusammen arbeiten müsste. Es gibt ja Leute, die genau das lieben, denn es verleiht ja auch Sicherheit. Du fühlst dich wohl, es ist bequem. Doch für mich war diese Vorstellung wie Horror. Deswegen habe ich dieses Lied geschrieben und es wurde tatsächlich mein Lebensmotto. 

Heute ist "Tomorrow may not be better" etwas sehr Positives. Ich weiß nämlich, dass ein Tag nicht kurz ist. Zuvor habe ich gedacht, ein Tag sei recht kurz. Nun ist mir bewusst geworden, dass man innerhalb eines Tages wirklich sehr viele verschiedene Dinge machen kann. Insofern war dieser Song für mich wie eine Therapie. Ich war, ehrlich gesagt, ein wenig depressiv, hatte viele Fragen. Durch mein erstes Album habe ich dann allerdings einiges gelernt.

Wenn man seine erste Platte schreibt, hat man dieses blöde Gefühl als Künstler mit einem riesen Ego, dass man der einzige sei, der sich so fühlt. Das ist richtig dämlich. Wenn das Album dann erst mal veröffentlicht ist, und Menschen lesen deinen Text und du erhältst plötzlich Briefe und E-Mails von Leuten, die sich bedanken mit den Worten, "ich fühle mich ganz genauso wie du. 

Danke, du hast mir sehr geholfen". Dann denkst du, "mein Gott, war ich blöd. Seither hat sich viel verändert in meinem Leben. Ich habe nun nicht mehr dieses große Künstler-Ego. Das Schreiben der kompletten ersten Platte war sehr autobiografisch. Lediglich zwei Songs entsprangen meiner reinen Fantasie.

Michaela Boland: Wer gehört zu deinem Publikum?

Bastian Baker: Du hättest mein Publikum von gestern in Hamburg sehen müssen (lacht). Ich mache ja Rock-Folk-Musik, die wirklich jeder hören kann. Die Texte sind auch sehr universell, sie sind nicht nur für bestimmte Leute. Ich finde super, dass wir sowohl junge Frauen und schwule Männer als auch Heavy- Metal-Fans und Großväter haben. Musik hat meiner Meinung ja auch das Ziel, Leute zusammenzubringen. 

Und wenn das passiert, bin ich happy. Ich habe einmal einen super Kommentar von einer Großmutter auf Facebook gesehen. Der lautete: Dankeschön Bastian, du hast gleichsam mich, meine Tochter und meine Enkelin begeistert. Das fand ich cool, denn das ist etwas, das ich liebe.

Michaela Boland: Ist dir Facebook sehr wichtig? Schaust du dir dort täglich die Kommentare an?

Bastian Baker: Ich habe keine persönliche Seite, weil ich denke, es ist wie eine Zeitung, wo du jeden Tag eine neue Hauptseite kreieren kannst und das ist nicht gut. Als ich 14 Jahre alt war, habe ich einen Song geschrieben, der hieß, "The FAKEBOOK". Ich glaube, dass Facebook für viele schlechte Gefühle der Menschen verantwortlich ist, denn du siehst ja unter einer Fotografie alle Nase lang, was die anderen Leute machen.

Da kannst du sehr schnell neidisch werden und dich fragen, warum war ich nicht auf dieser oder jener Party eingeladen? Deswegen verzichte ich auf so etwas. Allerdings denke ich, dass es für die Fans ganz gut ist. Denn es ist ein Weg, sich auf dem Laufenden zu halten, wenn wir eine Ankündigung machen. Facebook ebenso wie Twitter. 

Wir haben jetzt sogar eine eigene App entwickelt. Das ist eine Weltpremiere, denn wir sind die ersten, die so etwas haben. Da kannst du direkt Musik über unsere App kaufen. Du zahlst acht Schweizer Franken pro Jahr und du hast all meine Musik: Alle Platten, alles Songs und Fernsehauftritte. Und das läuft ganz ohne I-Tunes oder Ähnliches. Wir bemühen uns immer, die Musik den neuen Technologien mehr anzupassen. Da ist sehr wichtig. 

Michaela Boland: Wenn du nicht persönlich auf Facebook bist, können deine Fans dennoch mit dir direkt kommunizieren?

Bastian Baker: Definitiv. Nach den Konzerten zum Beispiel. Ich denke, ich habe viel Geduld. Ich versuche, immer das Beste zu machen, damit die Fans happy sind. Wobei das manchmal ein kompliziertes Thema ist. Zum Beispiel bei Autogrammstunden. Die Leute, die am wenigsten lang warten, die haben dann oft etwas und die, die am längsten warten, haben oftmals noch nichts bekommen, wenn ich schon weg muss. Dann sind diese natürlich frustriert. 

Deshalb handhabe ich das jetzt so, dass wenn ich einmal anfange, bringe ich es auch zu Ende. Lieber fange ich sonst gar nicht erst an, bevor ich es nicht zu Ende bringen kann. Sonst bist du ohnehin am Ende das Arschloch. Die Leute sind sehr schnell frustriert. Auch hat sich die Beziehung zwischen Künstler und Fan im Vergleich zu früher sehr stark verändert. 

Es ist in keiner Weise mehr so wie zu den Zeiten der Rolling Stones. Wenn man damals einen Brief an jene Künstler gesandt hatte, hätte man tatsächlich nie eine Antwort erwartet. Wenn ein Fan aber heutzutage einen Tweet setzt und keine Re-Tweet erhält, schreibt er sogleich, "What the fuck! Who do you think you are". Das ist in der Musikbranche wirklich eine relativ neue Sache.

Michaela Boland: In der letzten Staffel der belgischen Ausgabe von "The Voice" warst du als Jury-Mitglied mit von der Partie. Was für eine Erfahrung war das für dich?

Bastian Baker: The Voice war für mich ein unglaubliches Abenteuer. Es ist ja so umfassend. Zuerst triffst du ein Talent, nachher wählst du die Songs für ihn, machst das Arrangement, du wählst die Tonart, die Struktur, das Tempo und nachher siehst du, was dabei herauskommt im Fernsehen. Wenn dir etwas missfällt, rufst du den Realisator an und sagst, in der und der Minute gefällt mir das nicht so gut und er erwidert, "kein Problem, das nehmen wir raus". 

Später checkst du die Sounds. Es ist wirklich die Arbeit eines Produzenten. Ich habe das wirklich gerne gemacht. Und wenn du dann am Ende dieses Talent hast, ist es unglaublich. Da kommen zum Teil Leute, die sind 16 Jahre alt und sie bereiten dir Gänsehaut. Ich habe sehr viele coole Leute kennengelernt.

Michaela Boland: Wie kam die Verbindung zu Belgien?

Bastian Baker: Ich wurde nach einem Festival angesprochen und gefragt, ob ich Lust hätte, mitzumachen. Da ich immer für neue Herausforderungen bin, habe ich zugesagt. Seit anderthalb Jahren bin ich in Belgien sehr erfolgreich. Dort bin ich zwischenzeitlich fast bekannter als in der Schweiz. Da kann ich tatsächlich nicht mehr unentdeckt durch die Straßen gehen. Das ist insofern schade, als ich immer gesagt habe, dass ich jemand sehr diskretes bin und mich, wenn ich es darauf anlegte, niemand erkennen würde. Da ist es nicht mehr möglich. 

Michaela Boland: Was hörst du selbst für Musik?

Bastian Baker: Eigentlich von Allem etwas. Vor allem die klassischen Sachen zum Beispiel The Kooks oder Fools Garden, Pearl Jam, Led Zeppelin. Auch Nirvana. Es kann auch Eminem sein oder The Wishing Well, eine hier noch relativ unbekannte Band. Auch Lana del Rey finde ich gut.

Michaela Boland: Dein bürgerlicher Name lautet eigentlich Bastien Kaltenbacher. Wie bist du auf Baker als Nachnamen gekommen. Anlehnung an Josephine Baker?

Bastian Baker: Nein, ich bin kein Fan von ihr. Sie ist auch nicht meine Großmutter (lacht). Es ist eigentlich sehr einfach. Mein Urgroßvater kam aus München. Ich habe gedacht, auch in der französischen Schweiz ist der Namen sehr schwer auszusprechen. Schon beim Eishockey war es immer schwierig, wenn durch den Lautsprecher, "Tor durch Kalten-bärgär, Kalten-Bürgär, Kalten-Beschär" gerufen wurde. 

Ich glaubte dann einfach, wenn ich mit Producern zusammen wäre, sie mich nach meinem Namen fragen würden und ich Kaltenbacher sagte, würden sie schon drei Mal weglaufen sein, bevor ich überhaupt ausgesprochen hätte. Und weil die Leute in Amerika ohnehin Coltenbaker sagen, habe ich eben schlicht Baker daraus gemacht. D.h., am Anfang war ich sogar nur Bastian Cold. Doch das kam nicht so gut. So bin ich jetzt eben Bastian Baker. Die Unterschrift geht schnell, alles gut.

Michaela Boland: Hast du eigentlich noch Zeit für herkömmliche Hobbies?

Bastian Baker: In der Schweiz sind meine Hobbies ganz einfach, nämlich Abendessen mit Kollegen, Partys, meine Familie besuchen, ein bisschen Wake-Surfen auf unserem unglaublichen See. Das ist der schönste Platz der Welt.

Michaela Boland: Bist du liiert?

Bastian Baker: Nein, meine Freundin ist mein Gepäck, meine Gitarre. 

Michaela Boland: In Deutschland warst du schon häufiger. Gibt es etwas, was dir hier besonders gut gefällt?

Bastian Baker: Ja, was ich absolut schätze, sind die Vibes. Die Leute sind in meinen Augen sehr nett. Es gibt eine coole Kultur, Leute zu treffen und nicht so schüchtern zu sein. Schöne Architektur und diese Biergärten. Es gibt hier auch so viele coole Alternativen für Konzerte: Clubs, Bars, wo wir es lieben zu spielen. Gestern in Hamburg waren wir in einer Fabrik. Eigentlich kann man sagen, dass das meine Lieblingssache in Deutschland ist: Die Clubszene.

Michaela Boland: In der Schweiz, Frankreich und Belgien bist du schon längst ein Star. Hierzulande bist du noch dabei, deinen Bekanntheitsgrad zu steigern. Wer kommt bisher zu deinen Konzerten in Deutschland? Woher kennen dich die Besucher?

Bastian Baker: Es gibt es viele verschiedene Ursachen. Eine Sache hat mir sehr geholfen: Ich habe eine TV-Show auf TV5 Monde gemacht, die "Acoustic" heißt. Die Show wird in 250 Ländern ausgestrahlt. Mehrmals sind schon Leute an mich herangetreten, die mir sagten, dass sie mich in genau dieser Show gesehen hätten. 

Dann haben sie mich gegoogelt und gesehen, dass ich nach Deutschland komme. Manchmal ist es auch so, dass Schweizer ihren Deutschen Freunden empfohlen haben, sich einmal ein Konzert von mir anzusehen. Andere wiederum haben einfach nur mal ein Interview gesehen oder einen Song im Radio gehört und kommen dann eben. Ich mache aber auch in Deutschland immer sehr viel eigene Street-Promotion. 

Wenn ich in ein Restaurant gehe, mache ich Werbung für mich. Oder während des Fluges. Zwei Stewardessen, die mit uns auf dem Flug von Seoul nach Frankfurt waren, sind später zum Konzert nach Hamburg gekommen. Das war schön. Im Moment ist mein Publikum in Deutschland noch sehr persönlich, noch gibt es Leute in der Halle, die ich persönlich kenne und das finde ich gut. 

Es fühlt sich so an wie am Anfang meiner Karriere in der Schweiz. Es war Mund zu Mund-Propaganda. Allerdings hat mir mein Konzert, dass ich im vergangenen Jahr am Tag der Deutschen Einheit in Berlin gegeben habe, auch sehr geholfen. Da waren wahnsinnig viele Leute. 

Michaela Boland: Interessierst du dich für bildende Kunst?

Bastian Baker: Nicht sehr. Ich bin ein Fan von Andy Warhol und Keith Haring. Das ist der einzige Stil, den ich mag. Kunstausstellungen schaue ich mir nicht sehr viele an. Bildende Kunst berührt mich einfach nicht so sehr. 

Michaela Boland: Hast du den Eurovision Song Contest (ESC) verfolgt?

Bastian Baker: Ich habe nur mitbekommen, wie alle Leute, dass ein Mann mit Bart als Frau gewonnen hat und dass der Sieg an Österreich ging. Ja, cool. Spaß für sie. Aber der Name ist ja echt totaler Mist. Conchita Wurst - wir gratulieren.

Michaela Boland: Könntest du dir vorstellen, auch einmal für die Schweiz oder für Frankreich bzw. Belgien beim ESC anzutreten?

Bastian Baker: Nein, ich habe immer gesagt, dass das nichts für mich wäre. Aber ich würde gerne den Song dafür schreiben. Eine Kollege von mir, JB Meijers, hat den Song für Holland geschrieben. Er hat mir ein Bild von den Charts aus ganz Europa geschickt. Verrückt. Er war überall Nummer Eins. Beim ESC sind sie dann Zweiter geworden.

Michaela Boland: Mit wem würdest du gerne mal zusammenarbeiten?

Bastian Baker: Wenn du einen Lieblingskünstler hast, ihn triffst und sich herausstellt, dass er ein Arschloch ist, würde ich kein Duett mit ihm machen. Wenn es jemand ist, den ich überhaupt nicht kenne, wir aber einen Draht zueinander haben, kann das durchaus passieren. 

Michaela Boland: Dein Album "Tomorrow may not be better" erscheint am 23. Mai?

Bastian Baker: Ja, genau.

Michaela Boland: Glaubst du an Schicksal?

Bastian Baker: Ich denke eigentlich in good Vibes. Ich glaube, wenn jemand lieb ist und ehrlich, wird es ihm im Leben immer helfen, dasselbe auch zurückzubekommen. Auch wenn Leute zu mir böse sind, habe ich immer ein Lächeln für sie und sage, „kein Problem, dann gehe ich irgend woanders hin“. Das ist sehr hilfreich. Es gibt in meinem Leben jede Menge Beispiele, bei denen das sehr geholfen hat. 

Ich war mit 16 einmal beim Tennis und ein Typ kam in unseren Club hinein, ganz in weiß gekleidet, so ein bisschen Wimbledon-mäßig. Auch trug er eine ganz komische Sonnenbrille. Alle meine Kumpels lachten und sagten amüsiert, „guck dir mal den Vogel an“. Ich dachte, ich wird einfach „Hallo“ sagen und ging zu ihm herüber. 

Ich habe mich ganz nett auf Englisch mit ihm unterhalten und alles war cool. Nur zwei Tage später rief mich mein Tennis-Lehrer an und sagte, „hier ist ein Typ, der ist Musiker und er möchte gerne mit dir spielen“. Da antwortete ich, „o.k.“. Ich komme also an, um mit ihm zu spielen, treffe auf ihn und sage, „ach, du bist das“. Er stellt sich als James Valentine vor, ich sage, ich bin Bastian. Ich frage ihn dann, „also, du machst hier Musik“, und er antwortet, “ ja, wir produzieren unser Album hier“. 

Dann möchte ich wissen, ob sie zufällig bei Dave Richards sind. Er erklärt mir daraufhin, dass sie ein Haus am See hätten und ich denke, „wow, das funktioniert für eine Band schon ziemlich gut“. Komischerweise wollte er mir den Namen seiner Band aber noch immer nicht verraten, doch ich bohrte und bohrte. Dann hat er irgendwann ganz ruhig gefragt: „Sagt dir die Band Maroon 5 etwas?“

Ich war baff und sagte nur, „Mensch, ich covere derzeit `This love“ und `She will be loved``, natürlich kenne ich Maroon 5“. Er war der Gitarrist der Band, James Valentine. Anschließend habe drei Monate lang mit ihm gespielt. Er hat mich in deren Studio eingeladen, ich konnte erleben, wie es ist und habe die ganze Band mehrmals getroffen. Nur weil ich „Hallo“ gesagt hatte. Das ist wirklich für mich die Attitude. Man kann durchaus mal einen schlechten Tag haben, aber wir probieren immer, diese freundliche innere Einstellung zu beizubehalten.

Michaela Boland: Du wirkst grundsätzlich recht entspannt. Gelingt dir das immer?

Bastian Baker: (lacht). Ja, ich habe immer gesagt, „Panik bringt gar nichts“, weißt du. Aber, ich war nicht immer so. Ich denke, die Musik hat mich dahin gebracht.

Michaela Boland: Vorhin hast du ja bereits kurz die depressive Phase in deinem Leben angesprochen. Was war ursächlich hierfür?

Bastian Baker: In dem Sommer als ich James Valentine traf, war ich noch ein wenig depressiv. Doch genau in dieser Zeit sind ein paar entscheidende Dinge passiert. Zwei Wochen nachdem ich James getroffen hatte, habe ich ein Konzert für die Alinghi gegeben. Mein Vater war auch dort und als ich fertig war, erinnerte er mich daran, dass ich vergessen hätte, einen bestimmten Song zu spielen. 

Da habe ich meine Gitarre wieder eingestöpselt und damit begonnen, diesen Song zu nachzuholen als plötzlich ein Blitz durch die Nacht schoss und ich mich frage, „Mein Gott, was ist das denn nun los“. Ich spielte dann den Song zu Ende und plötzlich ertönte eine grelle Stimme mit den Worten, „Hey, dies ist MTV-Rumania. Wie heißt du“. 

Ich war in Villeneuve, meiner Heimat, und plötzlich war MTV Rumänien vor Ort? Dann sagte sie, „ Komm, wir spielen` We love Rock `n Roll ` von Joan Jett zusammen“, also stimmte ich zu und begann das Stück zu spielen. Auf diese Weise hatte ich plötzlich ein kleines Video bei MTV Rumänien als ich gerade mal 16 Jahre alt war. Und all das habe ich nur dem Umstand zu verdanken, dass ich mir wieder die Gitarre geschnappt und weiter gespielt hatte.

Michaela Boland: Welcher von all deinen Songs ist dir persönlich der liebste?

Bastian Baker: Ich glaube, von meinem ersten Album, „Tomorrow may not be better“, am ehesten das Stück mit dem meisten Gefühl, „Lucky“. Das ist auch wirklich der Starter-Song. Damit habe ich mich selbst auch zum ersten Mal im Radio gehört. Und das war fucking crazy, ein unvergleichliches Gefühl. Ich fuhr da gerade zum Eishockeytraining und kam gleich nach Coldplay. 

Ich hätte vor Aufregung fast einen Unfall gebaut. Wann immer ich diesen Song live spiele, haben die Leute so viel Freude und singen mit. Auf meinem zweiten Album habe ich ein Stück mit dem Titel, „Prime“. Es ist der Song, der genau beschreibt, wer ich bin und wer ich überhaupt nicht bin. Innerhalb dieses Stückes gibt es ein paar Sätze, bei denen ich noch immer Gänsehaut bekomme, wenn ich sie singe. Der Song lässt sehr tief hineinblicken, denn darin erkläre ich wirklich, warum ich Musik mache und was ich an der Musikindustrie hasse.

Michaela Boland: Was wäre das?

Bastian Baker: In gewissen Momenten hat mich die Musikindustrie ein bisschen kaputt gemacht. Gerade in Frankreich hat man versucht, mir manches aufzuzwingen. Sie haben probiert, mich dazu zu bringen, in französischer Sprache zu singen. Ich habe dann gesagt, „merde, ich komme mit meinem Produkt in Englisch. Entweder du liebst es so und akzeptierst es oder du nimmst mich nicht“. Auch gab es noch recht viele weiter komplizierte Dinge. 

Ich war in Frankreich sehr schnell sehr berühmt. Das war insofern ein bisschen schade, weil ich in den anderen Ländern diese Berühmtheit Schritt für Schritt aufbauen konnte. Von Bars in Clubs, über Stadien bis zu den großen Festivals. Da ich in Frankreich sehr viel im Fernsehen zu sehen war, war das dort sofort eine größere Sache.   

Michaela Boland: Du bist vor kurzem mit Boy George in Köln aufgetreten. Wie ist er so drauf?

