Michaela Boland im Gespräch für die GFDK mit Henry Funke, dieser ist "Das gezeichnete Ich". Fotos:© GFDK - Michaela Boland-EMI und Andreas Mühe
Logo EMI Musik.
Henry Funke ist ein deutscher Sänger, Komponist und Multiinstrumentalist aus Berlin.
Das gezeichnete Ich - Ein philosophisches Werk
Das ist nun auch über sieben Jahre her, als wir uns aufmachten, Henry Funke "Das gezeichnete Ich" zu treffen. Michaela Boland hat für die GFDK das Gespräch 2010 mit dem Musiker geführt.
Eine mittelalterliche Redensart besagte zwar einst, man möge sich vor den „Gezeichneten“ hüten. Wie jedoch zu verfahren war, wenn jener „Gezeichnete“ das eigene Selbst darstellte, ist nicht bekannt. Welch Glück, dass wir uns im 21. Jahrhundert bewegen, Aberglaube eher selten übermäßig viel Raum einnimmt und wir uns nunmehr „heran trauen“ können:
An Das Gezeichnete Ich. Hier hinter nämlich verbirgt sich nicht nur ein ausgesprochen sensibler, intelligenter und musikalisch weit gereifter junger Musiker, sondern auch ein Mensch, der uns im locker leichten, oftmals von Belanglosigkeit geprägten Pop-Alltag mit wiederentdeckter Tiefgründigkeit überrascht.
Während tanzbare Pop-Harmonien Mega-Erfolge verbuchen, sich aber inhaltlich so „weltbewegenden“ Thematiken wie Poker Face oder Paparazzi widmen, setzt Das Gezeichnete Ich auf ausgereifte Melodien und anspruchsvolle Texte.
Am 25.06. feierte sein neues, zwischenzeitlich hochgelobtes, Album, „Das Gezeichnete Ich“, Release (Anm. d. Red.: Veröffentlichung) Grund genug für GFDK-freundederkuenste.de, den Musiker mit dem geheimnisvollen Namen einmal zu besuchen. Im Mainzer Außengelände des ZDF treffe ich den U-30er während seiner Proben für Andrea Kiewels sonntägliche Vormittagsshow.
Seine Texte machen neugierig
Seine Texte machen neugierig, denn sie laden zum Denken ein. Auch wenn Spiegel-Bestseller Autor Thomas Wieczorek uns in seinem gedruckten Verkaufs-Hit „ Die verblödete Republik“ beinahe kollektiv mangelnde Bereitschaft zur Betätigung der Denkmaschine bescheinigt, zeugt dieser junge Musiker augenscheinlich davon, dass das einstige Land der Dichter und Denker noch immer für Überraschungen taugt.
Sein exaktes Alter möchte er nicht verraten. Er sei unter Dreißig gibt er lediglich an. Doch aus seinem eigentlich französischen Vornamen, „Henri“ macht Das Gezeichnete Ich zumindest keinen Hehl.
Unter praller Mittagssonne muss Henri auf einem kleinen Hügel inmitten des Lerchenbergs nun für seine Probe noch einmal ran. „Du, Es und Ich“ lautet der Titel seiner brandheißen Scheibe, die er morgen hier zum Besten geben wird.
Wenngleich einem hierbei auch schnell Gedanken an Psychoanalyse-Begründer Sigmund Freud in den Sinn kommen, oder man sich womöglich sogar kurzfristig dabei ertappt, auf eine leicht gespaltene Persönlichkeit zu tippen, um die es gehen könnte, macht der Sänger jedoch schnell klar, dass es sich in Wahrheit um ein philosophisches Werk handelt.
Ein philosophisches Werk
„Es gibt ein Du, es gibt ein Ich und es gibt ein Es dazwischen, was uns manche Sachen nicht machen lässt oder auch manche Dinge nicht erreichen lässt oder ein Wir erschwert“, erläutert Henri, Das Gezeichnete Ich.
Man könne es vielleicht beliebig interpretieren, es womöglich als wilde Ménage à trois verstehen, so als habe einer dem anderen die Freundin ausgespannt. Sollten es die Leute es so verstehen sei es auch wunderbar.
Er selbst allerdings sehe es, aus einer philosophischen Ecke kommend, vollkommen anders. Wie er es genau sieht, warum er nahezu melancholisch verfasst, zu langsam erwachsen geworden, falsch geliebt, viel gedacht und wenig geküsst zu haben, erläuterte der kluge Kopf Henri Michaela Boland im Gespräch.
Seit wann gibt es Das Gezeichnete Ich in dieser Form?
Das gezeichnete Ich:
Schon seit fast hundert Millionen Jahren. In der Form, in der wir jetzt sind, wahrscheinlich noch nicht so lange. Wann ist der Homo erectus entstanden? Mich selbst gibt es jedenfalls seit knapp 30 Jahren. Und meine Idee mit dem Gezeichneten Ich, von der ich ja denke, dass wir das mehr oder weniger alle sind, seit knapp vier Jahren.
Michaela Boland:
Wie kam es zu dem Projekt?
