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14.12.2018 Er zählt zur ersten Garde

Exklusivinterview für freundederkuenste.de - Michaela Boland trifft: August Zirner

von: GFDK - Exklusiv Interviews - Michaela Boland

Einer der populärsten Schauspieler in Deutschland drehte einen Fernsehfilm in Köln. Nun ist er in "DAS ENDE DER WAHRHEIT" zu sehen. Wir erinnern an das Gespräch, das Michaela Boland für die GFDK, mit ihm 2010 geführt hat

In der deutschen Schauspielriege zählt er zur ersten Garde. Seiner Vielseitigkeit ist es zu verdanken, dass er hierzulande zu einem der gefragtesten Darsteller in Film- und Fernsehproduktionen wurde.

Schauspiel-Superstar und Adolf-Grimme-Preisträger August Zirner dreht derzeit in Köln den WDR-Fernsehfilm „Die letzten 30 Jahre“ (Arbeitstitel).

An seiner Seite: Männertraum Barbara Auer. Nach einem anstrengenden Tag am Set traf sich der charismatische Mime mit österreichischer und US-amerikanischer Staatsbürgerschaft zum Interview mit Michaela Boland.   

Michaela Boland:        

Aus dem Titel ihres neuen Filmes „Die letzten 30 Jahre“ von Drehbuchautorin und Grimme- sowie Deutsche Fernsehpreisträgerin Ruth Toma („Romeo“, „Solino“) lässt sich unschwer erkennen, dass die zu erzählende Geschichte in die Vergangenheit führt. Worum geht es genau? 

August Zirner:             

Die Geschichte bewegt sich in einem Zeitraum zwischen 1976 und 2006. Es geht um die Liebesgeschichte der Jura-Studentin Resa und dem radikalen Oskar, vor dem Hintergrund der linken Studentenbewegung bis in die Jetztzeit, verknüpft mit dem gesellschaftspolitischen Wandel. So werden beispielsweise Ereignisse wie Startbahn West  thematisiert.

Resa wird wegen ihres Engagements in der Studentenbewegung nicht zum Staatsdienst zugelassen. Die beiden treffen sich in den 80ern wieder, finden und ziehen zueinander, bis Oskar irgendwann einfach mit einem Koffer, welcher in der gemeinsamen Wohnung als Tisch gedient hatte, verschwindet und abtaucht.

 Denn privates Glück ist in seinem Kampf gegen das System nicht vorgesehen. In den nächsten 30 Jahren führt das Schicksal die beiden immer wieder zusammen und auch, wenn sie politisch die Seiten gewechselt haben, fühlen sich die beiden noch immer stark zueinander hingezogen. 

Michaela Boland:        

Bereitet man sich auf einen Film, der drei Dekaden in die Vergangenheit führt, auf eine besonders nostalgische Art und Weise vor?   

August Zirner:             

Ich habe ja bereits den Film „Das Versprechen“ unter der Regie von  Margarethe von Trotta gemacht. Auch dort ging es      um eine Ost-West-Thematik, um Trennung und Beziehungsproblematiken. 

Michaela Boland:        

Nach welchen Kriterien wählen sie ihre Projekte aus? 

August Zirner:             

Es kommt immer darauf an, welche Fragen mir beim Lesen eines Drehbuchs kommen. Ich denke, das, was mich interessiert, könnte andere auch interessieren. Reizvoll finde ich immer, wenn sich hinter einer freundlichen Fassade, und das kommt oft vor, in Wahrheit ein Monster verbirgt. Also, traue keiner Fassade. 

Michaela Boland:        

Gab es in ihrem Leben jemals Momente, in denen sie bereuten, Schauspieler geworden zu sein? 

August Zirner:             

Nein. Es gibt zwar Momente, in denen ich merke, dass die Schauspielerei einen in seiner menschlichen Entwicklung hemmen kann, denn der Beruf macht es einem manchmal schwer, bei sich zu bleiben, wenn man stets in andere Rollen schlüpft. Auch für das Umfeld ist es nicht immer leicht, wenn ich manchmal so sehr in meinem Projekt verhaftet bin.  

Michaela Boland:        

Sie sind Vater von vier Kindern. Inwieweit hat ihr Beruf auf den Nachwuchs abgefärbt?  

August Zirner:             

Mein heute 30-jähriger Sohn, Johannes, ist ebenfalls Schauspieler. Er hatte u. a. bereits Engagements in Bochum und als freier Schauspieler am Schauspielhaus Zürich. Ich habe ihn oft auf der Bühne gesehen und ich mag sehr, was er macht. Dennoch können wir wie ganz normale Schauspielkollegen miteinander umgehen.   

Michaela Boland:        

Können sie in einem Satz beschreiben, was für sie einen guten Schauspieler ausmacht?  