Bastian Baker:  Wirklich cool. Ich muss sagen, ich kannte den Mann vor diesem Auftritt nicht persönlich. Ich habe ja für ihn das Opening gemacht. Er war wirklich sehr lieb und sehr spontan. Er kam sofort, um "Hallo" zu sagen. Hat sich auch ein paar Songs von mir von der Seite der Bühne aus angeschaut und das machen nicht alle. 

Michaela Boland: Hast du eigentlich auch einen Plan B?

Bastian Baker: Falls das mit der Musik einmal nicht mehr funktioniert, habe ich so viele andere Möglichkeiten. Ich mache jetzt zum Beispiel viel mehr Co-Writing, schreibe und produziere für andere Leute. Ich habe jetzt auch meine eigene Gesellschaft und nehme neue Talente in mein Label auf. Da gibt es jede Menge coole Dinge zu tun. Daher fühlen wir auch wenig Druck. Ich weiß, was auch immer ich tue, es wird stets mit Musik zu tun haben, weil ich das wirklich super finde. Oder ich werde Tennisprofi (lacht). Ich weiß noch nicht.

Michaela Boland: Tennis gehört auch zu deinen bevorzugten Sportarten?

Bastian Baker: Ich liebe Tennis. Und es ist viel einfacher, ein Tennis-Match zu organisieren als ein Eishockey-Match.

Michaela Boland: Lieber Bastian, vielen Dank für dieses Gespräch und viel Erfolg für deine Album-Veröffentlichung in Deutschland.

 

Michaela Boland ist Journalistin und TV-Moderatorin. Bekannt wurde sie als Gastgeberin der Sommer-Unterhaltungsshow „HOLLYMÜND“ des Westdeutschen Rundfunks Köln. Seit 1988 schrieb sie für die Rheinische Post, unterschiedliche Publikationen der WAZ-Gruppe Essen, Bayer direkt und Kommunalpolitische Blätter.

Außerdem präsentierte sie die ARD-Vorabendshow „STUDIO EINS“ und arbeitete als On-Reporterin für das Regionalmagazin „Guten Abend RTL“. Auf 3-Sat, dem internationalen Kulturprogramm von ARD, ZDF, ORF und SRG, moderierte sie die Kulturtalkshow „Doppelkopf“, sowie für TV NRW, die Casino

Show „Casinolife“ aus Dortmund-Hohensyburg. Michaela Boland arbeitet auch als Veranstaltungsmoderatorin und Synchron- sowie Hörspielsprecherin.

Infos unter: www.michaela-boland.de

Für die Gesellschaft Freunde der Künste moderiert sie den Kaiserswerther Kunstpreis sowie alle großen Kulturveranstaltungen der Gesellschaft.

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06.05.2014 an eine Straßenecke oder unter eine Brücke

GFDK - Stefanie Tendler

Die Geschichte der Trouble Notes beginnt in New York, abends am East River in Greenpoint, Brooklyn. Hier begegneten sich auf einer Loft Party der Geiger Bennet „The English“ Cerven, und Sylvain „The French“, bei einer spontanen Jam Session.

Auf ihr drittes Mitglied, den Cahón-Spieler Olli / Oliver Maguire stießen die beiden auf ihrer Europa Tour in London und nannten sich kurzum "The Trouble Notes". Nach New York, London, Dublin und Prag folgte das Trio dem Lockruf der Straßen Berlins.

Stefanie Tendler: Welche Bedeutung hat Straßenmusik im Leben eurer Band?

The Trouble Notes: Es gibt keine bessere Art und Weise sein Können unter Beweis zu stellen, als sich an eine Straßenecke (oder unter eine Brücke) zu stellen und einfach nur zu spielen. Straßenmusik erlaubt es auf natürliche Weise Musik zu schreiben. Nahezu all unsere Songs mit ein-zwei Ausnahmen sind in der Straße geschrieben worden und haben unter den Einflüssen der verschiedenen Kulturen, denen wir auf unseren Reisen begegnet sind, neue Formen angenommen.

Einen Song, den wir zwei Monate Lang in London und Dublin gespielt hatten, veränderte in Prag von einem Moment auf den anderen seinen Klang. Warum das so ist, lässt sich nicht ganz genau sagen, aber wir waren uns einig, dass er den letzten Schliff just in diesem Augenblick auf der Straße in Prag erhalten hatte. Das Formen unserer Songs, der Einfluss unserer Begegnungen und unsere Reisen sind ein großer Anteil unserer Identität und werden es immer bleiben.

Manche fragen uns sogar- Warum spielt ihr auf der Straße? Ihr seid doch professionelle Musiker. Worauf wir in der Regel antworten- Hättet ihr uns gehört, wenn wir nicht auf der Straße spielen würden? Und meistens lautet die Antwort- Wahrscheinlich nicht. Welche bessere Weise gibt es Menschen zu zeigen- Hey das machen wir, das sind wir, das sind unsere Songs und das ist unser Sound.

Stefanie Tendler: Wie kamt ihr auf die Idee durch Europa oder sogar die Welt zu touren, um Straßenmusik zu machen?

Bennet Cerven: Das Musical Once, über das Leben eines irischen Straßenmusikers, hat mich inspiriert und so sehr bewegt, dass ich bereits in meinem Sitz in Manhattan, Midtown, im Broadway, mir dachte- Das will ich machen. Ich werde meinen Job bei einem Hedgefond aufgeben und abhauen, nicht im wortwörtlichen Sinn natürlich. Aber ich war von der Idee gefesselt und wollte reisen und Straßenmusik machen.   

The Trouble Notes: Es gibt eigentlich keinen Ort an den wir nicht reisen wollen. Somit sind wir offen für überall. Spanien, Niederlande, Belgien und noch viele weitere Ziele stehen auf der unendlich langen Liste und zwar nicht, um damit angeben zu können wo wir schon überall gespielt haben, sondern weil wir unsere Musik mit der Welt teilen wollen. Als wir New York verlassen haben, hatten wir nur ein Apartment in London.

Wir kamen dort an, ohne jemanden zu kennen und sind einfach raus auf die Straße um zu spielen. Kurz darauf hatten wir bereits die ersten Auftritte. Für Irland hatten wir im Vorfeld etwas organisiert, in Prag und Berlin sind wir auch einfach nur aufgetaucht. Es ist sogar relativ schwierig im Voraus etwas zu buchen, da viele Clubs keinen Anlass dafür sehen, wenn du als Band kein Renommee hast. Wichtig für uns ist es deshalb auch unser Können permanent unter Beweis zu stellen.

S2S: Wie ist der Bandname “The Trouble Notes” entstanden?

The Trouble Notes: Ursprünglich wollten wir uns Notes from Underground nennen, da wir oft auch in U-Bahnstationen spielen und es eine Widmung an Bennet’s Lieblingsautor: Dostojevsky wäre. Leider mussten wir allerdings feststellen, dass es bereits eine Band mit dem Namen gab. Wir wollten einen einzigartigen Namen. French hat vieles immer als “Trouble” bezeichnet und schlug vor uns “The Trouble” zu nennen. Bennet ergänzte den Namen um Notes, womit wir beide sehr glücklich waren.

Stefanie Tendler: Wollt ihr mit eurer Musik jemand bestimmten erreichen?

The Trouble Notes: Nein. Uns hatte in London jemand gesagt: „Wenn ihr so weiter macht, bekommt ihr einen Plattenvertrag.“ – Ja vielleicht, aber darum geht’s uns nicht wirklich. Wir spielen für diejenigen, die Gefallen an unserer Musik finden. Wenn du ein großes Label im Rücken hast, oder du mit der Musikindustrie zu tun hast, wird deine Musik über jeden denkbaren Kanal verbreitet und auch an jene, die vielleicht gar kein Interesse daran haben.

Die Gefahr besteht die Kontrolle über die eigene Arbeit zu verlieren. Keiner von uns will einen Vertrag unterschreiben, nur um ihn zu unterschreiben. Wenn es dazu kommen sollte, muss das Gesamtpaket stimmen. Unser potentieller Geschäftspartner muss uns ins unserem Bestreben verstehen. Wir möchten sicherstellen, dass die musikalische Unterhaltung zwischen uns als Trio am Leben bleibt.

Stefanie Tendler: Wie würdet ihr euren Musikstil beschreiben. Welche Künstler haben euch musikalisch beeinflusst?

The Trouble Notes: Was uns ausmacht sind die zahlreichen verschiedenen Einflüsse diverser Künstler und Genres, das es schwer fällt unsere Musik zu definieren und wir uns eigentlich auch nicht festlegen möchten. Musikalisch kommen wir alle aus unterschiedlichen Bereichen. Bennet hat eine klassische Ausbildung hinter sich und hat sich erst nach 15 Jahren in eine andere Richtung entwickelt.

French war ein Reggae Gitarrist und hat unter anderem auch Techno Beats entwickelt und Olli war in der Hip Hop, Grunge und Grime Szene in London unterwegs. Drei Typen, die also aus komplett unterschiedlichen Hintergründen kommen. Wir haben auch gemeinsame Einflüsse wie Rodrigo y Gabriela. Jeder der ein Fan von den beiden ist, wird vermutlich auch unsere Musik schätzen.

Gogol Bordello- Gypsy Punk, sind auch ein großer Einfluss. Sie sind in Städte gereist, nicht um Geld zu machen, aber weil es ihnen Spass gemacht hat. Heute sind sie ein riesiger Act. Wir lieben die Energie, die sie ausstrahlen und die sie auf ihr Publikum übertragen. Vor allem aber das französische Duo der 30er Jahre, Django Reinhardt und Stéphane Grappelli, die Pioniere des Gypsy Jazz- Hot Jazz, hat uns stark geprägt und wir haben ihnen den Song „Steal my Soul“ als Hommage gewidmet.

Bennet Cerven: Mich persönlich beeinflusst vor allem auch Muse. Wenn man den Gesang wegnehmen würde und sich nur dem instrumentellen Part von Muse widmet, erkennt man, dass sie Meister ihres Werkes sind. Vor allem aber haben sie eine Rock Symphonie komponiert, etwas das ich auch schon immer machen wollte. Olli und French sind vor allem durch Reggae geprägt.

The Trouble Notes: Man kann den Reggae Einfluss in unseren Songs hören. Es gibt Momente in denen sich Songs auftrennen und wenn man die Geige wegnehmen würde, und sich nur auf Gitarre und Cahon konzentrieren würde, könnte man behaupten, dass es sich um einen Reggae Tune handelt.  Und das ist das Spannende an unserer Musik und viele unserer Songs. Sobald ein Instrument entfernt wird, verändert sich der ganze Song.

Wenn ihr die Band live erleben wollt, dann steigt am 10. Mai die abgetretenen Treppen in den wahren Berliner Untergrund hinab, denn Notes from Underground halten einen weiteren pulsierenden Abend für euch bereit. Die Alten Mauern im Herzen Kreuzbergs sind ein Geheimtipp abseits vom Hochglanz und Hipsterchic.

Als internationales Trio residieren The Trouble Notes aktuell in Berlin.  Eine eklektische Symbiose aus verschieden Genres fusioniert mit einem musikalischen Spektrum, dessen Ursprung nicht vielseitiger sein könnte. Die erste EP der Band „Court the Storm“, die europaweit Anklang gefunden hat, erschien im August 2013 und wird nun Ende Mai von der zweiten EP „Shades of Éire“ Gesellschaft erhalten.

Jungle Radio kombinieren Musikinstrumente, die augenscheinlich nicht zusammen passen - Schlagzeug, Akkordeon, Saxofon, Kongas, Didgeridoo und elektronische Klänge treffen bei den vier Herren, die aus unterschiedlichen musikalischen Bereichen stammen, zusammen. Die elektronische Basis in Kombination mit dem Schlagzeug und den hypnotischen Klängen des Didgeridoos und Saxofons motivieren das Tanzbein. Ein musikalischer Hochgenuss aus den Schattierungen: Funk, Disco, Rock, Pop, Jazz, Club und Balkan Vibes erwartet euch.

Also kommt und werdet Teil eines fetzigen Abends den SubCut mit feinstem Vinyl Zauber für euch versüßen wird.

Einlass: 22 h

Eintritt: EURO 6

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31.03.2014 potrait des monats von Michaela Boland

GFDK - Michaela Boland

Verona Pooth hat er einst ebenso zu ersten Erfolgen verholfen wie Shermine Sharivar. Gerade kürte er in Magdeburg die Miss Intercontinental aus 60 teilnehmenden Nationen. Und schon im April darf er dann in Ägypten den kompletten Ablauf des Finales "Top-Model of the world" koordinieren.

Es erscheint wie ein Privileg: Er umgibt sich mit den schönsten Frauen dieser Erde - natürlich rein beruflich - und dabei hat er offenbar selten eine Ausnahme gemacht: Mit der schönen Jana Ina (heute Zarella, 37) verband den geschäftstüchtigen Bergheimer allerdings einige Jahre lang durchaus mehr als nur der Job.

Das hübsche Model, welches an der Seite von Hape Kerkeling in dessen Kino-Erfolg, "Samba in Mettmann", bekannt wurde, später mit der eigenen Show auf Pro 7, "Das Model und der Freak", für Furore sorgte und ab 10. April 2014 das Format "Catwalk 30+" beim neuen Discovery-Frauensender, TLC, moderieren wird, war nämlich einst seine Entdeckung.

Die Rede ist von Detlef Tursis. Der heute 51-Jährige ist Chef und Gründer der MGO (Miss Germany Organisation). Seit 1999 führt der Self-Made-Man mit seinem Unternehmen exklusiv die Wahlen zu Miss, Mr. und Mrs. Deutschland durch.

Elf Jahre zuvor hatte sich Tursis mit der Vorgängerfirma, "Miss Germany Association" sogar nahezu alle Lizenzen von internationalen Schönheitswettbewerben wie der "Miss Intercontinental", der "Miss Europe" und der "Miss Universe" gesichert. Eine Erfolgsgeschichte, die ihm augenscheinlich nicht alle Mitbewerber gönnten.

Als sich zu Beginn der 90-er Jahre das Business rund um Schönheitswettbewerbe auch finanziell zum lukrativen Erfolgshit mauserte, wollte so manch einer etwas vom hübschen Kuchen ab haben. Ergebnis: Rechtsstreits um die  Lizenzen. Wie Detlef Tursis sie gemeistert hat, was ihn überhaupt auf die Idee brachte, sich mit Beauty-Contests selbständig zu machen und ob die Branche heute noch genauso viel hergibt, wie damals, hat er mir erzählt.

"Die Leute sagen immer, `Mensch, du hast so einen geilen Job und bist jeden Tag mit den tollsten Frauen zusammen, du musst doch Spaß haben ohne Ende`."

Davon, dass diese Vorstellung nicht unbedingt den Tatsachen entspricht, wissen wohl nur diejenigen ein Lied zu singen, die nach anstrengenden Vorbereitungswochen im Vorfeld einer Miss-Wahl allabendlich todmüde und allein ins Bett fallen.

Er besitzt eine angenehm ruhige Art und die braucht er auch, denn seit annähernd 30 Jahren führt Detlef Tursis höchst erfolgreich Miss-Wahlen durch. Sein Geld verdient er üblicherweise zunächst durch Deals mit den Locationgebern. Der Service garantiert nämlich hohe Besucherzahlen.

In seinem Team beschäftigt er regelmäßig bis zu 25 freie Mitarbeiter auf Abruf. Zurzeit plant er die gesamte Finale-Produktion des "Top-Model of the World"-Contests in Ägypten. Hierbei einen kühlen Kopf zu behalten, ist offensichtlich Gold wert. Schließlich gilt es, nicht nur den Auftraggeber zufriedenzustellen, sondern ebenso 60 internationale junge, oftmals wilde Models von der Anreise bis zum Rückflug zu koordinieren, was offenbar manchmal beinahe der Arbeit eines Dompteurs gleichkommt. Das Geheimnis: "Draußen darf niemand wissen, was hinten passiert." Wer der Mann ist, dem dies immer wieder bravourös zu gelingen scheint, möchte ich heute herausfinden.

Ich besuche den gebürtigen Düsseldorfer sonntagsmittags in seiner Wahlheimat Bergheim. Sein großzügiges Anwesen besteht gleich aus zwei Häusern, die "über Eck" miteinander verbunden sind. Der Vorteil: Detlef Tursis firmiert unter zwei verschiedenen Anschriften auf nur einem Fleck. Der Nachteil: Wer im Hinblick auf geographisches Verständnis nicht gerade der Versierteste ist, marschiert oder fährt erst ein paar Mal um den Block, bevor ersichtlich wird, dass sich die eine der beiden Hausnummern in der gesuchten Straße rein faktisch nicht  finden lässt .

Nun denn, endlich angekommen, gewährt mir ein aufmerksamer "Missen-Macher" persönlich Einlass. Detlef Tursis, der große Blonde, geleitet mich in sein Untergeschoss, wo er sich ein großzügiges Büro eingerichtet hat. Dies ist also seine Schaltzentrale, von welcher aus erstmalig Miss-Anwärterinnen begutachtet, groß angelegte Wettbewerbe organisiert und, wenn nötig, Lizenz-Angelegenheiten geklärt werden.

Eine ins Auge stechende rote Tapete mit allerlei asiatischen Motiven darauf, wie Frauen und Landschaften, zieren die Wände. Ein großer schwarzer Hochglanz-Schreibtisch bietet mit Sicherheit ausreichend Platz für die Arbeit und der riesige Flat-Bildschirm oberhalb jenes Tisches läuft pausenlos und hält seinen Inhaber offenbar jederzeit auf dem aktuellsten Stand des Zeitgeschehens.

An der Wand neben der großzügigen Schreibstätte entdecke ich unter mehreren eingerahmten Fotos auch eines, auf welchem ich ihn mit einem schönen Vierbeiner zu erkennen glaube und frage sogleich begeistert, "bist du das mit Hund". "Nein, das ist meine Mutter", antwortet der 51-Jährige und sieht charmant über meinen kleinen Fauxpas hinweg. Schon 18 Jahre lang wohnt Detlef Tursis in seinem Eck-Haus mit den zwei Adressen. Dabei ist er schon viel herumgekommen:

In Düsseldorf geboren und aufgewachsen, von wo aus es ihn nach Bad Bentheim verschlagen hat, ging es dann zurück in die Geburtsstadt, um anschließend nach Aachen zu ziehen. Danach führte der Weg erst nach Kaarst und dann nach Mönchengladbach. Erst nach dieser Station landete Tursis im beschaulichen Bergheim. Wohl fühlt er sich hier gerade deshalb, weil er mit diesem "Trickhaus" nicht nur zwei Eingänge, sondern auch die Möglichkeit hat, Privates und Geschäftliches zu trennen. 

Eigentlich gibts ja heute, am Sonntag, immer Essen bei Mutti in Grevenbroich. Da traut man sich kaum zu fragen, ob der Erfolgsmensch eigentlich verheiratet oder zurzeit liiert ist. Ich tue es aber dennoch. "Nee", antwortet er kurz und bündig. Er habe noch einen Bruder, der ausgebildeter Koch und Konditor sei und Grillkurse gebe.

Zwar sei es nicht so, dass man täglich telefoniere, erklärt er mir auf die Frage nach dem geschwisterlichen Verhältnis, aber, da der Bruder ebenso wie die Frau Mama, in Grevenbroich lebe, sehe man sich hin und wieder eben dort, wenn es sonntags zum Essen gehe, halt bei Mutti. Eine eigene Familie habe der zwei Jahre jüngere Bruder allerdings bisher ebenso wenig wie er selbst.

"Wo kommt der nicht eben häufig vertretene Nachname, `Tursis` her", möchte ich noch wissen. " Das weiß ich auch nicht", erklärt der 1,78m große Missen-Macher mit den blauen Augen, "aber, es ist sehr spannend. Den Namen gibt es auch nicht mehr. Mein Bruder und ich sind die beiden letzten, die ihn tragen.

Sollten wir also nicht irgendwann Kinder in die Welt setzen, würde der Name wahrscheinlich aussterben, was ich schade fände. Ich habe zwar mal gehört, dass `Tursis` aus dem Norddeutschen komme, allerdings bin ich auch eigentlich ein geborener `Oberkönig`, denn meine Mutter hat nach meinem Vater nochmal geheiratet."