Das Gezeichnete Ich:
Ich habe immer schon Musik gemacht und, ja wie ist das so, wenn man als Künstler das Gefühl hat, man hat etwas zu sagen und man weiß gar nicht, ist man Künstler oder nicht oder wo wohnt man eigentlich? Und man erfüllt dauernd irgendwelche Geschichten.
Ich wusste eigentlich schon, seitdem ich fünf bin, was ich machen will. Aber es war nie so klar, dass ich das wirklich auch umsetzen würde. Und dann ist das eben über die Jahre gereift und ich habe alles Mögliche ausprobiert. Vor vier Jahren kam ich dann an den Punkt, wo ich gesagt habe, „Ich kann mich nicht mehr so verstecken, ich kann nicht die andere Welt ausblenden“.
Ich hatte diese normalen Jobs, die man macht und die Verpflichtungen, die man hat. Und das andere habe ich ja immer nebenbei gemacht, Musik war also immer dabei. Und das konnte ich nicht mehr ertragen. Und dann habe ich das vor vier Jahren einfach irgendwie durchgezogen und vom einen auf den anderen Tag gekündigt .
Michaela Boland:
Was hast du gemacht?
Das Gezeichnete Ich:
Ach, ich habe Vieles gemacht. Zuletzt habe ich dann noch einige Jahre Strategie für politische Parteien gemacht. Ich habe auch mal als Kabelträger gearbeitet und zwischendurch viel Stupides gemacht. Dann ging es los.
Michaela Boland:
Bei den Proben gerade sah man Dich am Flügel sitzen. Welche Instrumente spielst Du ansonsten?
Das Gezeichnete Ich:
Ich kann eigentlich gar nichts. Aber das reicht, glaube ich, für alles, was ich ausdrücken will. Jetzt lerne ich gerade Cello. Also ich bin auch immer dabei, was Neues zu machen. Ich brauche immer Input. Das Leben ist ja ein ewiges Lernen, oder?
Michaela Boland:
Bitte beschreibe den Musikstil, für den du stehst, in deinen eigenen Worten?
Das Gezeichnete Ich:
Naja, was man auf dem Album zu hören bekommt, also, was als erstes auffällt, ist, dass es sehr orchestral ist. Was aber auch ein Teil meines Lebens war, denn die Jugend habe ich sehr im klassischen Milieu verbracht.
Ist das etwas, was bisher noch nicht da gewesen ist?
Das Gezeichnete Ich:
Weiß ich nicht, aber es ist auf jeden Fall das Gezeichnete Ich.
Michaela Boland:
Auf Deiner Seite ist zu lesen, dass du als Gezeichnetes Ich es dir zum Ziel gesetzt hast, der Entzauberung der Liebe einen romantischen Zauber entgegen zu setzten. Wie willst du das gewährleisten?
Das Gezeichnet Ich:
Den Satz habe ich auch gelesen (lacht) und dachte, „Mensch, da hat er sich aber viel vorgenommen, der Junge“. Nein, es ist ja schon im großen und ganzen ein Liebesalbum. Ich habe eigentlich geguckt, wo ist der Mensch? Und deswegen auch „Das Gezeichnete Ich“.
Dies steht für mich als Parabel für den Menschen . Es gibt ja auch so ein existentialistisches Gedicht von Gottfried Benn, wenn man das liest, weiß man genau, was los ist. Ich habe das als Überbau genommen, habe in allen Richtungen geguckt, wo ist der Mensch, was kann der jetzt?
Michaela Boland:
Zu welchem Ergebnis bist du gekommen?
Das Gezeichnete Ich:
Ich habe dann eben geschaut, was ist denn in der kurzen Besuchszeit, die wir jetzt hier in dieser Existenz verbringen, eigentlich das Größte, was uns widerfahren kann? Und das haben ja auch alle Pop-Musiker verinnerlicht, also, das ist ja das Gefühl, was wir eben nicht beschreiben können, das der Liebe.
Oder zumindest ein so starkes Gefühl, das heißt, es ist ja eigentlich weniger ein Gefühl, denn eine Prägung, immerhin prägt es uns ziemlich stark in irgend eine Richtung. Insofern ist es das Größte, was wir mitnehmen können.
Eins war interessant: Nach allem, was ich gelesen habe, über Neurologie und wie weit die Bestimmung des Ich ist, wo sich das Wir-Zentrum befindet, die ganzen Freud-Geschichten auf der einen und die ganzen Naturwissenschaftsgeschichten auf der anderen Seite, da habe ich irgendwie festgestellt, dass der Mensch, den wir auch immer in der Theorie annehmen, der Homo oeconomicus , ja gar nicht so ist, wie wir den gerne hätten.
Gar nicht so berechenbar und all so etwas. Sondern es gehört ja ein ganz großer Batzen Gefühl und Empathie hinzu. Und das stellt auch für mich, Das Gezeichnete Ich dar. Nämlich den empathischen Menschen. Und in seiner Ganzheit fand ich dann doch immer, dass die Liebe dann doch der Schlüssel ist, um alle Rationalität irgendwie zu überwinden.
Michaela Boland:
Den Begriff „gezeichnet“ kann man ja auch in einem ganz andren Zusammenhang sehen. Im Mittelalter sagte man: Hüte Dich vor den Gezeichneten. Kannst Du Dir vorstellen, was man genau damit meinte?