August Zirner:             

Es ist die Bereitschaft, vor einer Figur demütig zu sein, zu verwandeln und ein anderes Schicksal zu respektieren, man muss nicht immer alles verstehen, aber der Beruf ist eine Art Schulung der aktiven Toleranz. 

Michaela Boland:        

Wie gehen sie mit Unvorhersehbarem um?  

August Zirner:             

Wenn auf der Bühne etwas Unvorhergesehenes passiert, handelt man einfach, weil man muß!  Der Zufall oder eine Panne helfen einem oft erstaunlicherweise weiter, ganz im Sinne von Joseph Beuys, der gesagt hat: „Zeige deine Wunde“. Oft ist die Unvollkommenheit etwas, wodurch man etwas erfahrt oder lernt. Man sollte daher Fehler oder Pannen  nicht verdrängen, sondern integrieren.   

Michaela Boland:        

Was haben sie sich eigentlich zuletzt im Fernsehen angesehen?  

August Zirner:             

Gestern: Hart aber Fair.  

Michaela Boland:        

Haben sie auch Gelegenheit, sich Unterhaltungsformate zu Gemüte zu führen? 

August Zirner:             

Für mich war die Sendung auch unterhaltsam, wenngleich ich auch nur zwei der Gäste als glaubwürdig empfand.  

Michaela Boland:        

Im Gegensatz zu vielen ihrer Kollegen, wie beispielsweise Veronica Ferres, sieht man sie kaum auf Medienveranstaltungen . Meiden sie solche Events?  

August Zirner:             

Natürlich gehe ich auch hin und wieder mal zu einer Medienparty, um Leute zu treffen. Aber grundsätzlich genügt es mir, durch die Rollen, die ich spiele, in der Öffentlichkeit zu sein. Auch war ich ja bereits mit 23 Vater und habe gelernt, Verantwortung zu übernehmen, schon da hatte ich keine Zeit für Parties oder abends in die Kneipe zu gehen. Und die Kneipe war ja so etwas wie die Bunte, dort entstand auch Klatsch und wurde weiterverbreitet. 

Michaela Boland:        

Sie erwähnen, schon in sehr jungen Jahren Vater geworden zu sein. War dies, rückwirkend betrachtet, eher besser oder schlechter als sich der Aufgabe in einem reiferen Alter zu stellen?  

August Zirner:             

Ich verdanke meinem Sohn, der jetzt 30 ist, den Einstieg ins Leben. Mit 23 habe ich gelernt, es geht nicht nur um mich.   

Michaela Boland:        

Sie sind seit 25 Jahren mit der Schauspielerin Katalin Zsigmondy verheiratet und führen ein skandalfreies Privat-und Familienleben.Wie schafft man es, in einer schnelllebigen Zeit und Gesellschaft mit einer Scheidungsrate von etwa 39 % eine Beziehung dauerhaft und so erfolgreich aufrecht zu erhalten?  

August Zirner:             

Indem man viele Krisen aushält. Es lohnt sich, denn die Summe der Krisen ist immer eine Vorwärtsbewegung. Man denkt immer, eine Beziehung muß  so oder so oder gar perfekt sein. Aber das kann nur enttäuschend sein, denn jede Beziehung ist anders. Man braucht Geduld und man muß  Widersprüche aushalten. . Ich bin froh um jede Form von Komplexität.  

Michaela Boland:        

Neben ihrem Schauspielerdasein sind sie ebenfalls als Sprecher für Hörbücher wie Eric Clapton`s „Mein Leben“ oder Adriaan van Dis` “Ein feiner Herr und ein armer Hund“ erfolgreich. Gibt es neue Produktionen?   

August Zirner:             

Ich habe erst vor kurzem das Buch „Hector und Hector und die Geheimnisse des Lebens“ des französischen Bestsellerautoren Francois Lelord (Hectors Reise) für den Hamburger Osterwoltverlag gelesen.  Ich habe bei einer Lesetour mit ihm den Psychiater Lelord kennen gelernt und einige Zeit mit ihm verbracht. Wir haben uns ausgesprochen gut verstanden. Die Tage mit Lelord waren sehr interessant.  

Michaela Boland:        

Lesen sie viel in ihrer Freizeit?  

August Zirner:             

Das hält sich in Grenzen. Lesen ist für mich sehr viel Arbeit und kein Vergnügen. 

Michaela Boland:        

Großes Vergnügen scheint ihnen demgegenüber jedoch die Musik zu bereiten. Stichwort: Diagnose Jazz! Da spielen sie sogar selbst Querflöte.  

August Zirner:             

Oh ja. In diesem Programm geht es um den Dialog Sprache und Musik. Eine Geschichte in Wort und Ton, vom Leben und Sterben dreier großer Musiker.