Ein außergewöhnlicher Nachname, ein attraktives Äußeres und eine offenbar recht fürsorgliche Mutter. Sind das womöglich Erfolgsgaranten auf dem Weg nach oben zum Beauty-Contest-Veranstaltungs-Olymp, frage ich mich und so hake ich bei Detlef Tursis nach, "wie ist dein Weg bis zum Schönheitswettbewerb-Veranstalter verlaufen". "Ich habe mittlere Reife in Kaarst-Büttgen gemacht und eine Lehre zum Einzelhandelskaufmann in der Unterhaltungselektronik angehangen.

Das dauerte insgesamt drei Jahre. Von dort aus ging es erst Mal zur Bundeswehr in Düsseldorf", erinnert sich der Wahl-Bergheimer. Auf die Fragen, ob er somit automatisch ein "Heimschläfer" gewesen sei und ob er sich noch seines Tauglichkeitsgrades bei der Musterung entsinne, antwortet Tursies, "mein Tauglichkeitsgrad war toll. Und ja, ich konnte, Gott sei Dank, meine Mutter wegen einer Herzkrankheit so ein bisschen vorschieben und mich so vor einer Stationierung in Kiel drücken." 

Zweieinhalb Berufsausbildungen

Bevor dem cleveren Detlef jedoch der Gedanke kam, zum Veranstalter von Schönheitswettbewerben zu werden, absolvierte er zuerst noch mal eine weitere Ausbildung zum Speditionskaufmann in Bad Bentheim. "Warum war dir wichtig, noch eine zweite Berufsausbildung anzuhängen", möchte ich von ihm wissen. "Meine Mutter und mein (Stief)Vater sind nach Bad Bentheim gezogen und haben ein großes Haus gebaut. Da mussten die Kinder mit", erklärt Detlef Tursis.

"Obgleich Du mit bereits abgeschlossener erster Berufsausbildung und nach dem Bund schon selbst im Leben gestanden haben dürftest", hake ich nach. "Ja", sagt er, "dadurch, dass die Eltern nun umgezogen und meine Mutter natürlich wollte, dass wir Söhne mitkommen, habe ich eben zugestimmt und gesagt, dass ich es probiere", begründet er sein Handeln. Die Ausbildung zum Speditionskaufmann habe ihm jedoch so gar keinen Spaß gemacht.

"Es war extrem dröge und viel zu trocken", sagt der heutige Veranstalter. Die Firma sei jedoch nur ein halbes Jahr später Pleite gegangen und so brauchte Detlef Tursis die unliebsame Lehre auch nicht zu beenden. Doch, wie es der Zufall wollte, hatte ein neuer Freund an der Seite seiner Mutter dann eine Firma für Dichtungstechnik in Aachen gekauft, woraufhin die Familie prompt in die Printenstadt zog und Detlef nunmehr in jener neuen Firma eine weitere Ausbildung, diesmal zum Industriekaufmann, beginnen konnte.

Nach drei Jahren war diese erfolgreich beendet. Als Sohn des Chefs - die Mutter war mittlerweile in dritter Ehe mit jenem neuen Freund und Firmeninhaber verheiratet - habe er natürlich diverse Vorteile genossen, weiß Tursies noch genau. "Ich habe mein Englisch durch Kurse verbessern können, hatte ein Fahrzeug sowie eine Wohnung in Aachen, die der neue Stiefvater gekauft hatte und habe zeitgleich noch immer meine Wohnung in Düsseldorf behalten.

Dort hatte ich schließlich meine Freunde und wollte somit das Wochenende gerne in der alten Heimat verbringen." Nachdem die dreijährige Industriekaufmanns- Ausbildung erfolgreich abgeschlossen war, überlegte Tursies, was er nun anfangen könnte. Eine Idee war schnell geboren. "Damals kamen die ganzen Sonnenstudios heraus, und weil ich selbst sehr oft auf die Sonnenbank ging, habe ich mir überlegt, einfach eins zu eröffnen", weiß der 51-Jährige noch genau. Als Standort fürs erste eigene Unternehmen entschied er sich für Kaarst.

"Da ich ohnehin auch eine Wohnung suchte, bin ich in einem Wohnpark fündig geworden, denn dort entdeckte ich oben eine Maisonette Wohnung für mich und unten ein Ladenlokal, das frei war." Als sich für den Jungunternehmer nach über drei Jahren herausstellte, dass er mit der Geschäftsidee zwar seinen Lebensunterhalt bestreiten, jedoch nicht reich werden konnte, wurde ihm klar, dass ihn der Job nicht befriedigte. "1988 habe ich dann im Bochumer Tarm Center zufällig eine Miss-Wahl gesehen und die gefiel mir ganz gut. Da hat es irgendwie Klick gemacht", schwelgt der MGO-Chef in Erinnerung.

Miss Monat

So traf es sich gut, dass ein gewisser Gert Garant in einem Tanzlokal in Kaarst, der Heimat Tursies`, eine Talentshow veranstalten wollte. Dieser fragte Sonnenstudio-Besitzer Tursis nach Zehner-Karten-Spenden für die Sonnenbank, um die Teilnahme am geplanten Event ob der Preise attraktiver zu gestalten. Tursies ließ sich nicht lange bitten und wurde prompt schon kurz darauf sogar selbst zum Jury-Mitglied bei der Talentshow erkoren.

Wegen des Erfolgs ging die Veranstaltung schnell in Serie. "Das war mein erster Kontakt zum Showbusiness", erzählt der 51-Jährige. Dies sei auch der Grundstein zu seiner Vorstellung gewesen, selbst Wettbewerbe zu veranstalten. Denn als die Talentshow-Reihe zu Ende ging, ward` Tursis` neuer Schönheitswettbewerb-Plan längst ausgegoren.

In Zusammenarbeit mit einem lokalen Anzeigenblatt, welches das Ganze bewerben, und einer Boutique Besitzerin, die für die Outfits der Teilnehmerinnen verantwortlich zeichnen sollte, stellte der Sonnenstudio-Inhaber sodann seinen ersten Miss-Contest, (`Miss Monat`) auf die Beine.

"Woher hast du die Teilnehmerinnen rekrutiert", frage ich den Unternehmer. "Die Zeitung hat Aufrufe gestartet, Motto: `Wer möchte mitmachen´. Weitere Mädchen habe ich selbst in meinem Sonnenstudio angesprochen", sagt Tursis. "Kriterien waren damals ja noch unbekannt", erzählt der Missen-Macher, "es war eine Veranstaltung `just for fun` und jede konnte mitmachen."

Konkurrenz belebt das Geschäft

Das änderte sich später zwangsläufig. Denn bevor Tursis professionell ins Miss-Wahl-Business einstieg, hatten sich auf dem Markt schon längst weitere Mitbewerber etabliert. Die Miss Germany Corporation, die bereits seit 1977 bestand und  Mitte der 80-er Jahre vom österreichischen Erich Reindl an Horst Klemmer überging  und Dieter Rissen, der 1986 mit der Miss Germany Company  ins Geschäft eingestiegen war.

"Ab 1988 war ich dann eben auch dabei", erzählt Detlef Tursis, so habe es etwa alle zwei Jahre einen Neuen gegeben. "Der Markt schien schon damals umkämpft gewesen zu sein. Wie sieht das heute aus", frage ich ihn. "Ich will gar nicht sagen, dass der Markt hart umkämpft war, denn Deutschland war groß genug, man hatte den Bedarf und jeder wollte etwas machen", ist sich Tursis sicher.

Auch sei es damals einfach gewesen, etwas zu verkaufen, denn allen sei es finanziell sehr gut gegangen. Das notwendige Knowhow konnte sich der Neu-Miss-Wahl-Ausrichter dann auch durch eine Verquickung mehrerer glücklicher Umstände aneignen. "An meine Preise bin ich gekommen, weil ich jemanden kennengelernt habe, der mir diktiert hat, wie man sie gestalten kann.

Außerdem hatte ich auch insofern Glück, als meine damalige Freundin, mit der ich sieben Jahre lang zusammen war und die Deutschland auch einmal bei einem internationalen Wettbewerb vertreten hatte, mir weitere hilfreiche Kontakte machen konnte" schwelgt der Bergheimer in Erinnerungen. "Der Veranstalter der Miss-Türkei-Wahl, der schon 15 Jahre lang im Geschäft war, konnte mir ebenso wertvolle Tipps geben."

Miss NRW-WAHL

Dann veranstaltete Tursis in Kaarst die erste "Miss-NRW"-Wahl und plötzlich standen Bild Zeitung, Rheinische Post, ein Fernsehteam des WDR und RTL auf der Matte, die allesamt wissen wollten, wie es denn nun weiter gehe und ob er auch "Miss Germany" mache. Tursis antwortete prompt, "ja, mache ich". Gesagt, getan. Seine erste Miss Germany-Wahl fand sodann 1989 prompt unter Tursis Leitung in Lippstadt statt. Das erste gesamtdeutsche Finale habe es allerdings erst nach dem Mauerfall gegeben.

In Dresden. "Das waren damals Goldgräberzeiten", weiß der Veranstalter noch ganz genau. "Die Bildzeitung und die Morgenpost haben sich gegenseitig überboten und sogar Druckmaschinen angehalten, nur um unsere Siegerin als erstes auf der Titelseite zu haben", erinnert sich Detlef Tursis. Nicht nur die gesamte Mannschaft von Dynamo Dresden haben dem Spektakel damals beigewohnt, sondern auch zahlreiche Prominente.

"Unmittelbar nach dem Mauerfall hat man pro Person 100,- DM Eintritt genommen und der Laden war mit über 1000 Leuten proppe voll", sagt der Missen-Macher. Obwohl sich zu diesem Zeitpunkt noch alle drei Mitbewerber-Veranstalter, die "Miss Germany Corporation", die "Miss Germany Company" und die Miss Germany Assoziation (Tursis) auf dem Markt befanden, und es somit dazu kam, dass sich zeitgleich sogar drei Miss Germanys in unserem Lande tummelten,  sollte sich das Kräfteverhältnis der Veranstaltungs-Giganten schon bald verändern.

1992 erhielt Tursis nämlich einen Anruf von der amerikanischen Madison-Square-Garden-Event-Production. Er wurde gefragt, ob er die Lizenz zur Ausrichtung der "Miss Universe" haben wolle. Auch der Anruf der Pariser "Miss Europe-Organisation" ließ nicht lange auf sich warten und bot dem versierten Tursis an, sowohl die Miss Europe als auch die Miss International auszurichten.

Konkurrenten vom Platz gefegt

"Damit war die "Miss Germany Company" weg", erinnert sich Tursis, denn die hatten dann keine internationalen Lizenzen mehr und waren somit aus dem Rennen." "Wer hat denn den Rang der wahren Miss Germany für sich in Anspruch genommen als ihr noch zu Dritt wart", möchte ich wissen. "Jeder behauptete immer, die wahre Miss Germany zu haben", erzählt Tursis, "ich habe mich damit nie gemessen. Zwar war es für mich auch ein Geschäft, doch zunächst war es ja auch erst mal ein Spaß.

Deshalb orientierte ich mich nicht an den anderen. So wurden wir beispielsweise auch bei Fernsehshows oftmals alle eingeladen. Bei Frank Elstners `Nase vorn` waren alle drei Miss Germanys anwesend". Als der dritte Mitbewerber, die "Miss Germany Company", vom Markt gedrängt war und nur noch die beiden Haupt-Kontrahenten, Horst Klemmer ("Miss Germany Corporation") und Tursis ("Miss Germany Association") existierten, sei der Wettkampf ein wenig härter geworden.

"Sie haben dann schon versucht, mir das Leben ein wenig schwerer zu machen", erzählt Tursis. Es folgte eine wahre Prozess-Schlacht. Zwar seien die Lizenzen eindeutig geklärt gewesen, jedoch wurde der unlautere Wettbewerb plötzlich ein Thema. "Wenn du gesagt hast, `wir sind die besten`, bekamst du eine Abmahnung.

Wenn die sagten, `wir sind das Original’, erhielten sie wiederum eine Abmahnung, da sie ja nun mal nicht das Original waren, denn dies war schließlich der Gründer, Reindl, gewesen. Auch, wenn sie sagten, `wir sind seit 36 Jahren im Geschäft`, erhielten sie die nächste Abmahnung, zumal sie selbst ja nicht über diesen Zeitraum im Business waren", erklärt Detlef Tursis. Die Hälfte des Jahres hätten die Widersacher dann in Gerichtssälen verbracht und als sie bemerkten, dass die Anwälte reicher und reicher, die eigentlich Beteiligten jedoch ärmer und ärmer wurden, habe man sich geeinigt.

Miss-Germany-Flut

Zwar sei es in der Zwischenzeit zu einer wahren Flut an Miss-Germany-Wahlen durch weitere Veranstalter gekommen, so wie beispielsweise Alt-Playboy Rolf Edens` Miss Germany - Contest in Berlin, Evelyn Rebensburg aus Nürnberg, die Miss Germany Classic, Models aus lizenzierten Modelagenturen, kürte, sowie die von der Firma Lasso Entertainment ausgeschriebene Miss Erotic-Germany.

Die beiden Wichtigen auf dem Markt, die ernst genommen wurden, seien jedoch das Unternehmen von Tursies`und das des Langzeitmitbewerbers Klemmer gewesen. "Wir haben das nun mal nach dem klassischen System gemacht, nämlich Städtewahlen, Landeswahlen und Endausscheidung", erzählt Detlef Tursis. Teilweise habe Tursis 150 Veranstaltungen pro Jahr gehabt, sein Hauptkontrahent fast doppelt so viele.

So verlief die mediale Berichterstattung in der Regel so, dass gefragt worden sei, "Wer ist die richtige Miss Germany?" Es habe beispielsweise bei RTL Punkt 12 Vergleiche gegeben. "Und da haben wir eigentlich immer gewonnen", berichtet Detlef Tursis stolz, "also, unsere Miss Germanys waren eindeutig hübscher." Das Besondere an Tursis Unternehmen: Er hat die internationalen Lizenzen.

Das bedeutet zum einen, dass die jungen Frauen, die sich bei Tursis bewerben und weiter kommen, die Chance haben, auch international Karriere zu machen, zum anderen, dass sie bei Contests im Ausland große Summen Geld verdienen können. "Im Gegensatz zu dem, was unser Kollege aus Oldenburg immer sagt, nämlich, das Geld werde in Deutschland verdient, ist das totaler Quatsch. Wenn ich im Ausland gewinne und mit einem Mal mit 45.000 Euro nach Hause komme, muss seine Miss Germany hier aber erst mal eine ganze Menge tun, damit sie auf diese Summe kommt", ist sich Detlef Tursis sicher.

1500,- Euro pro Auftritt seiner Miss Germany

Für einen hiesigen Auftritt seiner Gewinnerin muss ein Honorar von 1500,- Euro bezahlt werden. "Wenn du einmal mit den Preisen runter gehst, kommst du nicht mehr hoch", weiß Tursis. 1999 ließ sich der Miss-Wahl-Ausrichter den Titel "Miss Deutschland" schützen. "Miss Germany" hier schützen zu lassen, sei wegen des Freihaltebedarfs nicht möglich gewesen, erzählt er.

Durch einen cleveren Schachzug sei dem Kontrahenten aus Oldenburg jedoch der Coup gelungen, rekonstruiert Tursis: Über das Europäische Harmonisierungsamt in Alicante konnte sich der Kollege aus Oldenburg offenbar zur selben Zeit die Marke "Miss Germany" im europäischen Ausland und somit auch für Deutschland eintragen lassen."

Trotz des Ärgers konnte man sich jedoch dann einigen. "Wir haben uns dann 1999 getroffen und gesagt, wir klären jetzt den Markt. Wir bleiben bei "Miss Deutschland", Du machst "Miss Germany", also kümmere du dich um deine Konkurrenten, wir kümmern uns um die, die unsere Marke nutzen. Seitdem haben wir eigentlich so eine Art Friedensabkommen", berichtet Tursis zufrieden. 

"Es gibt keine Konstante mehr."

Wie entwickelt man ein Gespür dafür, wer das Zeug zur erfolgreichen Miss hat", frage ich den Experten "Du musst heute eine sehr offene Art haben, humorvoll sein, auf Leute zugehen können. Das kommt ganz selten vor. Von tausend gibts eine, die das schafft. Auch musst du natürlich den Willen dazu haben und dich darauf konzentrieren. Das Problem heute ist, dass viele junge Frauen, ja gar nicht mehr wissen, was sie aus ihrem Leben machen wollen.

Die rennen ja alle wild durch die Gegend", meint Detlef Tursis. Auf die Frage, woran das liegen könnte, wird der Contest-Veranstalter nachdenklich. " Das liegt vielleicht an der Schnelllebigkeit, der Konsumveränderung, dem Internet, an Handys, Flatrates oder finanziellen Problemen. Ich finde, dass sich die Leute sehr verändert haben. Die waren früher alle viel relaxter. Heute hat keiner mehr Zeit. Alle wollen alles schnell, aber genauso schnell ändern sie auch wieder ihre Meinungen. Es gibt keine Konstante mehr."

"Wenn Du heute Bewerbungen bekommst und da steht unter Zukunftswunsch, `Ich möchte Miss Deutschland werden“, dann rotzen die das einfach so dahin, weil sie denken, sie hätten dann mehr Chancen. Natürlich reiche das allein nicht, sagt der Fachmann. "Früher meinten die jungen Frauen, die das schrieben, es auch so.

Es gibt Mädchen, die haben das nötige Aussehen und die entsprechende Figur, aber trotzdem fehlt denen innendrin etwas. Die können es nicht herüberbringen, denn in dem Moment, wo keine Kamera auf sie gerichtet ist, fallen sie zusammen wie ein Kartenhaus. Es fehlt der Sinn für Humor oder der Charme. Es ist wie ein Sechser im Lotto jemanden zu finden, der all das in sich verkörpert und dann auch noch auf dich hört und das alles macht, was du sagst."

Internet-Bewerbungen nehmen zu

"Wie läuft eine Bewerbung zur Miss bei Dir", frage ich den Veranstalter. "Ich bin früher häufig quer durch das ganze Land gereist, habe dort Veranstaltungen in Discotheken durchgeführt. Heute machen wir sehr viel über das Internet oder durch Bewerbungen. Davon bekomme ich nämlich jeden Tag jede Menge. Ich lade dann auch schon mal Bewerberinnen zu einem Gesamtcasting ein.

Wenn ich beispielsweise im Kölner Diamonds etwas mache, lade ich ungefähr 30 Mädchen dazu ein. Von denen, die kommen, suchen wir dann welche für das Finale aus. Oder ich mache die Regionalveranstaltung Nord, Süd, Ost und West. Ich packe die alle zusammen und dann wird daraus die Favoritin für das Miss Deutschland-Finale gewählt. Das machen wir dann gemeinsam mit entsprechenden Juroren, unter anderem aus den Bereichen Schauspiel.

Auf die Frage nach einem typischen Tagesablauf im Hause Tursis, beschreibt der leidenschaftliche Veranstalter: "Ich komme morgens zwischen halb zehn und zehn Uhr ins Büro, checke meine ganzen E-Mails und gucke dann, dass ich mit Kunden spreche, Konzepte entwickle oder an internationalen Sachen mitarbeite. Für das Projekt in Ägypten bin ich für den kompletten Produktionsablauf zuständig.

Flüge organisieren etc. Die Leute sagen immer, `Mensch, du hast so einen geilen Job und bist jeden Tag mit den tollsten Frauen zusammen, du musst doch Spaß haben ohne Ende`. Leider kapieren sie nicht, dass du abends auf dein Hotelzimmer gehst, die Türe schließt und ins Bett fällst, weil du platt bist." Die Vorbereitung eines solchen Groß-Events, dem internationale Beachtung geschenkt wird, stelle nämlich eine Mammut-Aufgabe dar.

"Wenn Du zwischen 50 und 60 Models hast, hat jede von denen ein Problem: Die eine vermisst ihren Freund, die andere ihre Eltern, die nächste hat ihr National-Kostüm noch nicht, wieder einer anderen fehlen die Schuhe. Eine hat ihr Handyladekabel vergessen und eine weitere kommt mit der Zimmergenossin nicht klar, weil diese bis morgens um vier Party macht, das Licht anlässt und auch noch schnarcht. Zwar hat man entsprechende Betreuerinnen an der Seite, jedoch leider meistens ohne jedwede Eigeninitiative.