Das Gezeichnete Ich:
Vielleicht das Kainsmal, oder? Also, das geht noch weiter biblisch zurück. Vielleicht ist es das. Vielleicht ist es der Bruder-Mörder. Oder vielleicht hat das so eine negative Konnotation? Aber für mich nicht. Für mich hat es eher eine sehr gleich machende und eine völlig ohne Grenzen Bedeutung.
Wenn man die Menschen als gezeichnetes Ich betrachtet, gibt es kein Schwarz und gibt es kein Weiß. Dann sitzen wir alle in einem Boot und wir haben alle unser Päckchen zu tragen.
Und wenn man immer mit so einer gewissen Demut an die Sache herangeht, dann muss man auch gar nicht so oft alles dialektisch zerreden und dann gucken, wo sind die Unterschiede. Da gibt es nämlich gar nicht so viel.
Michaela Boland:
Und du hast keine Angst davor, dass man einen solchen Künstlernamen womöglich in einem negativen Zusammenhang auffassen könnte?
Das Gezeichnete Ich:
Doch, doch. Wenn wir über Ängste reden, muss ich sagen, ich habe furchtbar viele Ängste. Dazu gehört auch die, dass man das wahrscheinlich alles falsch auffasst, aber dagegen kann ich nichts tun.
Das wird passieren, aber ich glaube, wenn man bei dem Album hängen bleibt und darüber hört, das kann man sich nämlich sehr schön anhören, da muss man sich gar keine Gedanken machen, man kann es einfach so durch hören.
Aber das Gezeichnete Ich war für mich auch immer wie so etwas wie ein Stopschild, um sich in dieser schnelllebigen Welt noch mal kurz über etwas zu wundern. Et was, das in meinen Augen gezackt ist, da muss man mal ganz kurz hin und kann vielleicht unter der Oberfläche noch irgend etwas für sich selbst finden.
Michaela Boland:
Die über dich verfasste Biografie auf der Seite deines Labels befindet sich ja bereits sprachlich auf einem Niveau, welches man nicht unbedingt bei vielen Künstlern findet. Entspricht es auch Deiner Persönlichkeit, sich eher ausschließlich mit recht anspruchsvollen Texten und Dingen zu befassen?
Das gezeichnete Ich:
Nee, also ich lese ganz gerne In Touch und O.K. Also ich bin auch sehr oberflächlich. Ich nehme, glaube ich, alles mit, was da ist. Ich brauche auch jeglichen Input, Filme, Gossip Girl, alles. Ich gucke mir alles an, was es gibt. Deswegen, das ist auch Das Gezeichnete Ich.
Ich meine, das ist so facettenreich. Ich möchte nichts missen. Aber ich bin interessiert , ja klar, an ernsten Gesprächen, damit kann man mich immer locken.
Michaela Boland:
Du warst mit den Pet Shop Boys auf Tour...
Das Gezeichnet Ich:
...die ja im Übrigen auch sehr Kunstinteressierte Leute sind und Kunstverständige.
...und auch schon sehr lange erfolgreich im Business, was große Anerkennung verdient. Im Herbst wirst Du dann mit A-HA touren. Ist das im Vergleich zu deiner eigenen, ebenfalls Musik, die dir persönlich gefällt?
Das Gezeichnete Ich:
Ich finde die super. Aber Du ,genauso wie alle anderen meiner Freundinnen, seid wahrscheinlich ganz neidisch, dass ich mit Morton Harket da irgendwie im BackstageBereich sein kann.
Michaela Boland:
Da muss ich Dich enttäuschen, Henri. Ich mag A-HA sehr, meine größte Schwäche galt allerdings seit jeher den Bee Gees und insbesondere Robin Gibb. Zu meiner Schulzeit konnte ich innerhalb der Jahrgangstufe zumindest so ziemlich allein für ihn schwärmen, während die anderen Mädels sich um ihre Lieblingsstars, Morton Harket, Pål, Billy Idol oder gar Hubert Kah „gekloppt“ haben.
Ah, gut. (lacht). Das ist schlau.
Michaela Boland:
Wie beurteilst Du das, was die Jungs von A-HA machen?
Das Gezeichnete Ich:
Das ist super. Ich finde, das sind großartige Komponisten. Ich weiß, dass sie unermüdlich an ihren Songs arbeiten und besser als die Beatles sein wollen. Bei einigen Stücken haben sie es meiner Meinung nach geschafft.
Michaela Boland:
Was ist dein persönlicher Favorit unter ihren Songs?
Das gezeichnete Ich:
Vielleicht „Crying in the rain”. Also ich kenne Tausende. Natürlich war auch „Take on me“ brillant. Da sind sie ja auch nicht mehr herangekommen. Das war etwas ganz Besonderes. Fast schon ein ewiges Lied. Auch von der Produktion her, sehr einzigartig.
Michaela Boland:
Du bist bilingual aufgewachsen, nachdem deine Mutter Französin und dein Vater Deutscher ist. War es immer ein Vorteil für dich, zweisprachig groß geworden zu sein?