Gemeinsam mit dem Spardosenterzett aus Essen, bestehend aus den Musikern Rainer Lipski (Piano), Kai Struwe (Kontarbass) und Mickey Neher (Schlagzeug) gehe ich mit „Diagnose Jazz“ auf Tour.

(Anm. d. Red.: Tourdaten im Anhang) 

Michaela Boland:        

Was darf man dort konkret erwarten? 

August Zirner:             

„Diagnose Jazz“ ist ein musikalisch-literarisches Bühnenprogramm, das Geschichten aus den Leben der Jazzlegenden Thelonious Monk, Charles Mingus und Rahsaan Roland Kirk erzählt. Es werden wahre und fiktive, komische und tragische Geschichten geschildert aber auch ein Einblick in die soziale Wirklichkeit der 50er Jahre gewährt.  

Michaela Boland:        

Die Aufführung eines Stückes von „Wer-hat-Angst-vor-Virginia-Wolf“-Altmeister Edward Albee, in welchem es nicht wirklich um Sodomie aber dennoch um starke Tierliebe geht, planen sie außerdem noch.

August Zirner:             

Ja, Anfang nächsten Jahres  werde ich gemeinsam mit meiner Frau mit dem Stück „Die Ziege – oder wer ist Sylvia?“ auf Tournee gehen. Es ist eine Inszenierung aus dem Volkstheater München von Christan Stückl. Es geht um eine Ziegenliebe. Ein gefeierter, 50-jähriger Architekt, verliebt sich nach 20 Jahren glücklicher Ehe in Sylvia, und die ist keine flotte Zicke, sondern eine Ziege.

 Im Stück geht es verbal ganz schön zur Sache. Das Stück stellt die Ehe, beziehungsweise die Ehekonvention sehr in Frage. Es geht in dem Stück um die Suche nach wirklicher Liebe.

 Dieses Stück habe ich schon einmal gemeinsam mit meiner Frau gespielt, allerdings ohne, dass wir kommuniziert hätten, dass wir auch privat ein Paar sind. Später fragten uns dann Freunde, wie wir dies im Hinblick auf die Derbheiten, die man einander um die Ohren hauen musste, nur tun konnten.                                     

Michaela Boland:        

Für ihre Tournee mit dem Spardosenterzett sowie alle weiteren Projekte viel Erfolg und herzlichen Dank für dieses Interview.   

 

August Zirner ist US-amerikanischer/österreichischer Schauspieler, der am 07.01 1956 in Urbana/ Illinois (USA) als Sohn österreichischer Emigranten jüdischen Glaubens geboren wurde. Seit 1973 lebt er in Europa, behielt jedoch neben seiner österreichischen auch die amerikanische Staatsbürgerschaft. In Wien besuchte er das Max-Reinhardt-Seminar und debütierte als Darsteller am Volkstheater Wien.

Engagements in Hannover, Wiesbaden sowie  acht Jahre bei den Münchner Kammerspielen folgten. Zirner ist mit der Schauspielerin Katalin Zsigmondy verheiratet und hat mit ihr vier Kinder. Sein ältester Sohn, Johannes Zirner, ist ebenfalls Schauspieler.

August Zirner wirkte bisher in über 100 Filmproduktionen mit. U.a. spielte er neben Katja Riemann in „Stadtgespräch“. Im Conterganfilm „Nur eine einzige Tablette“ überzeugte er als versierter Rechtsanwalt des Pharmaunternehmens.

Für seine Darstellung eines überforderten Familienvaters erhielt er in „Wut“ den Grimme-Preis und in dem als bester ausländischer Film mit dem Oscar prämierten KZ-Drama „Die Fälscher“, spielte er einen verzweifelten Arzt. 

Michaela Boland ist Journalistin und TV-Moderatorin. Für den Westdeutschen Rundfunk stand sie nach dem Jura-Studium seit 1996 als jüngste deutsche Fernsehmoderatorin eines Unterhaltungsformates für die sonntagnachmittägliche Sommer-Familien-Talkshow „Hollymünd“ vor der Kamera.

In der ARD präsentierte sie, neben ihrer Tätigkeit als Redakteurin der Creatv-Fernsehproduktions GmbH für die Daily-Talk-Formate „Hans Meiser“ und „Oliver Geissen“, die interaktive Vorabend-Live-Show „Studio Eins“ im Ersten.

Als „Guten Abend RTL“- Reporterin berichtete Michaela über spannende Themen aus ganz NRW. Außerdem war sie Gastgeberin der Freitag-Abend-Gala-TV-Show „Casinolife“ auf TV NRW und Moderatorin der Kulturtalkshow „Doppelkopf“ auf 3-Sat. 

 

 

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