Dann hast du einen Moderator, der sein Script haben will, außerdem die Kameraleute, die koordiniert werden wollen. Plötzlich sagt dir noch ein Jury-Mitglied ab, weil irgendetwas dazwischen gekommen ist und du kannst seinen Flug stornieren", beschreibt Tursis das Bevorstehende im Detail.

Auch die internationalen Foren, die immerhin mehrere Millionen Klicks generierten, dürfe man nicht vergessen, und müsse sich natürlich kümmern, wenn dem Repräsentanten urplötzlich einfalle, dass er doch gerne vor Ort dabei sein und ein Ticket haben wolle, obwohl man gar kein Budget mehr habe. Ebenso müsse natürlich auch die Presse regelmäßig versorgt werden. Am Ende nicht zu vergessen:

Der Auftraggeber, der zufrieden gestellt werden möchte. "Vieles von dem Geschilderten klingt nach dem typischen Aufgabenbereich eines Aufnahme- bzw. Produktionsleiters", sage ich zu Detlef Tursis, "trotz zweieinhalb Berufsausbildungen hast du ausgerechnet dieses Metier nicht klassisch erlernt. Wie meisterst du die Anforderungen als Allein-Verantwortlicher?" "Was wichtig ist", antwortet er gelassen, "Draußen darf niemand wissen, was hinten passiert. Hinten kann das Chaos herrschen, aber das darf vorne niemand mitbekommen."

Intellekt und Humor

Auf die Frage, ob er nach fast 30 Jahren in diesem Geschäft einmal einen Sättigungsgrad erreicht und ein beruflicher Richtungswechsel im Raum gestanden habe, sagt der Missen-Macher: "Ja, eigentlich schon mehrfach. Doch dann eher in die Richtung, dass ich gar nichts mehr machen möchte". Nun möchte ich gerne wissen, ob sich sein Verständnis von Schönheit durch den Job verändert hat. Für ihn mache einen schönen Menschen das Mehr an Kommunikation aus, sagt Tursies.

"Wenn du eine schöne Frau hast, mit der du nicht kommunizieren kannst, ist es langweilig", erklärt er mir. "Das ist für das erste, zweite und vielleicht auch noch für das dritte Mal spaßig, doch irgendwann sagst du dann, was willst du damit", fügt er hinzu. Intellekt und Humor seien einfach wichtig, das habe sich in seiner Anschauung auch nicht verändert, vergleicht er mit seiner Meinung von früher.

"Lassen sich Überschreitungen des rein professionellen Verhältnisses immer ausschließen, wenn man als nicht-schwuler Single-Mann immer wieder von traumhaft schönen Frauen umgeben ist", frage ich Tursis. Das könne man nicht machen, da man Verantwortungsbewusstsein habe, sagt der Veranstalter. "Ich würde niemals die Situation einer Kandidatin, die im Wettbewerb ist, ausnutzen", erklärt er.

Leider gebe es da aber auch einige andere, die dann zu den jungen Frauen sagten, "wollen wir nicht heute Abend mal bei mir auf dem Zimmer etwas trinken gehen", weiß der Bergheimer. "Das fände ich furchtbar und könnte morgens dann auch nicht mehr in den Spiegel gucken", fügt er noch hinzu. Zwar sei er selbst auch schon mit ehemaligen Wettbewerbsteilnehmerinnen zusammengekommen, jedoch habe sich das jeweils ausschließlich einige Zeit nach den Contests ergeben.

Auf die Frage, wie es denn mit potentiellen Avancen von jungen Teilnehmerinnen aussieht, die sich möglicherweise Vorteile dadurch erhoffen, erläutert Tursis, "Nein, so etwas habe ich nie bekommen. Natürlich kokettieren sie, aber sie wissen vom ersten Treffen an ganz klar, was sie dürfen und was sie nicht dürfen."

Detlef Tursis hat bereits einige Missen hervorgebracht, die anschließend große Erfolge in Deutschland zu verzeichnen hatten. Darunter u.a. Verona Pooth, ehemals Feldbusch, Shermine Sharivar, Nadine Schmidt (Miss Germany 1997; Ex-Michael-Schumacher-Manager, Willy Weber, kaufte sie vor Begeisterung aus dem Vertrag mit Tursis heraus) oder Jana Ina Zarella. Daher möchte ich wissen, ob der Kontakt zu den einen oder anderen auch über einen längeren Zeitraum bestehen bleibt.

"Nein", plaudert der Veranstalter aus dem Nähkästchen. "Mit Jana Ina war ich ja fünf Jahre zusammen. Irgendwann habe ich gemerkt, dass sie sich doch sehr veränderte." Mit Verona habe er sich nachher noch ein paar Mal getroffen und "mit Nadine Schmidt schreibe ich mir immer noch regelmäßig zum Geburtstag", erzählt er.

Nach annähernd zwei Stunden, die wie im Fluge verstrichen sind, verabschiede ich mich von Detlef Tursis. Immerhin wartet schon längst leckeres Essen in Grevenbroich auf den sympathischen Missen-Macher aus Bergheim und danach geht es wohl, wie gewohnt, weiter an die detaillierte Vorbereitung einer Mammut-Show mit Schönheiten aus aller Welt. Schließlich weiß auch ein Contest-Veranstalter: Ohne Fleiß kein Preis.

Michaela Boland ist Journalistin und TV-Moderatorin. Bekannt wurde sie als Gastgeberin der Sommer-Unterhaltungsshow „HOLLYMÜND“ des Westdeutschen Rundfunks Köln. Seit 1988 schrieb sie für die Rheinische Post, unterschiedliche Publikationen der WAZ-Gruppe Essen, Bayer direkt und Kommunalpolitische Blätter.

Außerdem präsentierte sie die ARD-Vorabendshow „STUDIO EINS“ und arbeitete als On-Reporterin für das Regionalmagazin „Guten Abend RTL“. Auf 3-Sat, dem internationalen Kulturprogramm von ARD, ZDF, ORF und SRG, moderierte sie die Kulturtalkshow „Doppelkopf“, sowie für TV NRW, die Casino

Show „Casinolife“ aus Dortmund-Hohensyburg. Michaela Boland arbeitet auch als Veranstaltungsmoderatorin und Synchron- sowie Hörspielsprecherin.


Für die Gesellschaft Freunde der Künste moderiert sie den Kaiserswerther Kunstpreis sowie alle grossen Kulturveranstaltungen der Gesellschaft.

Seit Mitte 2009 ist sie verantwortlich für die Ressorts:

Exklusivinterview und Porträt des Monats

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05.02.2014 Exklusivinterview für freundederkuenste.de

GFDK - Michaela Boland - 8 Bilder

Letzte Meldung:
Die Kölner Band Phrasement ist seit zwei Jahren in der über-lokalen Musikwelt angekommen.
Sie tourten durch England, Schottland, Frankreich und natürlich auch durch ganz Deutschland, wobei sie unter anderem mit Madsen, Max Herre und Glasperlenspiel auftraten.

Das Debutalbum „Cumberland Street No.9“ erschien im Sommer 2012 in Kooperation mit Universal Germany.
Das aktuelle Studio Album wird in Deutschland in Kooperation mit Na Klar Records | Sony Music und in Südafrika in Kooperation mit Showtime Records erscheinen.
Für das Jahr 2014 ist eine umfangreiche Deutschland- und Südafrika-Tour mit Liveauftritten und hoher medialer Präsenz geplant.

Unterstützt von:
ZDF-Morgenmagazin, Tigerentenclub, RTL Explosiv, Pro7 (TAFF), Super RTL, BILD, NDZ Backstage, BRAVO, POPCORN, EXPRESS, Neue Presse Hannover und vielen weiteren TV- und Printmedien.

Michaela Boland sprach mit  David und Jonas Zauels, Oliver Giffels und Dominik Dahm für die Gesellschaft Freunde der Künste. - Sie sind eine deutsche Musikband, männlichen Geschlechts, zuckersüß, herrlich jung (18,18, 18 und 20 Jahre alt), sehen blendend aus, haben Köpfchen und Hunger - auf Erfolg.

Ihre Vorbilder sind die Beatles, musikalisch und PR-technisch, denn in Anlehnung an deren erste Auftritte in Deutschland 1960, haben sie es den früheren Pilzköpfen gleichgetan, doch den Spieß herumgedreht: Kurzerhand organisierten die Teens ihre erste eigene Tournee ganz allein einfach mal im United Kingdom. Obwohl sie noch niemand kannte, ließ der Erfolg  nicht lange auf sich warten:

Ein  Plattenvertrag mit keinem geringeren Label als der Universal flatterte ins Haus. Beflügelt von so viel Glück, wollen sie es jetzt auch hier wissen. Wie sie das anstellen, aus welchem Grund sie meinen, das Abitur im Frühjahr mit links nehmen zu können und ob sie glauben, genauso groß herauszukommen wie einst Tokio Hotel, verraten sie mir im Gespräch.

Wie man es auch ohne Castingshow vielleicht bis ganz nach oben schaffen könnte

One Direction feiert riesige Erfolge. Seit die englische Boygroup einen Auftritt bei der Abschlussfeier der Olympischen Spiele 2012 in London hatte,  kennt und liebt sie ein Millionenpublikum. Auch hier. Ob dies bedeutet, dass das Zeitalter der hysterischen Kreischattacken fanatischer Zahnspangengeschwader auch in Deutschland wieder Einzug halten wird, bleibt jedoch fraglich.

Denn nachdem der erfolgreiche deutsche Teenie-Musik-Export, Tokio Hotel, sich vorübergehend nach L.A. abgesetzt hat, und nur das Zwillingspaar Bill und Tom derzeit gelegentlich für ihren Jurorenjob neben Dieter Bohlen bei DSDS in der Heimat on air in Erscheinung tritt, ist es in unseren Gefilden  im Hinblick auf gelebte Teenie-Idol-Anbetung als Massenerscheinung insgesamt deutlich ruhiger geworden .

Offenbar vorbei die Zeiten kampierender Achtklässlerinnen vor längst ausverkauften Konzerthallen. Wir kannten New Kids on the Block, The Backstreetboys, TAKE THAT, Boyzone, N`Sync, Caught in the Act, World`s apart, Touche, US 5 und wie sie nicht alle hießen. Ein großer Erfolg, Massen pubertierender Mädchen, die abdrehten oder in Ohnmacht fielen, manchmal auch deren Mütter, ein riesiger Medienhype und vor allem eins: ein Millionengeschäft.

Die Mitglieder jener Bands sind älter geworden, ebenso ihre damaligen Fans. Jetzt scheint da eine Lücke in unserem Land. Vielleicht ja genau die, die ihnen zum Sprung nach ganz vorne verhelfen könnte? Wobei sie eins von vorneherein klarstellen: Eine klassische Boygroup wollen  sie nicht sein.

Phrasement, das sind David (18) und Jonas (20) Zauels (Gesang und Bass) , Oliver Giffels (18) und Dominik Dahm (18) (Gitarre und Drums). Ihre Single "Hello Sunshine" erhellt derzeit unzählige Herzen junger und junggebliebener Mädchen. Das selbstbewußte Musik-Quartett, das für Britpop und Indie-Rock steht, erfährt augenblicklich schon recht detailgetreu, wie sich das Leben von Popstars anfühlen kann: Seit Wochen sind die Freunde quasi pausenlos unterwegs.

TV-Auftritte, PR-Termine, Releases, Gigs und Charity-Events meistern sie neben den Vorbereitungen fürs Abitur offenbar mit links. Für den erhofften Erfolg sind sie bereit, viel zu investieren. Dass sie großen Spaß daran haben, merkt man den vieren in jedem Moment an.

Ich treffe die Jungs  beim Fotoshoot in Köln-Ehrenfeld. Gerade haben sie ihr erstes Album mit dem Titel "Cumberland Street No 9" herausgebracht. Entspannt stehen mir die Musiker abwechselnd inmitten zahlreicher Scheinwerfer und Fotokulissen heute Rede und Antwort.

Michaela Boland:   

Wie habt ihr zueinander gefunden?

David:                       

Jonas, unser Bassist, und ich,  wir sind Geschwister, also kennen uns schon ein wenig länger. Die anderen haben wir in der Schule und im Sportverein kennengelernt. Dann waren wir lange Zeit Freunde bis sich irgendwann herausstellte, dass jeder von uns ein Instrument spielte. Also haben wir uns getroffen und festgestellt, dass das Zusammenspiel recht schnell ziemlich gut harmonierte. Mittlerweile spielen wir so seit fünf Jahren zusammen.

Michaela Boland:   

Wie seid ihr auf den Namen Phrasement gekommen?

David:                                   

Der Name besteht erst seit ein oder zwei Jahren. Am Anfang hatten wir immer wieder unterschiedliche Namen, mit denen wir eigentlich nie zufrieden waren. Die Bandnamen, die wir ausgewählt hatten, gab es schon und das wollten wir auf gar keinen Fall mehr. Dann haben wir mit diesem Neologismus etwas Neues kreiert, was es so noch nicht gibt und einfach die Begriffe "Phrase" (Anm. d. Red.: altgriechisch: Redeweise, umgangssprachlich: Floskel; Slogan) und "Basement", Fundament, zusammengefügt und so entstand der Name.

Michaela Boland:   

Wie beschreibt ihr selbst eure Musikrichtung?

David:    

Das ist Indie-Rock. Es ist durchaus Britpop-mäßig. Es klingt ein wenig wie die Beatles früher, jedoch auf jeden Fall deutlich  moderner. Wir versuchen jeden Song, den wir herausbringen, zum Ohrwurm zu machen. Das war ja bei den Beatles auch der Fall. Es ist musikalisch nichts Überanspruchsvolles, allerdings versucht man immer durch die Instrumente, die man hat, einen harmonischen Sound hinzubekommen. Ich glaube, dass uns dies ganz gut gelingt.

Michaela Boland:   

Wer ist bei euch für das  Songschreiben verantwortlich?

David:                                   

Vor allem ich. Ich mache viel die Musik und bei den Texten arbeiten wir alle zusammen.

Michaela Boland:   

Wie gehst Du konkret beim Songschreiben vor? Setzt du dich hin und kannst loslegen oder wartest du bis du eine Inspiration hast und schreibst sie erst dann nieder?

David:                                   

Ich glaube, man setzt sich nicht hin, um Songs zu schreiben, man setzt sich einfach nur hin, weil man Spaß daran hat zu singen und Gitarre zu spielen. Dann probiert man eben einfach aus und wenn man dann gerade viel erlebt hat, dann kommt meistens etwas Besseres dabei herum. Aber es kann durchaus auch so sein, dass man sich manchmal eine Scheiße zusammenspielt. Das gibts auch. Es ist aber schon davon abhängig, was man erlebt hat und wie man inspiriert worden ist.

Michaela Boland:  

Hast du zuerst den Text oder die Melodie im Kopf?

David:                                   

Bei mir ist es so, dass ich erst die Melodie im Kopf habe, bzw. sie mir mit der Gitarre zusammenstelle. Und dann kommt der Text oft von allein. Ein wenig habe ich ihn vielleicht sogar schon im Kopf und es ist so, dass dann einfach die eine oder andere Phrase in den Kopf kommt, was auch noch mal unseren Bandnamen, bzw. die Entstehung unserer Songs beschreibt, und der Rest des Textes baut sich dann einfach wie von selbst irgendwie drum herum auf.

Michaela Boland:   

Die Beatles sind euer Vorbild. Ihr seid 18,18,18 und 20 Jahre alt. Was fasziniert euch  an einer Band, die derartig viele Jahrzehnte von euch entfernt liegt?

David:                                   

Das, was sie gemacht haben, ist einfach so authentisch. Sie hatten ja auch nicht gerade viele Mittel um ihren Sound  hochzupushen. Und trotzdem kamen sie immer einfach geil herüber. Das, was ich am meisten an ihnen bewundere, ist einfach das Songwriting. In der verhältnismäßig kurzen Zeit, in der sie in der Formation existiert haben, haben sie so viele Songs geschrieben. Das ist wirklich sensationell. Auch ihre Geschichte ist faszinierend. Sie entstammen ja eher armen Arbeiterfamilien und haben immer weiter versucht, ihren Traum durchzusetzen, und genau das versuchen wir ja auch. Da gibt es also schon Parallelen, insoweit ist an den Beatles durchaus viel, was mir gefällt.

Michaela Boland:   

Hast du einen Lieblingsbeatle?

David:                                   

Vom Songwriting her auf jeden Fall John Lennon. Aber so an sich kann ich das nicht sagen, denn ich mag Yoko Ono nicht.

Michaela Boland  

Eure Musik soll sich aus altem Equipment der Beatles und modernem Recording zusammensetzen. Was ist damit gemeint? Habt ihr da eine alte Hammond-Orgel ausgegraben?

David:                                   

Ja, eine Hammond-Orgel haben wir im Studio auf jeden Fall benutzt. Wir stehen nämlich sehr auf den Sound. Ich denke, es gibt auf unserem aktuellen Album kaum einen Song, bei dem keine Hammond zum Einsatz gekommen ist. Aber hier geht es doch eher um den Gitarrensound. Wir spielen mit Gitarrenverstärkern, mit denen die Beatles auch gespielt haben, um  den ähnlichen Sound hinzubekommen. Aber natürlich ein wenig fetter. Denn ansonsten  klingt das schon alt und das wollen wir selbstverständlich nicht. Wir wollen ja nicht klingen wie die Beatles. Wir wollen zwar Songs schreiben wie die Beatles, aber das Ganze schon ein bißchen moderner. Deshalb haben wir einen ähnlichen aber durchaus wesentlich moderneren Klang.

Michaela Boland:  

Wenn ihr  euch trotz eigener Identität dennoch recht stark an die Beatles anlehnt, glaubt ihr dann, mit eurer Musik im Zeitalter von Rihanna, Lady Gaga und Justin Biber tatsächlich kontinuierlich einen leichten  Zugang zu euren vornehmlich jungen Fans haben zu können? Setzen die sich heute denn überhaupt noch großartig mit der Musik der Beatles auseinander?

David:                                   

Das ist eine gute Frage. Aber, ich denke mal, dass dieser Retro-Style total angesagt ist. Ich würde zwar nicht sagen, dass dies extrem ausgeprägt ist, aber das kommt auf jeden Fall.

Michaela Boland:   

Ihr habt einen regen Austausch mit euren Fans auf eurer Facebookseite. Legt ihr großen Wert auf engen Kontakt zu eurem Publikum?

David:                                   

Ja, auf jeden Fall. Wir antworten den Fans auch immer gern, denn die ersten Fans, die müssen schon gut behandelt werden. (lacht) Das ist uns wichtig.

Michaela Boland:   

Mit welchen Anliegen treten die Fans denn so an euch heran?

Oliver:                                   

Ganz unterschiedlich. Mal wollen sie nur ein Foto machen, mal wollen sie etwas wissen oder auch einfach nur ihr Gefallen zum Ausdruck bringen oder schlicht ein Autogramm.

Michaela Boland:   

Wie alt ist euer Publikum?

Oliver:                                   

Von 13 bis 19.

Michaela Boland:   

Was lassen sie sich alles für euch einfallen?

Oliver:                                   

Neulich haben uns Fans Plätzchen gebacken,  Collagen angefertigt, Jutebeutel hergestellt mit der Aufschrift "We love  Phmt". Im Gegenzug haben wir aber auch schon mal auf spezielle Bitte einen Fan angerufen. Das Mädchen wollte verreisen und ihre Freundin bat uns dringend darum, uns bei ihr telefonisch zu verabschieden, weil sie sich sehr darüber freuen würde. Das haben wir auch gerne gemacht. 

Michaela Boland:   

Ist es ein Vorteil, wenn man schon Fan wird, solange sich eine neue Band noch in den Anfängen  befindet?

David:                                   

(lacht) Unbedingt.