Das Gezeichnete Ich:
Nun, ich hatte schon Probleme, als ich dann in die dritte Klasse der deutschen Schule gekommen bin. Es war zuerst ein wenig nachteilig für mich, dass ich erst „der“ „die“ „das“ und die Satzstellung noch nicht so richtig konnte.
Michaela Boland:
Bist du zunächst in Frankreich aufgewachsen?
Das Gezeichnete Ich:
Nein, ich war auf einer französischen Schule und meine Mutter hat nur Französisch mit mir gesprochen, mein Vater war selten da. Also, vielleicht kann man nicht unbedingt sagen, dass es nachteilig für mich war, aber auf jeden Fall war es dann erst mal schwieriger, mich in der neuen Schule zurecht zu finden.
Ich hatte irgendwann sogar überhaupt keinen Bock mehr auf Französisch auf dem Gymnasium. Das war auch das Doofe, man denkt ja, man kann ja alles und lernt auch nie.
Michaela Boland:
Da frage ich dich als „halben“ Franzosen doch direkt mal, ob du den „Subjonctif“ (Anm. d. Red.: Modus der französischen Sprache, der mit keinem deutschen verglichen oder eins zu eins übersetzt werden kann und vornehmlich in gehobener Schriftsprache verwendet wird) an dem ich immer verzweifelt bin, beherrschst?
Das gezeichnete Ich:
Ach, hm, ja , ja. Ja Gott. Aber das schwierigere war doch, wie heißt denn das andere noch mal? Also, ich hatte mich eben auch nie richtig mit Grammatik beschäftigt, weil ich es ja konnte, denn ich habe es ja richtig benutzt.
Deswegen habe ich mir auch nie großartig Gedanken gemacht, was sich natürlich dann irgendwann rächt. Spätestens im Abitur musste ich dann noch mal ran. Da hat es mich wahnsinnig genervt. Aber schade ist, dass ich nicht mehr in anderen Sprachen träumen kann. Das hatte ich dann noch immer zwischendurch.
Michaela Boland:
Wie sähe es aus, wenn Du nun wieder einmal Frankreich besuchen würdest?
Das Gezeichnete Ich:
Ja, wenn ich jetzt wieder mal hingehe. Aber ich habe mich jetzt wirklich der deutschen Sprache angeglichen, also ich lese ganz viel auf Deutsch und während der Uni-Zeit liest man ja auch sehr viel auf Englisch. Also da war man dann plötzlich irgendwie in anderen Welten . Ich habe dann auch viele Sprachen gelernt. Russisch und Kroatisch kann ich noch ein Bisschen. Außerdem habe ich auch Spanisch gelernt. Irgendwann ging alles durcheinander.
Dann musst du dich mit jeder einzelnen Sprache recht intensiv beschäftigt haben.
Das Gezeichnete Ich:
Ja, einmal kam es vor, dass ich nach Spanien gefahren bin und dann konnte ich das ganz gut. Und anschließend bin ich nach Kroatien gefahren und dann konnte ich überhaupt nichts mehr, habe gar nichts mehr zustande bekommen. Aber jetzt klappt es wieder.
Auf Deiner MySpace Seite heißt es, „Das Gezeichnete Ich ahnt, dass seine Geschichte nichts Besonderes ist, aber Das Gezeichnete Ich fühlt, dass es die Stimme ist, sie zu erzählen.
Könnte man dies nicht als widersprüchlich auffassen, insoweit als man sich fragt, warum ein Künstler, der von sich selbst angibt, dass das, was er zu erzählen habe, nichts Außergewöhnliches sei, sich aber dennoch darum bemüht fühlt, die Öffentlichkeit damit zu beschäftigen?
Das Gezeichnete Ich:
Nein, jeder Mensch ist etwas Besonderes. Aber worauf ich eigentlich hinweisen will ist, dass alle ein schöpferisches Potential haben. Und alle sollten versuchen, es auszuleben. Dahin, hoffe ich, kommt die Menschheit noch. Wenn sie sich zuvor nicht selbst auslöscht.
An meinen Kunstprojekten wird man auch messen können, inwieweit ich dies auch ernst nehme. So schwebt mir beispielsweise vor, ein Open-Source-Album zu machen, wo ich lediglich eine Melodie vorgebe und alle anderen etwas dort hinzufügen können.
Gerade schreibe ich an einem solchen Programm. Also, in der Richtung wird noch viel kommen. Deswegen ist das nicht widersprüchlich, womöglich ist es jetzt nur nicht verständlich.
Michaela Boland:
Hältst du es ganz mit dem von dir wiederholt erwähnten Gottfried Benn (Anm. d. Red.: Deutscher Arzt, Dichter und Essayist; geb. 2. Mai 1886 – gest. 7. Juli 1956 ), der die Bedeutung der Biografie sowie die Bedeutung der sozialen und regionalen Ursprünge für das Werk eines Künstlers als unbedeutend bezeichnet und herunter spielt?
Mit anderen Worten, es sei unerheblich für ein Werk, wo und wie jemand aufwachse. Und wenn ja, inwieweit ist dann der intellektuelle Anspruch, den du selbst hast – immerhin liest man über dich, dass du Goethe vergötterst, Thomas Mann verschlungen hast und den musikalischen Barock-Vertreter Johann Sebastian Bach liebst – relevant?