Michaela Boland:   

Jetzt geht es gerade so richtig los bei euch. Ihr habt einen Plattenvertrag mit einem renommierten Label an Land gezogen, einen Vertrag mit Super RTL ergattert, verschiedene PR-Auftritte absolviert. Wie haben sich diese ersten Schritte in der Öffentlichkeit für euch angefühlt?

David:                                  

Das ist sehr cool. Wir haben ja schon lange davor Musik gemacht und immer darauf hingearbeitet, dass es irgendwann einmal so professionell werden kann. Damit ist ein großer Traum für uns in Erfüllung gegangen.

Michaela Boland:   

Was erhoffst du dir vom Star-Dasein, David?

David:                                   

Am liebsten würde ich einfach mein ganzes Leben lang das machen, was mir Spaß macht. Und das ist eben die Musik. Es ist total schwierig, das zu machen, aber wenn ich zu den Leuten gehören würde, die das machen können, dann wäre das eigentlich schon alles für mich.

Michaela Boland:   

Stellst du dir vor, dass du leicht mit Star-Ruhm umgehen könntest, gesetzt den Fall, dass ihr nun schnell zu bekannten Größen der Musikbranche avanciert?

David:                                   

Es gibt ja so viele Geschichten, dass man kaum so naiv sein kann und sagen würde, dass einen so etwas nicht irgendwann doch einmal belasten würde. In die Situation kann man sich auch nicht so leicht hineinversetzen, solange sie nicht tatsächlich vorliegt. Jedoch, wie auch immer, ich würde es gerne ausprobieren.

Michaela Boland:   

Auf eurer Seite war zu lesen, dass eure Musik für ein breites Publikum angelegt ist. Bedeutet das im Klartext, dass ihr Massenware anbieten wollt?

David:                                   

Angelegt kann man eigentlich so schon gar nicht sagen, zumal wir die Musik gerade so machen, wie es uns Spaß macht. Das heißt, wir haben nicht gesagt, wir machen jetzt die und die Musik, sondern die Musikrichtung hat sich bei uns entwickelt. Wir haben ja von Emo-Ballden bis zu Rockabilly Songs alles gemacht bis wir dann ein Mittelding zwischen dem, was uns allen gefällt, gefunden haben. Deshalb ist es auf gar keinen Fall Massenware, sondern wir machen das, was uns Spaß macht und wenn das bei allen gut ankommt, umso besser.

Michaela Boland:   

Leiten deine und Jonas` Eltern noch immer eine Musikschule?

David:                                   

Sie haben eine Musikschule gegründet und lange aufgebaut. Nach Jahren haben sie dann die Leitungsposition abgegeben, sind aber nach wie vor noch sehr aktiv in dem Bereich.

Michaela Boland:   

Wenn man so eine gute musikalische Grundlage nutzen kann, wieviele Instrumente spielt man dann eigentlich?

David:                                   

Ich habe sehr früh angefangen, Harfe zu spielen, übrigens auch recht erfolgreich. Das habe ich insgesamt 14 oder sogar 15 Jahre lang getan. Aber irgendwann kam dann jedoch die Gitarre hinzu, die die Harfe ein wenig in den Hintergrund geschoben hat. Wobei ich immer denke, dass ich das Harfe spielen irgendwann noch einmal fortsetzen werde. Jetzt aber konzentriere ich mich zunächst einmal auf das Singen und die Gitarre. Nichts desto trotz ist man schon mit Musik aufgewachsen. Den ganzen Tag lief Musik im Haus, die nicht nur aus Boxen kam, sondern eben live gespielt wurde. Und das ist schon gut gewesen.

Michaela Boland:   

Welche Instrumente spielt dein Bruder Jonas außer dem Bass?

David:                                   

Klavier und Flöte. Der hat auch viel gemacht. Allerdings hat es bei ihm auch etwas gedauert bis er sein richtiges Instrument gefunden hatte.

Michaela Boland:   

Für wie wichtig hälst du es, als Musikstar eine fundierte musikalische Ausbildung aufweisen zu können?

David:                                   

Man muss da unterscheiden. Es gibt ja Leute, die nur singen und kein Instrument spielen können. Das halte ich aber nicht für schlimm, wenn man es zumindest richtig gut macht. Ich selbst kann es mir für mich nicht vorstellen, denn ohne die Basis wüsste ich nicht, wie ich meine Songs schreiben sollte. Das von jemand anderem machen zu lassen, würde mir weder gefallen, noch würde ich es annehmen. Es ist insoweit auf jeden Fall ein großer Vorteil, musikalisch aufzuwachsen.

Michaela Boland:   

Wenn es uns im TV derzeit an etwas nicht mangelt, dann sind es wohl Musik-Castingshows. Wer dort mitmischt, hat zumindest die Möglichkeit, auf die schnelle Tour zu einer Art Take-away-Ruhm zu kommen. Habt ihr jemals darüber nachgedacht, euch bei einer solchen Show zu bewerben oder habt ihr diese Variante von vorneherein abgelehnt?

David:                                   

Wir kommen ja  aus der kleinen Provinz, Bad Neuenahr- Ahrweiler, wo wir lange gespielt haben und wurden später zufällig bei einem Auftritt in dem Kölner Club Underground sogleich entdeckt. Seither geht es ja steil bergauf und das ist der Grund, warum wir gar nicht daran gedacht haben, an einer Castingshow teilzunehmen. Es geht offensichtlich auch ohne. Wer weiß, vielleicht macht man das ja irgendwann schon mal, wenn es mal nicht mehr so gut läuft. Aber im Moment kommt das nicht in Frage.

Michaela Boland:   

Es wäre also eine Option gewesen, wäre euer Weg nicht so verlaufen, wie er augenblicklich verläuft?

David:                                   

Ich habe da, ehrlich gesagt, immer ein bißchen Angst vor. Denn man ist ebenso schnell wie man gekommen ist auch schon wieder weg. Es liefert zwar Bildschirmpräsenz, aber wichtig ist ja auch immer, welches Image man verpaßt bekommt und genau diesen Punkt haben wir nun selbst in der Hand und das ist natürlich das Beste, was es gibt, wie ich finde.

Michaela Boland:   

Wie habt ihr es in so jungen Jahren geschafft, einen Plattenvertrag mit der Universal zu bekommen?

David:                                   

Unser Management -und Presse -Team hat uns durch  Kontakte zu Medien zunächst sehr gepusht. Dann  wurde man durch  einen Promiflash-Artikel auf uns aufmerksam. Es kam zu einem Deal mit Super RTL. Die wollten Werbung für uns machen und dafür sollten wir ein paar Shows für sie spielen. Das war schon cool. RTL arbeitet mit der Universal zusammen. Bevor sie sich allerdings dazu bereit erklärt haben, etwas mit uns zu machen, mußte geklärt werden, ob die Universal mit uns arbeiten würde. Wäre das nicht der Fall gewesen, hätte RTL es auch nicht gemacht. Also haben wir uns mit der Universal zusammengesetzt, mußten aber zunächst noch regelrechte Überzeugungsarbeit leisten.

Michaela Boland:     

Wie sah die aus?

David:                                   

Wir haben viel von unserer England-Tour erzählt und auch Videos gezeigt, um zu demonstrieren, wie wir uns live ausdrücken und live überzeugen können.

Michaela Boland:   

Wie seid ihr auf die Idee gekommen, auf eigene Faust eine Tour in England auf die Beine zu stellen, ohne   dass euch irgendwer kannte?

David:                                   

Das war ja noch vor der Zeit unseres Plattenvertrages. Nachdem die Beatles ja aus England  kamen und ihrerseits nach Deutschland gekommen sind als sie so alt waren wie wir, sind wir einfach so, wie sie damals nach Deutschland gefahren sind,  nach England gefahren. Das war wirklich cool.

Michaela Boland:   

Euch kannte zu diesem Zeitpunkt noch niemand, wie seid ihr da bei der Organisation vorgegangen?

David:                                   

Wir haben das nach ein paar Schritten gemacht. Ehrlich gesagt, war das eine Idee, wo wir alle ein bißchen betrunken waren (lacht), aber egal. Und dann haben wir erst mal so eine Route zusammengestellt, bei der wir jeden gewünschten Punkt in England abdeckten. Dann hat jeder eine Stadt bekommen, um die er sich kümmern mußte. Das heißt, er mußte sich um Unterkunft kümmern und um Auftritte. Ja, und dann haben wir das irgendwie so hinbekommen, also die Clubs einfach immer angeschrieben und angerufen.

Michaela Boland:   

Klingt mutig.

David:                                   

Ja, vor allem, weil wir ja nichts hatten und deshalb haben wir auch erst mal mit keinen Antworten gerechnet. Da haben wir eben gedacht, dass wir im Notfall dann einfach nur Urlaub dort machen würden, zumal wir die Hotels ja bereits gebucht hatten.

Michaela Boland.   

Und das aus eigener Tasche?

David:                                  

Ja, natürlich. Aber dann kamen nach und nach immer mehr Auftritte. Und in England vor Ort haben wir uns hin und wieder sogar noch spontan Auftritte verschaffen können. Dann sind wir eben einfach in den Club hineingegangen und haben gefragt, ob wir auftreten können.

Michaela Boland:   

Gab es denn wenigstens einen kleinen Obolus dafür?

David:                                   

Ja, doch. Auf jeden Fall.

Michaela Boland:   

Wie kamt ihr beim englischen Publikum an?

David:                                   

Es war unterschiedlich, aber 90 Prozent gut.

Michaela Boland:  

Hat es dort auch schon Autogrammwünsche gegeben?

David:                                   

Ja, in Liverpool zum Beispiel, wo die Beatles ja herkommen, haben wir in einem Club gespielt, in dem sie damals auch schon häufig gespielt hatten und das haben wir spontan bekommen und das war richtig gut. Dort waren nämlich zum Teil Leute, die schon die Beatles live gesehen hatten.

Michaela Boland:   

Also älteres Publikum?

David:                                   

Älter, jünger. Eigentlich war alles dabei. Ein paar Touristen und Einheimische. Und dann haben wir da eben gespielt und das war mit Abstand der beste Auftritt in England.

Michaela Boland:   

Wie lang dauerte die Tour insgesamt?

David:                                   

Zwei Wochen.

Michaela Boland:   

Wird es eine Wiederholung geben?

David:                                   

Auf jeden Fall.

Michaela Boland:   

Was macht ihr alle im sogenannten normalen Leben, wenn ihr nicht in Sachen Phrasement unterwegs seid?

David:                                   

Wir gehen noch zur Schule, sind in der Dreizehn und machen jetzt Abitur.

Michaela Boland:   

Was hast du für Leistungskurse?

David:                                   

Deutsch, Erdkunde und Englisch.

Michaela Boland:   

Und du, Oliver?

Oliver:                                   

Mathe, Englisch und Geschichte.

Michaela Boland:   

Wann beginnen eure Prüfungen?

David:                                   

Im Februar.

Michaela Boland:   

Was nimmst du derzeit in Deutsch durch?

David:                                   

Wir machen Gedichtanalysen.

Michaela Boland:   

Wie klappt es neben der Musikkarriere denn zeitlich mit der Vorbereitung fürs Abi?

David:                                   

Man muß dann halt die Sachen schon mit auf Tour nehmen und unterwegs lernen. Manche Lehrer fragen dann auch schon zum Teil: "Ach, du bist auch mal wieder hier?“. Das ist dann schon ein bißchen komisch. Aber das klappt schon alles. Das ist ja jetzt nicht mehr viel und wenn die Klausuren sind, dann machen wir mal wieder ein bißchen ruhiger und dann gehts richtig los.

Oliver:                                   

Ist auch nicht so schlimm, weil wir nur noch drei Klausuren vor uns haben. Wenn man es jetzt noch nicht kann, naja dann. Also, die Schule, die ist halt irgendwie da. Für die Musik aber muß man  arbeiten und das macht auch Spaß.

Michaela Boland:   

Bist du ein guter Schüler, David?

David:                                   

Es geht so.

Michaela Boland:   

Stehen eure Familien voll hinter euch oder machen sie sich augenblicklich Sorgen darüber, ob das mit dem Abi unter den jetzigen Umständen gut geht?

David:                                   

Sie stehen absolut hinter uns und haben sogar gesagt, dass, wenn das jetzt ganz durch die Decke gehen sollte, dann könnten wir das Abi auch verschieben.

Michaela Boland:   

Wieviel Zeit geht denn augenblicklich für Phrasement drauf?

David:                                   

Eigentlich rund um die Uhr. Denn wir proben sehr viel und am Wochenende sind wir ja ohnehin immer unterwegs. Selbst wenn wir mal einen Tag frei haben, ist es ganz selten der Fall, dass wir nicht aufeinander hängen.

Michaela Boland:   

Versteht ihr euch immer gut oder knallt’s auch schon mal zwischen euch?

David.                                   

Natürlich hat man auch schon mal einen Konflikt miteinander. Vor allem, wenn man mal so richtig lange zusammen ist. Im Sommer hingen wir acht Wochen aufeinander, aber wirklich rund um die Uhr und waren keinen einzigen Tag zu Hause. Da hatten wir natürlich schon mal einen Konflikt, aber der ist immer friedlich gelöst worden. Wenn man mit einem Stress hat, kann man auch immer noch zu einem anderen gehen. Vor allem kann ich immer zu Jonas, meinem Bruder, gehen.

Michaela Boland:   

Wenn man kontinuierlich im Show-Einsatz ist, bekommt man dann eigentlich noch ausreichend vom politischen Weltgeschehen mit? Was sagst du beispielsweise zur Problematik im Gaza-Streifen?

David:                                   

Ja, man bekommt das schon mit, aber nicht mehr oder weniger als vorher. Es ist natürlich so, dass man in die Zeitung  blickt. Schön ist das nicht, dass es Teile auf der Welt gibt, wo es kriegerische Auseinandersetzungen gibt. Ich halte das für zurückgeblieben.

Michaela Boland:   

Interessierst du dich für Politik?

David:                                   

Kommt immer drauf an für was. Für manche Sachen durchaus, aber manches finde ich auch trocken und langweilig.

Michaela Boland:   

Wäre politisches Engagement etwas für dich, wenn du ausreichend Zeit hierfür hättest?

David:                                   

Meine Eltern haben immer  gesagt, ich solle Politiker werden, weil ich so gut reden kann. Ich weiß es nicht. Aber das muß nicht unbedingt sein. Musik ist mir gerade viel wichtiger.

Michaela Boland:   

Was liest du, wenn du Zeit dazu hast und was hast du zuletzt gelesen?

David:                                   

An Büchern? Bücher lese ich nicht viel.

Michaela Boland:   

Mit Deutsch als LK?

David:                                   

Klar, die Bücher, die ich da lesen muß, die lese ich dann, aber sonst lese ich nicht so viel.

Michaela Boland.   

Kommst du nicht dazu oder magst du es grundsätzlich eher weniger?

David:                                   

Normal lesen die meisten Leute ja im Auto, wenn man sonst nichts zu tun hat. Doch im Auto kann ich nicht lesen, weil mir sonst schlecht wird. Außer vielleicht so eine Klatsch-Zeitschrift. Aber wenn mir ein gutes Buch über den Weg läuft, dann lese ich das auch. Doch nicht so oft. Die Überwindung, ein Buch anzufangen, ist sehr hoch. Aber, wenn man dann einmal drin steckt, dann ist es schon ganz cool.

Michaela Boland:   

Was hälst du von solchen Bands wie beispielsweise Tokio Hotel? Sind das Vorbilder, bloße Kollegen oder lehnst du diese Art der Musik und des Images ab?

David:                                   

Auf gar keinen Fall. Ich habe das früher, ehrlich gesagt, schon immer sehr cool gefunden. Es gab ja immer viele, die das Scheiße fanden. Die hatten ja mehr Hater als alles andere, aber trotzdem noch die treuen Fans, was eigentlich ganz gut war. Ich habe immer bewundert, wie man in so kurzer Zeit so viel erreichen kann. Die Musik war o.k, sie hat mich nicht umgehauen, aber ich habe sie auch manchmal gehört, fand sie also nicht schlimm. Ich denke, dass es vor allem die Person Bill Kaulitz gewesen ist, die der Band einen solchen Antrieb gab. Bill Kaulitz ist natürlich schon etwas Besonderes.

Michaela Boland:   

Inwiefern?

David:                                   

Seine Erscheinung. Am Anfang, als ich die Band zum ersten Mal gesehen habe, da dachte ich, "boah, die sieht ja gut aus". Wenn man schon darüber nachdenken muß, ob es eine Frau oder ein Mann ist, dann ist das schon ein Hingucker. Ich kann also schon verstehen, dass die gut durch die Decke gegangen sind, vor allem auch im Ausland. Von der Sache mit DSDS weiß ich jetzt nicht, was ich davon halten soll. Die hätten auch weiter Musik machen können.

Michaela Boland:   

Wie hoch schätzt du eure Chancen ein, einen solchen Erfolg wie Tokio Hotel zu erreichen?

David:                                   

Das ist auf jeden Fall ein Traum. Aber die Chancen sind schon eher gering.

Michaela Boland:   

Ihr habt augenblicklich doch einen recht guten Lauf.

David:                                   

Das auf jeden Fall. Eigentlich ist Tokio Hotel aber auch gar kein Maßstab.

Michaela Boland:   

Bietet es nicht auch Chancen für andere, wenn eine erfolgreiche Jungs-Band gerade als Band nicht sehr Bühnen-präsent ist?

David:                                   

Sicherlich, aber momentan gibt es ja auch andere Künstler, die präsent sind. So zum Beispiel Cro, der innerhalb kürzester Zeit total durch die Decke gegangen ist. Augenblicklich reden ja auch viele von ihm. Es ist somit ja nicht so als hätten wir keine Konkurrenz.

Michaela Boland.   

Cro als einzelner Künstler ist nun keine klassische Boyband.

David:                                   

Richtig, aber ich weiß nicht, wie die Leute das handhaben, ob die jetzt nur Bands hören oder nur Rapper hören. Es ist jetzt keine direkte musikalische Konkurrenz, aber es ist schon ein Künstler, der halt da steht und die anderen schon auch ein bißchen im Schatten stehen läßt.

Michaela Boland:   

Ihr seid vier Jungs. Versteht ihr euch als Boygroup?

David.                                   

Eigentlich verstehen wir uns viel mehr als Rockband (lacht). Es ist immer so schwer, das zu definieren. Wenn man sagt, die Beatles waren eine Boyband, dann sind wir auch eine Boyband. Aber, wenn man sagt, eine Boyband ist das, was One Direction ist, dann sind wir keine Boyband.

Michaela Boland:   

Erläutere bitte den Unterschied. 

David:                                   

Unter einer Boyband verstehe ich Take That oder One Direction. Das sind immer so vier fünf Jungs, die dann da herumtanzen und herumsingen.

Michaela Boland:   

Auf einem eurer Videos sieht man euch ebenfalls im Wasser herumtanzen während ihr singt.

David:                                   

Ja (lacht). Bei uns ist das aber so, dass jeder ein Instrument in der Hand oder vor sich hat und wir schreiben die Songs selbst, was bei Boybands ja nicht der Fall ist. Vor allem singt in einer Boygroup ja eigentlich jeder mal und bei uns bin ich der Hauptsänger. Die anderen singen zwar auch mit, aber es gibt keine fünf Leadsänger. Es ist, wie ich schon sagte, immer recht schwierig mit der Definition.

Jonas:                                  

Der  Mensch verbindet normalerweise damit eine gecastete Band, die weder live spielt noch Instrumente spielt, sondern Playback singt. Wir machen handgemachte Musik, kennen uns schon ewig und sind nicht gecastet.

Michaela Boland:  

Das gute Aussehen und gewisse Styling spielt bei euch auch eine Rolle?

Jonas:                                  

Klar, ich sage immer: "Das Auge hört mit."

Oliver:                                   

Das Musikbusiness ist genau wie alle anderen Businesses.

Jonas:                                  

Alles oberflächlich.

Oliver:                                   

Man will ja auch irgendwie noch gut aussehen. Man macht Musik zwar in erster Linie für die Musik, aber es war ja auch schon früher mit einem bestimmten Lebensgefühl verbunden. Da gehört auch Mode einfach dazu, das kauft uns ja sonst keiner ab.