Das Gezeichnete Ich.
Ich wohne mehr in Büchern oder in Filmen oder in anderen Geschichten. Die Welt ist so klein geworden. Du kannst auf Google Street gucken, wo du hinwillst, vielleicht kurz mal am Santa Monica Boulevard spazieren, wenn ich Lust habe. Mit dem Finger auf der Landkarte.
Nein, das spielt nicht so eine Rolle. Man schafft das Werk, wo man ist und man ist natürlich von dem beeinflusst, was einen umtreibt. Aber das ist, glaube ich, auch mehr Wissenschaft, wenn ich mich mit irgendwelchen Theorien auseinandersetze oder versuche, Quantenmechanik zu verstehen, dann beeinflusst mich das mehr als mein Umfeld.
Also ich werde mehr von der platonischen Welt beeinflusst als von der, die wir jetzt reell nennen.
Spielt Herkunft deiner Meinung nach denn insofern nun eine Rolle für das Erschaffen bestimmter Dinge oder nicht?
Das Gezeichnete Ich:
Ah, ich weiß nicht. Ich glaube, man hat etwas in sich. Ich kann nur sagen, irgend etwas habe ich in mir, was mich von anderen unterscheidet. Ich merke das beispielsweise immer an meinen Musikern. Ich habe ein ganz starkes Gefühl dafür, wo das hingeht und wie das aussehen soll.
Wie eben jemand, der eine schöpferische Berufung oder eine Begabung hat. Und ich weiß gar nicht, ob ich die hätte groß trainieren müssen. Die war einfach da. Und ich nutze sie nur.
Natürlich kann ich sie jetzt immer besser kanalisieren durch mehr Wissen. Für mich ist Wissen zum Beispiel total ansteckend. Also ich brauche immer Input, denke immer, wow, das beflügelt mich noch. Aber ich glaube, andere können auch einfach Schaffen aus dem, was sie sehen.
Ich beobachte ja auch nur und wundere mich beispielsweise über eine kleine Pflanze und denke, wie unglaublich alles angeordnet und gemacht ist. Aus diesen Dingen, wenn man nur das richtige Auge hat, kann man dann schon schöpfen.
Michaela Boland:
Ob Arbeiter oder Kunst- Professor, schöpferisch können somit alle das Gleiche erreichen?
Das Gezeichnete Ich:
Der Arbeiter wird womöglich nicht dasselbe erschaffen, aber er wird etwas anderes schaffen. Jeder ist schöpferisch veranlagt, davon bin ich überzeugt. Es gibt auch keinen blöden Menschen. Also ich glaube, jeder kann an sich arbeiten und etwas machen und reflektieren. Klar, das muss auch ein Bisschen gelernt sein. Hast du das weiße Band gesehen?
Michaela Boland:
Leider noch nicht.
Das Gezeichnete Ich:
Da spiegelt sich auch viel wieder, da denke ich auch immer wie wichtig Erziehung und Bildung in gewisser Form schon ist. Aber in sich tragen das alle, egal an welcher Stelle man da ansetzt. Das kann man auch später machen. Aber man braucht gute Vorbilder.
Michaela Boland:
Du verehrst Goethe. Darüber hinaus hinterlassen verschiedene weitere Angaben über Dich einen intellektuellen Eindruck. Fühlst du dich in der Showbranche eigentlich gut aufgehoben?
Intellektuell bin ich aber nicht. Ich lese nur gerne. Ich lese auch jedes Jahr einmal den Faust, weil ich ihn einfach liebe. Ich habe das so intensiv gelesen, dass ich auch in Reimen geträumt habe, das fand ich wunderbar.
Michaela Boland:
„Habe nun ach“,......?
Ja, wirklich (lacht) „komm und fromm „.Aber, nein, intellektuell bin ich nicht, da gibt es einfach andere, die sich da noch mehr mit Sachen auseinandersetzen. Ich führe gerne Sachen zusammen und sehe mehr so eine Ganzheitlichkeit. Ich strebe einfach so ein Gefühl für das Ganze an.
Ich glaube, dass dies das ist, was auch der Trend sein wird. Ich denke, das wird uns noch mal entscheidend voran bringen. Ein Geist, der die ganzen kleinteiligen Sachen, die wir jetzt alle herausgefunden und gesehen haben, zusammen bringt.
Immer war es so, dass beispielsweise die großen Mathematiker ein Problem aus ganz anderen Blickwinkeln betrachtet haben. Und plötzlich kamen sie auf eine nie da gewesene Lösung. Ich glaube einfach, diese Vorbilder, die muss man suchen und die Richtung sollte man denken.
Die ganze Krise besteht doch beispielsweise nur, weil wir nicht interdisziplinär denken, sondern weil alle sich abschotten. Das „Wir“ muss größer werden. Und was das Showbizz betrifft, sehe ich es so wie in dieser Geschichte:
Der Teufel stand vor Gericht und der Richter hat ihn gebeten, bitte stehen Sie auf und er sagte nur, „wenn es der Wahrheitsfindung dienlich ist, gerne.“ Ich möchte natürlich, dass mein Werk verbreitet ist und ich glaube, dass es das Wert ist, wenn es andere auch so empfinden, wenn es gehört wird. Dafür habe ich lange gearbeitet. Ich möchte ja auch davon leben.
Michaela Boland:
War es schwierig, ein Label zu finden?
Das Gezeichnete Ich:
Ich hatte mir eben doch sehr viel Zeit gelassen, denn ich habe zu vielen Sachen nein gesagt. Ich bin da doch schon irgendwie Individuallist in vielen Dingen und das „Gezeichnete Ich“ war auch, glaube ich, nie so einfach für die Menschen. Die haben nicht gerade gesagt, Juchu, ja Hurra, hier Peter Müller, das können wir vermarkten, das wird toll.“
Michaela Boland:
Woran glaubst du, lag das?
Das Gezeichnete Ich:
Naja, weil heute vieles in Formate gepresst ist und Leute eben nicht über den Tellerrand gucken. Und viele auch immer nur ihren Job machen. Es ist schon eine Kunst, Das Gezeichnete Ich überhaupt in aller Munde zu haben. Das ist schon das Einzige, was mich eigentlich froh macht, weil ich denke, so wow, cool, wie hast du das hingebracht?
Im Grunde auch kurios für Deutschland, denn eigentlich hat mich ein Engländer, oder ein Pariser, besser gesagt entdeckt. Alex Silva, der auch der Produzent von Herbert Grönemeyer ist.
Und der fand es klasse. Über Umwege ist meine Musik an ihn geraten, obwohl ich alles für mich gemacht habe. Ich war nämlich eigentlich ziemlich abgeschottet. Ich habe gesagt, ich mache etwas und wenn ich scheitere, dann scheitere ich groß, das war mir völlig klar.
Aber ich musste das machen, was ich eben machen musste. Und das hat mich vorangetrieben. Wie eine Vision. Glaube, Hoffnung das brauchen wir, um sich auch stark zu fühlen und unabhängig zu machen.
Dann war es Zufall oder Schicksal, denn er hat es dann bekommen und rief mich an und fand es klasse und dann haben wir uns gut verstanden. Alles lief gut. Und nun rückwirkend betrachtet: Hätte ich irgendetwas anders in meinem Leben gemacht, Gott, es wäre alles nicht so passiert. Insofern, ist Schicksal in einem Satz, „ vielleicht mehr als Zufall“.
Michaela Boland:
Schule und Studium bezeichnest du als „belanglosen Entwicklungsgang“. Was hast du studiert?
Das Gezeichnete Ich:
Das hat Gottfried Benn so gesagt. Ich habe Volkswirtschaft studiert.
Michaela Boland:
Dann hast du ihn zitiert. Und Volkswirtschaft war so belanglos?
Das Gezeichnete Ich:
Nein, das war prägend (lacht). Ich habe mich immer ein bisschen blöd gefühlt, weil ich dachte, ich nehme irgendjemandem den Studienplatz weg, der es echt drauf hat. Ich fand es beim Machen dann doch interessant, aber es war ja so, dass ich immer geschrieben und Musik gemacht habe. Ich wollte eben einfach verrückte Kunstideen machen und umsetzen. Aber ich habe das Studium zumindest abgeschlossen.
Michaela Boland:
Das zweite Standbein ist also gesichert?
Das Gezeichnete Ich:
Ach ja gut, aber der Point of no return, der ist schön längst überschritten. Ich könnte, wenn ich wollte, aber ich komme da auch nicht mehr hin, das kann ich mir alles nicht mehr vorstellen.
Michaela Boland:
Was war das für ein Gefühl als du dich entschieden hast, jetzt hundertprozentig in das Musikgeschäft einzusteigen?
Das Gezeichnete Ich:
Erst mal ist es Angst. Man muss die Angst benennen und ihr tatsächlich ins Angesicht schauen. Und ich bin froh, dass ich echt viele Ängste überwunden habe. Aber natürlich denke ich auch: Oh Gott, wo bin ich denn jetzt gelandet?
Es ist ja viel geiler, wenn man um neun Uhr geht und einen Job mach und dann um 17.00 Uhr wieder zu Hause ist und so etwas wie Urlaub hat. Es ist natürlich für mich auch manchmal schwer, weil ich so ein Getriebener bin und ich habe einen Mitbewohner in Berlin, der ist Insolvenzanwalt, ein Kumpel von mir.
Und wir denken manchmal, du hast es so geil, Du kannst jetzt entspannen. Ich muss manchmal um 00.00 Uhr aufstehen und die ganze Nach lang arbeiten, weil ich nicht schlafen kann, wenn ich so getrieben bin. Dann muss es jetzt sein, denn es ist wann anders einfach nicht möglich.
Schicksalhaft war dann übrigens auch, wenn ich manchmal während des Studiums gedacht habe, in der Bahn passiert irgend etwas und am Morgen einfach zu Hause geblieben bin.
Michaela Boland:
Und passierte dann tatsächlich etwas?