Michaela Boland:   

Wenn ein Bandkollege nun nicht dem optimalen Bild vom schönen jungen Musik-Star entsprochen, sondern eher einem Quasimodo geähnelt hätte, wäre das um des Erfolgs Willen ein Grund für euch gewesen, jemand Passenderen miteinzubeziehen?

Jonas:                                  

Wir machen ja jetzt schon ewig zusammen Musik , sind auch länger befreundet als wir Musik  machen. Als dann die ersten Verträge kamen, die man so unterschreiben muß, da haben wir uns gesagt, entweder wir machen das in dieser Konstellation zu viert zusammen oder gar nicht. Das hatte weder mit Styling, Aussehen oder irgendwelchen musikalischen Kenntnissen zu tun, sondern einzig damit, dass wir  zu viert klar kommen und das zusammen machen wollen.

Oliver:                                   

Es ist ja auch gut, dass jeder von uns seinen eigenen Charakter hat. Ich halte das für sehr wichtig.

Michaela Boland:   

Dominik, beschreibe du doch bitte mal eure unterschiedlichen Charaktere.

Dominik:                  

Ich finde, wir ergänzen uns alle sehr gut. Jonas ist so der Band-Papa, das Glied, das alles zusammenhält. Er ist der Reifste, was ja nicht nur etwas mit dem Alter zu tun hat. David ist als Frontmann  mehr  unsere Rampensau. Das braucht man natürlich auch innerhalb einer Band.

Jonas:                                  

Und die Diva.

Dominik:                  

Ja, genau, die Diva (lacht).

Michaela Boland:   

Welche Rollen habt ihr, Oliver und du?

Oliver:                                   

Wir sind da.

David:                                   

Die spielen keine Rolle in der Band. Die sind wie Gustav und Georg bei Tokio Hotel (lacht).

Michaela Boland:   

Womöglich ja eines Tages auch  mal in der DSDS-Jury?

David:                                   

Aber dann vielleicht wir alle vier, weil wir Bohlen rausgekickt haben (lacht).

Jonas:                                  

Dominik ist auf alle Fälle der Stille.

Dominik:                  

Stimmt, ich sage sonst eigentlich nie etwas.

Michaela Boland:   

Eure Lieder sind alle in englischer Sprache gesungen. Soll das auch so bleiben?

David:                                  

Man hat es sich natürlich schon mal überlegt, es auch auf Deutsch zu machen, aber eigentlich kam bei uns immer nur Englisch in Frage.

Michaela Boland:   

Aus welchem Grund?

David:                                   

Es ist ja eine internationale Sprache und da hat man die Türen vielleicht auch in anderen Ländern eher offen stehen als nur mit Deutsch. Man kann ja nicht erwarten, dass man nur mit deutscher Musik, so wie Tokio Hotel, in fast jedem Land ankommt. Allein das war ja schon phänomenal.

Michaela Boland.   

Die Titel einiger eurer bisherigen Songs wie beispielsweise "Hello sunshine", "Skinny Jeans", "Disco" oder "British girl" muten auf den ersten Blick wie verhältnismäßig leichte Kost an. Ist das so gewollt?

David:

Es kommt immer drauf an. "Hello Sunshine" klingt natürlich irgendwie wie ein Sommersong, aber da geht es um Abschied und es ist kein Happy-Happy-Song. Das ist schon tiefgründiger. Disco ist demgegenüber schon etwas leichter gehalten. "The Chance to win is low", der Titel sagt es ja schon aus, dass es schwer ist, etwas zu erreichen. Das ist genau das, was wir auch erlebt haben. Es geht also schon ein bißchen tiefe

Michaela  Boland:  

Gibt es auch schon thematische Ideen für weitere Titel?

David:                                   

Wir haben auf jeden Fall auch schon daran gedacht, mal etwas Sozialkritischeres zu machen. Wie das genau aussieht, muss man dann sehen. Eigentlich schreiben wir immer darüber, was wir erleben. Das hat auch oft etwas mit Frauen zu tun, mit Beziehungen oder mit Freunden. Auch, wenn  man mal eine ganze Nacht unterwegs war, was man da so alles erlebt hat oder aber wir schreiben über Enttäuschungen.

Michaela Boland:   

Seid ihr gerade alle in Beziehungen?

David:                                   

Ich glaube nicht. Jeder hat schon irgendwie mal so, aber nichts Festes.

Michaela Boland.   

Titel eurers ersten Albums ist "Cumberland Street No 9". Was hat es damit auf sich?

David:                                   

Wir waren in England ja in  verschiedenen Städten und eine solche Straße gab es einfach in jeder Stadt, in der wir waren. Es war wie ein running Gag. Da haben wir uns dazu entschieden, das als Namen zu nehmen. Und No 9 ist ein Bezug auf die Beatles, denn sie haben einen Song, der heißt "Revolution  9". Den haben wir eigentlich die ganze Tour über immer wieder rauf und runter gehört. Der ist so ein bißchen krank. Und dann haben wir das Album einfach danach benannt. Und es klingt einfach ultracool.

Michaela Boland:   

Seht ihr auch Gefahren innerhalb des Show-Bizz, in den hier hineindrängt?

David.                                   

Auf jeden Fall. Man muss immer gucken, wem man wirklich vertrauen kann und wem nicht. Man darf keinesfalls leichtsinnig  an die Sache herangehen. Ich glaube, es gibt schon viele, die einem nicht unbedingt das Beste wollen und wünschen. Wir haben zwar jetzt noch nichts wirklich Negatives erlebt, aber man wird schon immer wieder gewarnt. Die Verträge, die wir unterschrieben haben, die haben wir lange geprüft, bevor wie sie unterschrieben haben.

Michaela Boland:   

Was war das interessanteste Erlebnis, das ihr in jüngster Zeit hattet?

Oliver:                                   

Eindeutig unser Tourauftakt. Wir sind in Liverpool angekommen und sind in den Cavern Club gegangen. Der Club war um zwölf Uhr nachts total voll und wir haben da eigentlich relativ spontan spielen können und haben anschließend noch bis drei Uhr mit den Leuten gefeiert. Schon beim Auftritt gab es eine so unbeschreibliche Atmosphäre. Diese Nacht war einfach unvergesslich.

Michaela Boland:  

Was glaubt ihr eigentlich, selbst tun zu können, um es in der Musikbranche wirklich zu schaffen?

Oliver:                                   

Das ist schwer zu sagen. Ich glaube, dass es grundlegend ist, dass man irgendetwas hat, was einen besonders macht. Entweder einen Supersong, super gutes Aussehen oder einfach nur eine Aura. Auch Disziplin ist wichtig, ebenso wie Spaß an der Sache. Wenn man keinen Spaß an der Sache hat, dann macht es auch keinen Sinn. Wir haben beispielsweise bei Auftritten Spaß, im Studio Spaß, eigentlich an allem, was wir machen.

Michaela Boland:   

Was bist du bereit, für die Karriere zu geben?

Oliver:                                   

Musik ist schon das Leben. Man opfert auch einiges. Das sehen wir alle so. Mit Freunden, mit denen wir früher viel herumgehangen haben, können wir kaum noch Zeit verbringen. Das kommt mittlerweile sehr kurz. Doch das ist es uns wert. Wir sind eben zu viert und kommen so gut miteinander aus, auch mit dem Management klappt es super.

Jonas:                                  

Dieses Opfer muß man schon bringen. Man hat nicht mehr ebenso viel Zeit, wie man vorher hatte. Und die Leute in der Heimat bekommen das natürlich zu spüren.           

Michaela Boland:   

Interessiert sich jemand  von euch für bildende Kunst?

Jonas:                                  

Ja.

David:                                   

In England waren wir zum Beispiel in einem Kunstmuseum.

Jonas:                                  

In Glasgow.

David:                                   

Da haben wir uns auch an einen Tisch gesetzt, an dem man  selbst malen durfte.

Oliver:                                   

Das war zwar eigentlich für die Sechs- bis Zwölfjährigen, aber wir sind nicht aufgefallen (lacht).

David:                                   

Auf jeden Fall haben wir da auch gemalt. Ich habe mein Bild sogar hinterher einer Kunststudentin gezeigt und die fand es gut.

Oliver:                                   

Eigentlich fand sie meins besser.

David:                                   

Nein, sie fand meins besser.

Jonas:                                  

Das war abstrakte Kunst muß man dazu sagen.

David:                                   

Sie fand wirklich meins besser, Leute.

Michaela Boland:   

Gäbe es für euch eigentlich eine berufliche Perspektive, falls es mit der Musikkarriere nicht in gewünschter Weise liefe?

Oliver, David.                    

Rennfahrer, Astronaut.

David:                                   

Es gibt bestimmt Sachen, über die man schon mal nachgedacht hat. Doch eigentlich will man darüber gar nicht nachdenken. Wir werden auf jeden Fall alles probieren.

Oliver:                                   

Es gibt ja kein Rezept, aber, wir versuchen es zu finden (lacht).

Michaela Boland:   

Ihr wart vor Kurzem im ZDF-Morgenmagazin mit Cherno Jobatey und Dunja Hayali zu sehen. Macht sich so ein TV-Auftritt sogleich spürbar bemerkbar?

David:                                   

Auf jeden Fall. Man sieht es beispielsweise sofort bei den Facebook-Likes.

Oliver:                                   

Auch Freunde und Bekannte sprechen einen sehr schnell darauf an.

Michaela Boland:   

Was steht als nächstes an?

David:                                   

Jetzt steht zuerst mal ein Benefitzkonzert in Essen an. Für so etwas setzen wir uns nämlich auch gerne ein.

Michaela Boland:   

Für eure Zukunft in jeder Hinsicht die allerbesten Wünsche und vielen Dank für dieses Interview.

Infos unter:

 

www.phrasement.de


www.facebook.com/phrasement

 

Michaela Boland ist Journalistin und TV-Moderatorin. Bekannt wurde sie als Gastgeberin der Sommer-Unterhaltungsshow „HOLLYMÜND“ des Westdeutschen Rundfunks Köln. Seit 1988 schrieb sie für die Rheinische Post, unterschiedliche Publikationen der WAZ-Gruppe Essen, Bayer direkt und Kommunalpolitische Blätter.

Außerdem präsentierte sie die ARD-Vorabendshow „STUDIO EINS“ und arbeitete als On-Reporterin für das Regionalmagazin „Guten Abend RTL“. Auf 3-Sat, dem internationalen Kulturprogramm von ARD, ZDF, ORF und SRG, moderierte sie die Kulturtalkshow „Doppelkopf“, sowie für TV NRW, die Casino

Show „Casinolife“ aus Dortmund-Hohensyburg. Michaela Boland arbeitet auch als Veranstaltungsmoderatorin und Synchron- sowie Hörspielsprecherin.

Infos unter: www.michaela-boland.de

Für die Gesellschaft Freunde der Künste moderiert sie den Kaiserswerther Kunstpreis sowie alle grossen Kulturveranstaltungen der Gesellschaft.

Seit Mitte 2009 ist sie verantwortlich für die Ressorts:

Exklusivinterview und Porträt des Monats

© Michaela Boland und Gesellschaft Freunde der Künste

 

Nachrichten, Stories, Meinungen und Unterhaltung

Freunde der Künste,
das Sprachrohr der Kreativwirtschaft

 

 

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25.01.2014 Dieter Falk: "Musik muss anstecken."

GFDK - Michaela Boland

Erster Teil des Exklusiv Interviews von Michaela Boland mit Dieter Falk  für die Freunde der Künste - Als Produzent von PUR feierte er Millionenerfolge. Auch wenn er sich eher als Mann im Hintergrund versteht, verhalf er Künstlern wie Monrose, Jennifer Rush, Howard Carpendale, Gitte Haenning, DJ Ötzi, Pe Werner, Paul Young, Karel Gott, Katja Ebstein oder Marshall & Alexander mit Hits zum Triumph.

Seit der Pro 7- Casting-Produktion "Popstars" im Jahre 2006 ist er auch einem breiten Fernsehpublikum bekannt, denn dort fungierte er neben Nina Hagen und  Detlef D! Soost als Jury-Mitglied. Der Absolvent der Musikhochschule Köln, der im Rahmen des Projekts "Falk & Sons" mit seinen beiden Söhnen, Max und Paul, nach dem Debüt-Album "Celebrate Bach" nun mit "Toccata" schon die zweite Familien-Scheibe herausgebracht hat, hat seit diesem Wintersemester sogar eine Professur an der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf inne.

Dort will er dazu beitragen, die Nordrhein-Westfälische Regierungsmetropole als Medienstadt auch musikalisch weiter voran zu bringen. In seinem schönen Familienanwesen im Düsseldorfer Süden treffe ich den sympathischen Passions-Musiker, der im Gegensatz zu vielen anderen Showgrößen, die dies als "unsexy" empfinden, keinen Hehl aus seinem christlichen Glauben macht.

MICHAELA BOLAND TRIFFT DIETER FALK

Michaela Boland: Seit wann lebst du mit deiner Familie hier?

Dieter Falk: Wir waren lange im Schwabenland. Hierher sind wir wieder zurückgekehrt, weil meine Frau Düsseldorferin ist.

Michaela Boland: Dann warst du ein Wahl-Schwabe?

Dieter Falk: Ja, allerdings wirklich nur "nei g`schmeckt", denn ich komme ursprünglich aus dem Siegerland. Ins Schwabenland bin ich eigentlich schon während des Studiums gekommen. Ich habe ja in Köln Musik studiert, dann ging es nach Schwaben, doch wir sind wieder hier aufgeschlagen, bevor unsere Söhne Gefahr liefen, irgendwelche schwäbischen Slangs aufzugreifen.

Michaela  Boland: Im Schwabenland kann man es sich doch durchaus gut gehen lassen.

Dieter Falk: Ach, das war auch schön. Das Schwabenland ist viel besser als sein Ruf. Wir haben ja wirklich lange dort gelebt. Insgesamt über 20 Jahre. Als wir gerade frisch verheiratet waren, zogen wir hin. Das war 1985. Dann sind wir bis 2006 dort geblieben. Dieses Haus hier in Düsseldorf hatte ich schon für meine Schwiegereltern gekauft und dann sind wir hier hinein gezogen und haben ein bisschen um- und angebaut. Anfänglich hatte ich mein Studio ja in Köln, im belgischen Viertel.

Michaela Boland: Von Köln nach Düsseldorf gesiedelt, also ein Verräter?

Dieter Falk: Das mit Köln und Düsseldorf ist alles Schnack. Als unsere Kinder allerdings ein bisschen größer wurden, bin ich aus dem Kölner Studio raus gegangen und wollte mein Studio hier im Haus einrichten, damit die Kinder ein wenig von dem mitbekommen, was ich mache und umgekehrt. Mitten in Düsseldorf habe ich noch ein etwas größeres Studio mit einem Partner zusammen, doch meistens arbeite ich hier. Hier komponiere ich, hier nehme ich auf, ich habe hier auch Aufnahmekabinen. Das ist ganz o.k., man kann hier ganz entspannt arbeiten. Man läuft von hier aus auch nur fünf Minuten bis zum Rhein.

Michaela Boland: Gehst du dort  joggen?

Dieter Falk: Ja.

Michaela Boland: Täglich?

Dieter Falk: Nein, alle zwei Tage.

Michaela Boland: Weihnachten steht unmittelbar vor der Tür. Hast du schon alles beisammen?

Dieter Falk: Nein, noch gar nichts. Das liegt aber daran, dass meine Mutter vor zwei Wochen verstorben ist.

Michaela Boland: Herzliches Beileid.

Dieter Falk: Dankeschön. Dadurch ist natürlich der ganze Ablauf ins Stocken geraten. Normalerweise machen wir nämlich in jedem Jahr Weihnachtskärtchen mit Familienfotos und verschicken diese dann. Also, so richtig klassisch, wie die Amis. Jetzt sind wir allerdings zu gar nichts gekommen. Ich musste den Haushalt auflösen und damit ist viel Arbeit verbunden.

Michaela Boland: Kam es überraschend oder war es absehbar?

Dieter Falk: Es war absehbar. Sie war auch recht betagt. Außerdem spielen meine Kinder und ich gerade an jedem Wochenende Konzerte. Morgen geht es zur Kanzlerin nach Berlin. Wir spielen auf deren Weihnachtsfeier. Wir sind also zur Zeit nur auf Jück und deswegen haben wir noch nichts gekauft. Ich muss außerdem im Moment auch noch den Haushalt machen, da meine Frau nach einem Eingriff am Auge etwas lädiert ist und sich nicht groß bewegen darf. Das heißt, ich bin jetzt auch noch Hausmann und das alles kurz vor Weihnachten. Mit anderen Worten: Ich bzw. wir haben noch gar nichts. Wir werden das noch endspurtmäßig machen. Aber, die Kinder sind alt genug.

Michaela Boland Wie alt sind Eure Söhne?

Dieter Falk: 17 und 19 Jahre alt. Max, unser Schlagzeuger und unser Großer, studiert Medizin. Und der Kleine, Paul, hat noch zwei Jahre bis zum Abi.

Michaela Boland: Studiert Max in Düsseldorf oder Köln?

Dieter Falk: Er studiert hier in Düsseldorf. Die Jungs wissen auch schon, was sie bekommen. Das hat alles etwas mit Musik zu tun. Deswegen gibt es eigentlich keine große Überraschung mehr.

Michaela Boland: Wie wird bei euch üblicherweise Weihnachten gefeiert?

Dieter Falk: Heilig Abend sind wir es erst mal nur zu viert. Am ersten Weihnachtsfeiertag gibt es dann Gans. Ich hatte in der letzten Woche noch eine Fernsehshow zusammen mit TV-Koch Nelson Müller und er kochte gerade Gans mit einer Sauce, die war ein derartiger Knaller, da habe ich mir gleich noch ein paar Tipps geholt.

Ich koche nämlich ganz gerne und so wird es das eben am ersten Feiertag geben. Da haben wir dann auch ein wenig Familie da und am zweiten Weihnachtsfeiertag haben wir dann die große Family bei uns. Und dann verschwinden wir vielleicht, aber das wissen wir noch nicht genau. Weihnachten läuft bei uns jedenfalls immer ganz traditionell mit Weihnachtsbaum und dem Weihnachtsoratorium von Bach im Hintergrund.

Michaela Boland: Wenn man deinen musikalischen Werdegang betrachtet, stellt man schnell fest, dass dieser recht kirchlich orientiert ist. Welche Rolle spielen Kirche und Glaube heute noch für dich?

Dieter Falk: Der ist sogar ziemlich kirchlich orientiert, was daran liegt, dass ich musikalisch in der Kirche sozialisiert wurde.

Michaela Boland: Inwiefern?

Dieter Falk: In der Kirche, aus der ich komme, haben mein Bruder und ich einen Gospelchor mit 50 Teenagern gegründet und "Oh happy day" geschmettert. Parallel dazu haben wir im gemischten Kirchenchor meiner Mutter gesungen, die Chorleiterin war. Da gab es eben das Weihnachtsoratorium, die Matthäus-Passion und was es sonst noch so alles gibt. Insofern haben Musik und Kirche bei mir schon immer so eine Art Parallel-Gang genommen.

Ich habe dann selbst an der Orgel auch Kirchenmusik gespielt. Und dann kam ich als Produzent so ein bisschen in die Gospelszene hinein. Ich glaube, ich habe über hundert Gospelplatten gemacht. Von Gospel wie man ihn so kennt bis hin zu Rockbands mit christlichen Texten. Für Edwin Hawkins, den Oh-happy-day-Komponisten, habe ich Klavier gespielt oder auch für Amy Grant, die ja ebenfalls ein Star in der Gospelszene ist.

Michaela Boland: Die erfolgreiche Amy Grant wird als Contemporary Christian-Musikerin beschrieben. Kannst du erläutern, was darunter konkret zu verstehen ist?

Dieter Falk: Contemporary Christian Music ist in Amerika ein riesiger Markt. Amy Grant hat da Millionen von Platten verkauft. Oder Petra, das war eine Heavy -Band. In Amerika gibt es eine riesige Szene mit Musik, so wie du sie im Radio hörst, aber die Texte sind eben christlich oder kirchlich. Genauso bin ich eigentlich groß geworden.