Das Gezeichnete Ich:
Nein, natürlich nicht, aber ich hatte ein ungutes Gefühl und dann bin ich auch zu Hause geblieben.
Michaela Boland:
Bist du ein abergläubischer Mensch?
Das Gezeichnete Ich:
Ja, komischerweise schon, manchmal. Also, ich lasse es nicht zu sehr ran, weil das ist einfach dieses Self- Fulfilling Prophecy, nachher wird es auch noch wahr. Also, das ist fürchterlich. Ich versuche mich immer mit Gedanken ganz schnell abzulenken. Dem Universum schicke ich immer nur ganz gute Vibes herüber.
Michaela Boland:
Glaubst du an Gott?
Das Gezeichnete Ich:
Also so, wie ihn die Kirche sieht, nein, überhaupt nicht. Aber ich glaube an irgendetwas, ja eben Unerklärliches. In dem Lied „Lichtjahre“ wirst du es dann erkennen.
Dennoch denke ich, mein Ich, Das kann nicht nur ich sein, denn ich schlüpfe in so viele verschiedene Perspektiven und fliege manchmal wie ein Vogel über die Welt, um einfach andere Sachen zu sehen. Ich zwinge mich selbst dazu, Dinge anders zu sehen. Es gibt ja überhaupt nichts Absolutes, gar nicht.
Michaela Boland:
Bist du frei von Vorurteilen?
Das Gezeichnete Ich:
Nein, natürlich nicht, aber ich hoffe immer, dass ich da immer schnell raus springen kann. Und ich halte es da auch mit Karl Raimund Popper, einem der ganz großen neuzeitlichen Philosophen, der sagt: „Du magst auch Recht haben“, das finde ich gut.
Michaela Boland:
Magst du auch solche Autoren wie Richard David Precht, wenn du dich mit Philosophie beschäftigst?
Das Gezeichnete Ich:
Ja, das habe ich auch gelesen. Ich dachte am Anfang, oh mein Gott, ist dieser Titel Scheiße. „Wer bin ich und wenn ja, wie viele“ Hätte es nicht heißen müssen: „Was bin ich und wenn ja....Das hat mich immer völlig aufgeregt, aber das Buch ist toll.
Auch sein Liebesbuch habe ich gelesen, „Liebe, ein unordentliches Gefühl“. Es ist toll, super. Wenn man es zusammenfasst, auf jeden Fall ein großartiger Typ.
Michaela Boland:
Was hat deine Aussage „Glück lässt mich verdursten, doch ich rechne mit dem Wolkenbruch“ zu bedeuten? Auch deine Verse, „Das Gezeichnete Ich wurde zu langsam erwachsen, liebte falsch, dachte viel, küsste wenig, erschrak, verstand, schluckte etc..“ lässt einen ein wenig ins Grübeln kommen. Fällt es Dir leicht oder schwer, glücklich zu sein?
Das Gezeichnete Ich:
Mir fällt es schon schwer, Sachen zu genießen und glücklich zu sein. Das fällt mir nicht so leicht. Die Schwermut ist da schon wesentlich konstanter.
Michaela Boland:
Fast könnte man beim Lesen dieser Zeilen dem Eindruck erliegen, dass das eine depressive Anwandlung ist.
Das Gezeichnete Ich:
Manchmal habe ich bestimmt schon manische Phasen, deswegen mache ich auch Musik. Ich komme damit klar, andere nicht. Das hilft mir natürlich, mich auszudrücken in Dinge Form von Songs abschieben.
Michaela Boland:
Du bist Einzelkind. Bist du eigentlich sprichwörtlich verwöhnt?
Das Gezeichnete Ich:
Verwöhnt? Da wirst du wahrscheinlich andere fragen müssen, die mich kennen. Aber ich brauche nicht viel, wirklich. Ich sage immer, ich brauche ein Klavier, einen Tisch und meine Bücher.
Michaela Boland:
Was steht bei dir abgesehen von Gottfried Benn zu Hause in den Bücherregalen?
Das Gezeichnete Ich:
Ach viel Reclam-Schrott. (lacht). Nein, gutes Zeug.
Michaela Boland:
Mit den dazugehörigen offiziellen Interpretationen?
Das Gezeichnete Ich:
Nee, nee. Ich mache so lange, bis ich es verstanden habe. Ich habe viel Dostojewski , den ich über alles liebe. Seine ganze Werk-Ausgabe. Ich habe das alles viel zu früh gelesen. Nietzsche habe ich beispielsweise auch viel zu früh gelesen.
Michaela Boland:
Warum glaubst du das?
Das Gezeichnete Ich:
Ich erkenne dann immer mein Denken, wenn ich wieder mal bei Nietzsche durchblättere, denke ich immer „Oh Gott“.
Michaela Boland:
In welchem Alter warst Du als Du dir diese Literatur erstmalig vorgenommen hast?
Das Gezeichnete Ich:
15 oder 16 Jahre alt. Ich hatte so alte Ausgaben in Altdeutsch, ganz schlimm. Ich weiß gar nicht wieso, denn ich war gar nicht gut in der Schule und so. Meine Deutschlehrer, die würden sich wahrscheinlich im Grabe herum drehen, das heißt, die leben noch. Sie würden wohl sagen: „Der? Niemals! Never ever!“. Doch, wenn es aber um Gedichte geht, war ich immer relativ kreativ und witzig, würde ich sagen.