Da habe ich auch einen Haufen Musiker kennengelernt, die ebenfalls Christen waren und sich auch nicht davor  gescheut haben, das zu sagen. In Deutschland ist das immer so eine Parallelgesellschaft.

Es gibt eine Menge Leute in der Medienbranche, die ursprünglich auch mal im CVJM groß geworden sind oder in der Kirche, aber lieber ihre Schnauze halten, weil sie es als sehr unsexy empfinden zu sagen, dass sie gläubig sind.

Das finde ich manchmal ein bisschen schade. Nun bin ich, und das muss ich ganz klar sagen, weit davon entfernt, irgendein Holzhammer-Missionar zu sein. Ich bin in der Kirche groß geworden, empfand das auch als natürlich und schön. Allerdings habe ich auch meine ganz starken Anfragen an die amerikanische Frömmigkeit und an dieses Halleluja-Getue.

Charismatisch und diese Fernsehgottesdienste, wie man sie manchmal im Privatfernsehen sieht, sind natürlich wirklich fürchterlich und das ist auch nicht meine Welt. Aber die Musik, die in Amerika von Schwarzen und Weißen in Kirchen gemacht wurde, hat mich natürlich immer schon unfassbar stark berührt.

Michaela Boland: Gab es einen ganz bestimmten Auslöser für dich, der deine Entscheidung, Berufsmusiker zu werden, perfekt gemacht hat?

Dieter Falk: Mein Kick oder mein entscheidender Moment hierfür war, als ich mit Edwin Hawkins gespielt habe. Ich war der einzige Weiße in der Band und habe dort Klavier gespielt mit dem Erfinder von "Oh happy day". Das war natürlich für mich wie so ein Virus. Die schwarze Musik aufzusaugen, Soul und Gospel. Das hat natürlich auch viel mit Kirche zu tun. Wenn eine Beyonce oder Mariah Carey sich für den Grammy bedanken und danach immer sagen, "und vielen Dank an den lieben Gott", dann ist das auf der einen Seite eine Floskel, auf der anderen Seite hat es aber auch damit zu tun, dass sie wirklich in der Kirche groß geworden sind.

Die kommen alle aus Gospelchören, daher war es für sie immer ganz natürlich und normal. Im Vergleich dazu hat Deutschland manchmal ein bisschen ambivalentes Verhältnis zu Frömmigkeit und Musik in der Kirche. Ich habe da nie einen Hehl daraus gemacht. Selbst im Finale von Popstars habe ich eine Funkversion  von "Nun danket alle Gott", einem Choral, gespielt, ebenso bei Stefan Raab. Für mich war der Spagat nämlich auch interessant.

Michaela Boland: Hat dir dein öffentliches Bekenntnis zu Kirche und Glaube im Laufe deiner Karriere jemals zum Nachteil gereicht? In dem Sinne, dass jemand gesagt hätte, das sei uncool?

Dieter Falk: Ach, nein. Wenn du mich darauf ansprichst, dann sage ich das ja auch. Ich werde jetzt zwar nicht ungefragt herum posaunen, dass ich hin und wieder in die Kirche gehe. Ich bin auch kein ständiger Kirchgänger. Dazu spielen wir noch zu oft an Wochenenden Konzerte, häufig auch in Kirchen wegen unseres Bach-Repertoires. Doch ich habe keinen Nachteil dadurch gehabt habe, weil ich mich hin und wieder mal als gläubiger Christ geoutet habe.

Ich habe wahrlich keinen Heiligenschein über mir. Aber ich denke, dass der christliche Glaube auch im Leben hilfreich sein kann. Ich erinnere mich sehr gerne an tolle Diskussionen beispielsweise während "Popstars" mit Senna (Anm. d. Red.: Staffel-Gewinnerin und Sängerin der aus der Castingshow hervorgegangenen Girlsgroup "Monrose"), die ja bekennende Muslimin ist. Bahar auch so halbwegs. (Anm. d. Red.: Bahar war ebenfalls Mitglied der Girlsgroup "Monrose") Für mich war das nie ein Thema, so haben wir beispielsweise auch zusammen gebetet. Sie als Muslimin, ich als Christ.

Michaela Boland: Mit Bahar oder mit Senna?

Dieter Falk: Mit beiden. Bahar hat auch die Hauptrolle in einem christlichen Musical gehabt, das ich geschrieben habe.

Michaela Boland: Welcher Gedanke steckte dahinter?

Dieter Falk: Das sind einfach Dinge, bei denen ich versuchen möchte, den Bogen zu erweitern. Wenn die Kirche in Deutschland etwas braucht, und ich rede jetzt von beiden Kirchen, dann ist es frischer Wind. Wir versuchen das durch die Musik zu machen. Deswegen ist für mich Glaube, Musik und Kreativität ganz eng beieinander.

Michaela Boland: Inwieweit kritisierst und verurteilst du solche Vorkommnisse wie jüngst im Fall Limburg mit Franz-Peter Tebartz-van Elst?

Dieter Falk: Wer das nicht verurteilt, ist ziemlich bescheuert. Mich macht es eher traurig. Natürlich gibt es, wie überall, in beiden großen Kirchen auch nur Menschen. Solche, die Fehler machen, die falsche Entscheidungen treffen oder maßlos sind. Es ist genau wie im normalen Geschäftsleben oder wie im Privatleben. Man soll nicht annehmen, dass nur, weil es um Kirche und um Gott geht, da nicht auch menschliche Fehler begangen würden.

Mich stimmt es aber deshalb traurig, weil es die gute Arbeit von Kirche im Alltag manchmal in den Schatten stellt. Das finde ich schade, denn es gibt landauf und landab wirklich super Pastoren und Pfarrer, über die nie geredet wird. Nur, wenn einer plötzlich mal zugegebenermaßen Mist baut, dann wird der von den Medien so in den Fokus gerückt, dass man das viele Gute, was die Kirche tut, auch schön unter den Teppich kehrt.

Michaela Boland: Reihenweise Austritte in der katholischen Kirche vorprogrammiert?

Dieter Falk: Nicht nur innerhalb der katholischen Kirche. Witzigerweise hat Tebartz-van Elst auch der evangelischen Kirche viele Austritte beschert. Weil Otto Normalbürger einfach sagt, "Ja, das ist Kirche", also pauschal Kirche.

Michaela Boland: Es wird insoweit deiner Meinung nach also keine Differenzierung mehr vorgenommen?

Dieter Falk: Wer da woher kam? Nein. Aber, ich glaube, das einzige, was man dagegen tun kann, ist, dass man positive Signale für die Kirche setzt. Zusammen mit Michael Kunze mache ich das, indem wir mittlerweile schon das dritte Musical über biblische Stoffe schreiben. Michael Kunze hatte ja als Musicalkomponist die größten Erfolge in Deutschland, auch weltweit. Er ist ja die Nummer Eins im Musicalbereich. Er hat die deutschen Texte gemacht für Elisabeth, Mamma Mia, Phantom der Oper oder König der Löwen.

Michaela Boland: Ich las, dass ihr gemeinsam zum einen das Musical "Die 10 Gebote", zum anderen "Moses" gemacht habt. Spielte bei Moses auch ein ganz kleines bisschen der gute alte Charlton Heston-Film eine Rolle?

Dieter Falk: Ja, klar. Mit dem bin ich groß geworden. Ich bin Baujahr 1959 und habe den Film in den 60ern als Kind natürlich immer gesehen. Das war so der Klassiker, ein alter Blockbuster. Natürlich war er sehr schwülstig, aber das war sicherlich ein Thema.

Michaela Boland: Was wird es im Bereich Musical jetzt Neues von Michael Kunze und Dir geben?

Dieter Falk: Jetzt fangen wir an mit "Luther". Luther ist natürlich eine wichtige historische und theologische Figur. In ein paar Jahren gibt es ein großes Luther-Jubiläum. Wir tun das, weil wir wissen, dass wir ein dankbares Publikum dafür haben.

Die freuen sich, wenn man eben auch in der Kirche Entertainment praktiziert, das heißt, dass man einfach auch Leute mit Themen unterhält, die spannend,  gut und wichtig sind. Das zusammenzubringen ist ein Versuch, der schon bei den beiden ersten  Musicals sehr gut geklappt hat. Dass man Kirche vielleicht auch mal in ein anderes Licht stellt.

Michaela Boland: Ist dir das ein persönliches wichtiges Anliegen?

Dieter Falk: Ja, sicherlich. Es ist natürlich nicht der einzige Grund, aber es ist mir vor allem gerade deshalb ein wichtiges Anliegen, weil ich aus der Kirche komme. Es ist ja immer auch schön, wenn man da mal positive Nachrichten schreibt.

Michaela Boland: Ist Konfession für dich ein wichtiger Punkt? Du hast ein evangelisches Gymnasium besucht.

Dieter Falk: Das war Zufall. Konfession spielt eigentlich keine Rolle. Gut, ich gehe öfter in die evangelische Kirche, aber ich gehe auch sehr gerne in katholische Kirchen, wenn ich irgendwo in der Großstadt bin. Manchmal setze ich mich auch einfach mal eine halbe Stunde irgendwo in den Dom hinein oder irgendwo in eine Kirche.

Da sind die katholischen Kirchen häufig besser dran, weil die einfach immer offen sind. Die evangelischen zunehmend nicht mehr, was ich schade finde. Einfach mal runter kommen, das kann man ganz gut in Kirchen. Ich habe viele Freunde in der katholischen Kirche, kenne auch viele Leute in der jüdischen Gemeinschaft und viele Muslime. Für mich ist das ein Teil meiner Kultur. Musiker oder Schauspieler sind da vielleicht auch eher Brückenbauer zwischen Konfessionen und so sehe ich mich.

Michaela Boland: Lässt sich in der Rückschau sagen, dass die evangelische Schulerziehung grundlegend anders war als vergleichsweise die katholische Erziehung?

Dieter Falk: Die evangelische Kirche war zwar Träger meines Gymnasiums, aber es war ja keine christliche Erkenntnisschule in dem Sinne, dass man jeden Morgen zum Beten gezwungen wurde, was ich auch nicht gut finde. Wenn so etwas jedoch aus freiem Willen heraus passiert, dann finde ich das durchaus gut. Aber bei uns war die schulische Erziehung  nicht explizit kirchlich oder evangelisch. Es war ein ganz normales, eigentlich humanistisch geprägtes, Gymnasium. Sicherlich ist dort der Religionsunterricht ein wenig anders behandelt worden als an anderen Schulen. Das mag schon sein.

Michaela Boland: Deine Mutter war, wie du sagtest, Chorleiterin. Hatte dein Vater auch einen musikalischen Hintergrund?

Dieter Falk: Er hat immer nur Mundharmonika gespielt. Er kam aus Ostpreußen vom Lande und hat nie großartig Musikunterricht gehabt. Er hat allerdings in Chören gesungen und verfügte auch über eine ganz gute Tenorstimme. Ich erinnere mich daran, dass wir als Kinder an Weihnachten immer diese blöden Blockflöten spielen mussten, während meine Mutter am Klavier saß und mein Vater dazu Mundharmonika spielte.

Michaela Boland: Klingt nach schöner Weihnachtsatmosphäre.

Dieter Falk: Manchmal war es skurril (lacht). Später haben wir Kinder dann Klavier gespielt. Mein Bruder ist auch sehr musikalisch. Er arbeitet heute als Musikredakteur beim SWR. Mein Vater war immer der, der mir als jüngerem Sohn ermöglicht hat, die gleichen Chancen zu bekommen wie mein Bruder. So hat er mir beispielsweise ein Zweitinstrument ermöglicht.

Ich lernte dann Geige zu spielen. Auch hat er als Schreiner mit eigener Schreinerei immer gesagt, "selbst wenn du später beruflich nicht in unsere Fußstapfen trittst, wir unterstützen das". Eigentlich kann man sagen, dass mein Vater als bodenständiger Handwerker meine künstlerische Laufbahn am meisten unterstützt hat.

Michaela Boland:  Ist deine eigene Familie zwangsläufig durch deine Arbeit mit involviert gewesen?

Dieter Falk: Meine Frau und ich sind ja schon seit 29 Jahren zusammen und ewig verheiratet. Silber-Hochzeit hatten wir schon. So hat meine Frau diese Branche natürlich auch mit kennengelernt. Inklusive der ganzen Künstler, die ich produziert habe. Die Kinder sind da ebenso naturgemäß mit hineingewachsen. Bei uns zu Hause gingen immer irgendwelche Künstler ein und aus und haben bei uns zu Mittag oder zu Abend gegessen. Und da lernt man viele Musiker oder Schauspieler kennen.

So wurden unsere Kinder eigentlich automatisch in dieses Zirkusleben mit hineingeführt und empfanden das auch als spannend. Ich nehme an, mein jüngerer Sohn, Paul, wird auch dort landen. Er schauspielert schon jetzt recht viel und schreibt seine eigenen Songs. Aber, dass unser Älterer, Max, Medizin studiert, finden wir eigentlich gut. Vor allem deshalb, weil ich ein Hypochonder bin und es ist immer gut, einen Arzt in der Familie zu haben (lacht)

Michaela Boland: In welchem Alter hast Du begonnen, Instrumente zu erlernen?

Dieter Falk: Mit sechs habe ich Blockflöte gelernt, um die Noten kennenzulernen. Mit sieben fing ich mit Klavier an. Als ich elf Jahre alt war, begann ich mit der Geige, weil die Hand da einfach schon ein bisschen größer war. Saxophon habe ich dann viel später während des Musik-Studiums erlernt. Ich denke, dass Klavierunterricht so ab sechs, sieben oder acht Jahren Sinn macht.

Trotzdem kenne ich viele, die erst im Erwachsenenalter mit dem Unterricht beginnen. Die sagen sich dann, "ich habe jetzt meinen Job, aber ich habe jetzt noch mal Bock auf Musik". Viele sind dann Mitte 30, auch Anfang 40 oder sogar Mitte 50, kaufen sich dann ein Klavier und fangen an. Das finde ich klasse. Ich habe auch selbst Musikschulen für Popmusik geschrieben.

Michaela Boland: Während deines Studiums an der Musikhochschule in Köln hast du die Fächer Schulmusik und Kirchenmusik belegt. Wohin genau sollte dein Weg mit dieser Kombination führen?

Dieter Falk: Ich fand damals, dass Schulmusik mir die beste Ausbildung bot, weil sie sehr breitbandig war. Ich bekam Gesangsstory-Unterricht,  im Hauptfach Klavier, im Nebenfach Saxophon, dann vor allen Dingen Chor, Orchesterdirigat, Harmonielehre, -theorie, Gehörbildung und Musiksoziologie. Das fand ich alles super. Vor allem hatte ich einen phantastischen Prof. Alfons Silbermann, ein absoluter Crack. Diese Vorlesung werde ich nie vergessen.

Es ging um die Frage, was bewirkt Musik? Beispielsweise in der Werbung. Da war Silbermann ein wunderbarer Professor und eine absolute Koryphäe. Insgesamt war die Ausbildung an der Musikhochschule Köln wirklich sensationell. Zunächst rein klassisch. Zwei Jahre später hatten sie dann angefangen, dort auch Jazz zu etablieren. Jiggs Whigham, der Soloposaunist der WDR Big Band, war der Chef und hat dann als erster Professor Jazz in Köln unterrichtet. Dann habe ich das parallel belegt, hatte Jazz-Unterricht, was ich als den absoluten Knaller empfand. Schulmusik habe ich dann auch fertig gemacht.

Kirchenmusik habe ich parallel durchgezogen, aber habe mir mein Studium eigentlich schon finanziert, indem ich Pianist von Katja Ebstein und Gitte war, weil ich kein BaföG bekam. Also, ich war zu dieser Zeit ständig auf Jück. Doch meine Professoren waren sehr kulant, weil sie wussten, dass ich nicht irgendwann in der Schule landen, sondern schon eher der Exot werden würde. Jazz konnte ich aber nicht mehr zu Ende bringen, weil ich da schon einen Job bei einer Plattenfirma erhalten hatte.

Michaela Boland: War das zufällig bei der EMI?

Dieter Falk: Nein, bei einem ganz kleinen christlichen Gospellabel in Süddeutschland. Deshalb sind wir eben nach Stuttgart gezogen.

Michaela Boland: Für Katja Ebstein und Gitte Haenning warst du auch als Produzent tätig.

Dieter Falk: Später ja, aber anfangs war ich der Pianist und ich war meist der jüngste in der Band. Katja ist wirklich eine Freundin unserer Familie. Sie kennt unsere Kinder noch als Babys. Sie war ganz oft bei uns. Doch ich habe sie erst später produziert. Zunächst war ich ihr junger, damals noch blond gelockter Pianist. Das war zu der Zeit ihres ganz großen Hits "Theater", während meines Studiums.

Michaela Boland: Wie kam der Wechsel von der Kirchenmusik zum Schlager zustande?

Dieter Falk: Das lief zunächst parallel. Aber, ich muss auch sagen, dass ich mit kirchlicher Musik  irgendwann aufgehört habe, weil ich nicht davon leben konnte. Ich habe auch irgendwann mit dieser Gospelproduktion aufgehört. Als Pianist bin ich in der Schlagerszene gut gebucht gewesen und habe als Sessionmusiker in der normalen Musikszene, also als Studiomusiker eben für alle, Tod und Teufel, Klavier und Keyboard gespielt. Im Studio gab es das damals noch:

Du hattest eine Vier-Mann-Band, die wurde gebucht und hinten saß der Produzent, der ich dann später auch mal wurde. Aber anfänglich war ich nur Session- und Studiomusiker für alle möglichen Leute und habe halt da geklimpert. Das war dann schon zu der Zeit, als ich in der Gospelmusikszene  ein bisschen weniger gemacht habe und als die ersten Leute auf mich zukamen.

Später gab es dann auch schon die ersten Erfolge mit Pe Werner, "Kribbeln im Bauch" und danach vor allem auch mit Pur. Schließlich kam es dazu, dass ich für die Leute, für die ich zuerst gespielt hatte, dann auch produziert habe.

Michaela Boland. Du bist Produzent, Arrangeur und gleichzeitig Komponist. Was davon bist du denn in erster Linie?

Dieter Falk: Eigentlich bin ich noch so ein wenig old school, der alles auch mal gelernt hat. Also auch Partitur zu schreiben.

Michaela Boland: Viele Musikwissenschaftler beschäftigen sich auch mit Mensuralnotation. Musstest du das als Absolvent der Musikhochschule auch beherrschen?

Dieter Falk: Ich weiß, was es ist, aber, ich notiere eigentlich Noten schon ganz klassisch. Mensur ist eine ganz eigene Bezeichnung, die eigentlich in der Popmusik nicht so stattfindet. Ich habe, wie du ja weißt, klassisch studiert und  das, was ich im Kopf hatte, immer alles notiert. Oft ist es ja heute in der Popmusik so, dass du die Sachen in den Macintosh, in die Programme hinein haust.

Ich schreibe es immer noch auf, weil ich es auch gut finde, wenn ich etwas vor mir habe und das für alle Zeiten gesichert ist. Deswegen siehst du hier auch überall diese Ikea-Papp-Kartons, wo dann die Nino de Angelos dieser Welt oder Daliah Lavi notenmäßig vertreten sind. Da sind die Noten aus den 35 Jahren meiner Berufstätigkeit alle immer noch vorhanden. Mein Verlauf war eigentlich zuerst Studiomusiker, dann Arrangeur und daraus wurde dann der Produzent.

Du kommst dann nämlich in mehr Verantwortung hinein. Heute bin ich, wenn ich produziere, manchmal alles: Arrangeur, Komponist und Produzent. Manchmal aber eben auch nur Produzent , wenn ich eine Band produziere und ihr dann hin und wieder ein paar Tipps gebe, wie sie ihre Lieder vielleicht ein bisschen besser arrangieren kann. Und wenn wir mal einen Streicher brauchen, dann setze ich mich eben hin und schreibe die Streicher-Arrangements.

Michaela Boland: Spielst du heute auch noch ab und zu Geige?

Dieter Falk: Nein, das habe ich gesteckt. Da war ich auch nicht gut genug. Aber, es war nicht schlecht, einfach mal fünf Jahre Geige gespielt zu haben, um zu wissen, was man machen muss, wenn man manchmal Streicher arrangiert.

Michaela Boland: Ist man ein besserer Produzent, wenn  man so wie du, alles von der Pike auf gelernt hat?

Dieter Falk: Besser? Das weiß ich nicht. Es gibt phantastische Produzenten, die nicht diese klassische Laufbahn wie ich genommen haben. Es ist mir eine Hilfe und ich weiß, dass viele andere, auch große Namen wie David Foster in Amerika, der ja die ganzen großen Erfolge von Chicago bis Buble mit zu verantworten hat, auch so klassisch groß geworden sind. Foster war für mich immer ein Vorbild. Er war auch Keyborder, Arrangeur, Produzent, Komponist. Jetzt ist er ein großer Boss in der Plattenindustrie.

Ich finde das hilfreich, weil ich mich gut in ein Orchester hineinversetzen kann, wenn ich es produziere. Wenn ich zum Beispiel mit dem Babelsberger Filmorchester arbeite, weiß ich genau, was die teilweise zu leiden haben, wenn sie manche Sachen spielen müssen.

Aber, wenn ich sie selbst schreibe, dann achte ich darauf, dass das auch spielbare Sachen sind und dass es auch Spaß macht, sie zu spielen. Denn ich will ja, dass alle Beteiligten, mit denen ich zusammenarbeite, auch ihren Spaß haben. Umso besser spielen sie und umso besser wird letztendlich das Produkt. Insofern ist es schon hilfreich zu wissen, was man produziert, was man komponiert und  was man arrangiert.

Michaela Boland: War es für dich von jeher absehbar, dass es einmal in Richtung Produzent gehen würde oder kam eins zum anderen?

Dieter Falk: Das hat sich homogen entwickelt. Es war schon mein Wunsch ab 18, 19 oder 20 Jahren. Heute, nach so vielen Jahren in der Musikbranche ist das nicht mehr mein Fokus. Ich produziere nur noch ganz wenig. Vor allen Dingen für gute Freunde, weil die Branche natürlich auch eine extreme Abwärtstendenz erfahren hat. Die Musikbranche generell. Die Umsätze sind stark zurück gegangen. Goldene Platten bekommt man nicht mehr so häufig wie früher und wenn, nur noch für wesentlich weniger verkaufte CDs als noch vor fünf sechs oder zehn Jahren.

Michaela Boland: Lieber Dieter, vielen Dank für dieses ausführliche Gespräch und viel Erfolg auch weiterhin für die Zukunft.

PS: Der zweite Teil des Interviews erscheint morgen.

Infos unter: www.falk-music.de/falk_fr.htm

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27.12.2013 Sie faucht, er flirrt, es dröhnt

GFDK - Gottfried Böhmer

Liebe Leser, die Freunde der Künste wollen Euch nach Flora P., Kat Edmonson, Anna Alina, Tanja Selzer, Cäthe, Elif Demirezer, Lana Del Rey, Leslie Clio, Valentine, Nina Bradelin, Barbara Petzold, Anna Witt, Nina Nolte, Anna Pusica und vielen anderen Künstlerinnen nun Antonia Dering und das Bandprojekt Bartomuk vorstellen.

Die 24-jährige in München geborene Antonia Dering ist ein kleines Multitalent. Schon in jungen Jahren nahm sie Klavier und Gesangsunterricht, tanzte sich die Seele aus dem Leib und erprobte ihr Schauspieltalent in verschiedenen Schauspieljugendgruppen.

Bartomuk, das sind Antonia Dering, Julia Kellner und Leonhard Kuhn

Nach ihrem Abitur war sie 6 Monate in Bogamoyo, Tansania auf dem College of Art, wo sie verschiedene Tanz und Trommelkurse absolvierte und Kiswahili erlernte. Kiswahili ist eine Bantussprache und die am meisten verbreitete Sprache in Ostafrika. Kiswahilil, auch Swahili geschrieben wird von mehr als 80 Millionen Menschen gesprochen und ist Amtssprache in Tansania.

Im Juli 2012 machte Antonia Dering ihr künstlerisches und pädagogisches Diplom im Fach Jazz-Gesang an der Hochschule für Musik und Theater in München. Seit Herbst 2013 studiert das junge Allroundtalent zudem noch Jazz-Kontrabass auf Bachelor am Konservatorium der Privatuniversität in Wien.

Bass spielt Antonia Dering nun schon seit zwei Jahren. In der Vergangenheit arbeitete sie in verschiedenen Formationen: Einem Jazz-Duo namens Ladybird, einem Vocal-Trio genannt "The Twitter Sisters and Band", in der sie mit Carlotta Dering und Pia Hinze auftritt. Bis vor kurzem spielte sie auch noch in der Max-Manouche-Band, in der sie Stücke von Django Reinhard spielte. Die Hauptband von Antonia Dering ist das experimentierfreudige Jazz-Rock-Minimal-Trio Bartomuk, mit denen sie auch ihr Diplomkonzert absolvierte.

Bartomuk ist eine Liebeserkärung an die Musik

Die Band Bartomuk macht die junge Künstlerin, mit ihrem vielfältigen Anspruch besonders glücklich, da sie dort sowohl ihren Gesang, Kontrabass, das Schauspiel und ihre Tanzleidenschaft verbinden kann.

2014 soll es aber erst richtig losgehen. Antonia Dering (Gesang/Bass), Julia Kellner (Baritonsax, Bassklarinette) und Leonhard Kuhn (Gitarre/Effekte) lassen es dann richtig krachen. Sie verbinden sich in herrlich kleinkarierten minimal, donnernden und wütend, drohenden Rock, sie projezieren farbenprächtige Musikcollagen an jede sich bietende Leinwand. So haben es die drei Künstler jedenfalls versprochen.

Das Münchener Kollektiv Bartomuk spielt nach der Devise: Wo endet Lärm, wo beginnen Klang und Harmonie?

Sie, so ihre Botschaft, vertonen den Moment und entlarven die ewig Frage "was macht Musik zur Musik?" als falsch gestellt. Antonia Dering, Julia Kellner und Leonard Kuhn sind der Meinung, dass Musik nicht bezwungen oder gebändigt werden kann. Musik erfordert aus ihrer Sicht auch den Blick von unten und Musik, so die Drei, ist mehr als ein Instrument zur Selbstdarstellung.

Sie erschöpfe sich nicht im Monströsitäteten-Kabinett der Solisten. Die drei Musiker sprechen der Musik ein längst überfälliges Dankeschön aus: "Danke, dass Du Dich so bereitwillig anpasst und dabei doch - ohne, dass wir es bemerken, uns veränderst".

Am 29. und 30. Januar 2014 geht es dann in Wien los. Dann heisst es:

Sie faucht, er flirrt, es dröhnt, sie wabbern wellenförmig vor sich hin, dann strahlt es wieder, krächzt und stöhnt. Wär´s nicht Musik, wär´s Widersinn.

Am 6. Februar sind die Drei dann in Einbeck, am 7. und 8. Februar dürfen sich die Berliner auf die Band freuen. Am 9. geht es weiter nach Hamburg und auch die Frankfurter kommen am 11. Februar in den musikalischen Genuss, bevor es am 13. Februar wieder in die Heimatstadt München geht. Am 15. Februar dürfen sich dann die Augsburger an den drei Künstlern erfreuen und am 25. Mai 2014 gibt es einen Auftritt in Straubing.

Die Gesellschaft Freunde der Künste wünschen diesem außergewöhnlichem Musikprojekt und ihren drei Protagonisten viel Erfolg und alles Gute für die Zukunft.

Gottfried Böhmer

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16.11.2013 Kanon heißt Richtschnur, Maßstab, Regel, Leitfaden.

GFDK - Stefanie Tendler

In der bildenden Kunst besagt der Begriff:“.. die Gesetzmäßigkeit der in den Maßverhältnissen all ihrer Teile ausgewogenen Gestalt..“ Inge Mahn ist Bildhauerin, langjährige, jetzt emeritierte Professorin von der Kunsthochschule Weißensee und neuerdings auch Direktorin des von ihr gegründeten Stallmuseums in Groß Fredenwalde (Uckermark), einem Ort für Landkultur und künstlerische Arbeit. Im November feiert sie ihren 70. Geburtstag. Die Emerson Gallery Berlin begeht das Ereignis mit einer besonderen Ausstellung.

S.T.: In der Ausstellung „Kanon“, die in der Emerson Gallery Berlin gezeigt wird verbinden Sie Werke aus vier Generationen ihres kreativen Schaffens, was möchten Sie mit der Ausstellung aussagen?

Es sind nicht vier Generationen geworden sondern eine neue Orientierung älterer Arbeiten.
Das "Mahnmal Mahnmahl", "Berge mit Fahnen" und "Blumenvase". In der Zusammenstellung bekommt die Emerson Gallery eine neue Installation. Die Plastiken korrespondieren mit dem Raum und entwickeln ein Eigenleben. Im Sinne des Kanons, einem Ordnungssystem, entstehen Harmonien. Was ich mit der Ausstellung ausdrücken will ist allerdings unwichtig, die Gegenstände sprechen auch nicht für sich, sie sind, Gegenstände, zum Glück still, wichtiger ist, was der Betrachter erfährt und denkt. Die Formen erinnern vielleicht an etwas Bekanntes, sprechen an.

Russell Radzinski: Emmet Williams hat diese Albernheit als kosmologischen Humor bezeichnet.

Inge Mahn: Diese Art künstlerischer Arbeit hat mit Humor zu tun, das stimmt, der bleibt allerdings auf dem Boden der Tatsachen, ist eher Realismus, der manchmal weh tut. Der Realismus zeigt nicht nur Stärken sondern auch Schwächen, Dummheiten.

S.T.: Wie wählen Sie die Gegenstände aus, die Sie für Ihre Arbeiten verwenden?

Ich wähle die Gegenstände nicht aus, weil sie da sind, für den jeweiligen Ort bestimmt.
Die Säulen zu "Mahnmal Mahnmal" z. B. waren im Raum vorhanden ich habe sie (auf übermenschliches Maß) verkürzt, hervorgehoben und durch Kopfbedeckungen gekennzeichnet und ihnen damit eine spezielle Bedeutung gegeben. In der Zeit 1978 als ich die Sache in Hamburg gebaut habe war Minimal Art angesagt, der ich damit natürlich widerspreche.

S.T.: Wie wichtig ist Ihnen der persönliche Bezug, die Zugänglichkeit zum Kunstwerk?

Inge Mahn: Mir ist es wichtig, dass man gleich einem naiven Betrachter um das Werk herumgehen kann, einen Eingang bzw. Zugang zum Werk findet und dass eine Brücke zwischen beiden geschlagen wird. Im Rahmen der Minimal Art, in der Kunst nichts aussagen wollte, entwickelte ich das Bewusstsein, dass es unmöglich ist, seine persönliche Wahrnehmung und Erfahrung auszublenden. Jeder Mensch versucht ganz automatisch einen Bezug herzustellen und diese Vorstellung habe ich weiter entwickelt.

Ich finde auch die Logik der Statik, Physik und Metaphysik unglaublich spannend. Es gibt eine wunderbare Stelle in der Bibel: "Einer trage des anderen Last, so werdet Ihr das Gesetz Christi erfüllen" Dabei handelt es sich aber nicht nur um ein religiöses oder gar moralisches Gesetz, sondern um ein physikalisches und auch philosophisches, das ich in einer meiner Arbeiten, mit zwei aneinander kippenden sich gegenseitig haltenden Stühlen, aufgegriffen habe.

S.T.: Bereits als sehr junge Künstlerin mit Anfang 30 bekamen sie die Gelegenheit bei der documenta 5, die als weltweit einflussreichste Ausstellung Moderner Kunst nach dem zweiten Weltkrieg gilt, mitzuwirken. Wie würden Sie diese Erfahrung rückblickend beschreiben? Mit welchem persönlichen Werk haben Sie zur documenta 5 beigetragen?

Inge Mahn: Ich hatte das Glück zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, denn die Hochschule in Düsseldorf genoss eine besondere Aufmerksamkeit in den 70er Jahren. Zu der Zeit war mein Arbeitsplatz im Flur der Akademie, die Plastiken waren also offensichtlich und waren nicht nur Anstoß zum Ärgernis.
Infolgedessen wurde die Staatsexamensarbeit (für Kunsterziehung) "Schulklasse", eine altmodische Schulklasse aus Gips zur documenta 5 eingeladen.

Dabei zu sein war eine gute Erfahrung, ich war noch sehr jung und die Vorbilder der Zeit wie z.B. Klaas Oldenburg waren freundliche und unkomplizierte Kollegen, "normal" im Gegensatz zu den Gegendemonstranten vor dem Fredericianum, die sich wie die "wahren" Künstler benahmen.Zu der Zeit habe ich  den Wert dieser Ausstellung für mich noch nicht ganz greifen können, was allerdings auch daran liegen mag, dass ich nicht besonders geschäftstüchtig bin, wenn es um die Vermarktung meiner eigenen Person geht. Für mich steht die Arbeit, das Handwerk im Vordergrund.

Kanon heißt Richtschnur, Maßstab, Regel, Leitfaden.

S.T.: Welchen persönlichen Bezug haben Sie zu New York?

Inge Mahn: Als ich 1981 mit dem PS1 Künstlerstipendium in New York ankam, bin ich eines Sonntags durch das Bankerviertel geschlendert, ohne wirklich viel Geld in der Tasche zu haben und dort auf Plastikeimer gestoßen, die ich mitnahm und mit ihnen quer durch die Stadt lief. Niemand schaute mich dabei seltsam oder irritiert an. Es war überhaupt kein Problem. In jeder anderen Stadt wie z.B. Düsseldorf hätte man komisch oder herablassend geguckt, nach dem Motto -- was macht die denn da mit den Plastikeimern -- aber hier war es schon fast eine Selbstverständlichkeit. 

Wenn ich an die Zeit zurück denke, habe ich überhaupt nur gute Erinnerungen an New York, auch wenn es meiner Meinung nach eher eine Stadt für Erwachsene ist, es gab auch manch einen, der unheimliche Probleme dort hatte, ich für meinen Teil habe mich stets sehr wohl gefühlt und jeden Tag genossen, an dem ich dort spazieren gehen konnte.

Später als ich bereits an der Hochschule doziert habe, bin ich regelmäßig in den Semesterferien zurückgekehrt, um hier zu arbeiten und hatte drei Ausstellungen in der Diane Brown Gallery. Die New York Times wurde zu dieser Zeit auch auf mich aufmerksam und hat einen Artikel über meine Arbeit veröffentlicht. New York war damals noch eine Stadt der Macher, für Leute, die anpackten und bereit waren zu arbeiten. Die Stadt stand für tolle Musik, tolles Theater und tolle Ausstellungen.

Russell Radzinski: Jetzt ist es eher eine Stadt für Leute die Arbeiten lassen.

Inge Mahn:  Ich hab sehr viele Künstler kennen gelernt, die nur um in New York zu sein, zahlreiche Jobs annahmen, gut dotierte Jobs hatten, um ihre Galerie bezahlen zu können, und dann Kunststudenten für sich arbeiten ließen. Für mich persönlich ist das „selber machen“, das leider einen Wertverlust erlitten hat, das Gefühl für einen Raum wie dieser funktioniert und was in ihm funktioniert und das Erschaffen von etwas Eigenständigen unheimlich wichtig. Der Wandel der Stadt war für mich ein Grund New York zu verlassen.

S.T.: Wie war es für Sie an der Kunsthochschule Weißensee zu dozieren?

Ich war vorher in Stuttgart an der Hochschule tätig und habe mir im Anschluss überlegt, ob ich nach Hamburg oder Berlin gehen sollte. Ostberlin schien mir naheliegend, da meine Familie ursprünglich aus Schlesien stammt. Zu Berlin hatte ich außerdem bereits durch Freunde und Bekannte in Bethanien einen engen Bezug und freute mich auf die Zusammenarbeit. Allerdings war der Einstieg nicht ganz so leicht.

Ich kam mir wie die Unschuldige aus dem Ausland, vor als ich 1995 nach Ostberlin kam. Dennoch bin ich sehr stolz darauf, was meine Ostkollegen und ich vor allem für die Bildhauerei in Gemeinschaftsarbeit erschaffen haben. Ich denke wir haben eine Art Grundstein gelegt und vorbereitend gute Arbeit geleistet. Die Professur an sich lag zudem nicht so weit entfernt von der Kunst, da ich sehr eng mit den Studenten zusammen gearbeitet habe und ein richtiger Austausch dabei entstanden ist.

S.T.: In Großfredenwalde haben Sie 2012 das Stallmuseum gegründet, was hat es hiermit auf sich?

Inge Mahn: Ich komme ursprünglich vom Land, aus Oberschlesien und habe eine sehr starke Verbundenheit zur dörflichen Gemeinschaft. Mir ging es mit dem Projekt darum andere nicht auszuschließen und habe in Großfredenwalde einen unter Denkmal stehendes Haus restauriert und es als Museum deklariert. Aber was ist ein Museum ohne Ausstellungsstücke? Mir war es ein Anliegen, dass jeder der Dorfbewohner seinen persönlichen Anteil zur Ausstellung beitragen sollte.

Berliner Freunde kommentierten die Ausstellung und verglichen sie mit Joseph Beuys, der auch eine sehr große Verbindung zu ländlichen, ursprünglichen Dörfern hatte. Betonen möchte ich hier jedoch, dass ich keine Auswahl der Ausstellungsobjekte getroffen hatte, sondern lediglich die Anordnung der Objekte übernahm, bei denen es sich um ländliche Artikel handelte, die von der Dorfgemeinschaft zusammen getragen wurden. Insgesamt ist es eine sehr schöne Ausstellung geworden.

An der Eröffnung habe ich das Haus als Gemeinschaftsobjekt des Dorfes  und als weltoffenes Haus deklariert. Großartig finde ich, dass im Dorf alle Menschen gleichwertig angesehen werden und dass dort Künstler, die Rang und Namen haben, keinen Bekanntheitsgrad genießen und Menschen, die sich kreativ beteiligen möchten so freier in ihrem Schaffen sind.

Das Projekt ist jetzt allerdings auch wieder beendet, da es mir kein Anliegen ist, einen Ausstellungsbetrieb zu eröffnen. Zur Weihnachtszeit ist das Dorf wieder an der Reihe, da stellen wir einen großen Weihnachtsbaum auf und schmücken ihn zusammen.

S.T.: Sie gelten als Meisterschülerin von Joseph Beuys. Haben Sie eine besondere Erinnerung an ihn?

Über einen Zufall kam ich zu Beuys. Ich hab in Bielefeld Abitur gemacht und die Akademie von Düsseldorf lag am nächsten zu meiner Heimatstadt. Ich war zuerst bei einem Herrn Bobek, der von der Berliner Schule kam, der uns vermitteln wollte, dass man als Künstler leiden müsse und dass Frauen sowieso keine Kunst machen könnten.

Die Klasse von Beuys stach mir ins Auge, da sie sehr lustig waren, einen ziemlich entspannten Umgang pflegten und in einer bodenständigen Art mit Kunst umgegangen sind. Beuys kam vom Land und schwebte nicht in Wolken, nein er hatte beide Beine auf dem Boden. Ich hab Beuys dann angesprochen, und gefragt, ob ich zu ihm kommen könne, und er nahm mich auf, und ich fand wieder einen richtigen Bezug zur Realität und zur Kunst.

Russell Radzinski: Aber du siehst dich nicht als Nachfolgerin der Fluxus Bewegung?

Ich sehe mich als überhaupt keine Nachfolgerin von einer Kunstrichtung an. In der Nachkriegszeit war es wichtig etwas Neues zu erschaffen. – Schluss mit dem was vorher war, auf keinen Fall figürlich, sondern nur bedingt. Ich sehe mich nicht als Jünger oder Nachfolger von einer Bewegung der damaligen Zeit. Es gibt gewisse Parallelen, denn natürlich spielt der Einfluss des Studiums eine gewisse Rolle. Ich hab Kunst damals als Appell aufgefasst, etwas Neues zu entwickeln.

Hier geht es zur englischsprachigen Version von unserem Kollegen in New York

www.station-station.com/berlin/inge-mahn-going-strong/

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