Michaela Boland:
Schreibst du auch selbst Lyrisches?
Das Gezeichnete Ich:
Ja und ich möchte auch unbedingt mal einen Band herausgeben, wenn es gut genug ist. Aber das dauert noch. Da muss ich noch lange dran feilen.
Michaela Boland:
Aber du hast schon einiges auf Lager, das du direkt so in Druck geben könntest?
Das Gezeichnete Ich:
Ja, ich habe schon mal wieder gerechnet, wie viele Seiten es jetzt wären.
Michaela Boland:
Und? Wie umfangreich würde es sein?
Das Gezeichnete Ich:
Es reicht für einen kleinen Band.
Michaela Boland:
Gehörst du zu den Menschen, die einmal Verfasstes möglicherweise schon am nächsten Tag wieder verwerfen, weil sie es nicht mehr für ebenso gut befinden wie am Vortag?
Das Gezeichnete Ich:
Ich lasse vieles liegen. Manchmal komme ich auch wieder zurück zum Ersten und sage, „mein Gott, das war genial, wieso bin ich denn diese ganzen Umwege gegangen“. Man muss manchmal alles einmal ablaufen.
Manchmal auch nicht, denn hin und wieder ist es auch so stark und so gut, dass man denkt, „oh Gott“, man hat Respekt davor, man kann es gar nicht anfassen. Diese Sachen, die bringt man dann nie zu Ende. Meine Songtexte sind eigentlich abgeleitete Gedichte, wo ich die Idee übernommen habe.
Das, was du eben zitiert hast, mit dem Wolkenbruch, (Anm. d. Red.: „Glück lässt mich verdursten, doch ich rechne mit dem Wolkenbruch“ siehe oben) das ist eigentlich ein total mathematisches Gedicht gewesen.
Michaela Boland:
Ach?
Das Gezeichnete Ich:
Naja, weil der Wolkenbruch und ich teilen das Universum durch die Zeit. Man kann das natürlich auch ganz anders lesen.
Michaela Boland:
Also, ich war in Mathematik nie so gut, daher musste ich sie in Deinen Gedicht-Zeilen offensichtlich verkennen.
Das Gezeichnet Ich:
Ich war auch nicht so gut darin. Ich glaube, weil es uns falsch beigebracht wurde.
Michaela Boland:
Wie erleichternd, dass du das sagst.
Das Gezeichnete Ich:
Ja. Mittlerweile liebe ich Mathe. Ich weiß gar nicht, wie ich mein Leben bisher ohne Mathe leben konnte?
Michaela Boland:
Das heißt, du hast mittlerweile ein Verständnis hierfür entwickelt?
Das Gezeichnete Ich:
Nein, ich bin ganz schlecht darin. Ich wünschte, ich wäre für Mathematik ebenso intuitiv wie für Musik. Da sagt Leipniz doch den berühmten Satz: „Musik ist Zählen ohne dass man weiß, dass man zählt.“
Also ich zähle, ohne, dass ich weiß dass ich zähle und fände es so toll, wenn mir dies in Mathe auch gelänge. Aber ich habe zumindest ein annäherndes Verständnis, obwohl mein Mathelehrer sagen würde: „Niemals!“
Michaela Boland:
Zeichnest du allein für deine Songtexte verantwortlich?
Das Gezeichnete Ich:
Ja, eigentlich schon. Das sind alles meine Lieder.
Michaela Boland:
Könntest du dir denn vorstellen, auch Stücke von einem anderen zu machen?
Das Gezeichnete Ich:
Ja, ich habe einen guten Kumpel. Bei dem probiere ich gerade, eines von seinen Liedern für mich zu adaptieren. Aber ich weiß nicht, ob es mir gelingt.
Michaela Boland:
Du lebst in Berlin. Sind deine Eltern auch vor Ort?
Das Gezeichnete Ich:
Sie leben nicht in Berlin.
Michaela Boland:
Hast du viel Kontakt zu ihnen?
Das Gezeichnete Ich:
Ich habe viel Kontakt. Ich bin einer von den Jungs, der seine Mutter jeden Tag anruft.
Michaela Boland:
Unterstützen deine Eltern den von dir gewählten Weg?
Das Gezeichnete Ich:
Ja, jetzt schon. Früher natürlich auch, aber sie haben immer gesagt, „Junge, mach was Anständiges“.
Michaela Boland:
Du wirst das Land Brandenburg bei Stefan Raabs diesjährigem Bundesvision Song Contest vertreten. Wie kam es dazu?
Das Gezeichnete Ich:
Da wird etwas eingereicht und dann wird etwas ausgewählt und ich wurde ausgewählt.
Michaela Boland:
Du engagierst dich auch sozial. Was machst du genau?
Das Gezeichnete Ich:
Echologic ist ein Netzwerk, das ich unterstütze. Mit den Jungs arbeite ich gemeinsam an Open-Source-Projekten. Ich werde mit denen eine Seite machen. Ich habe mit dem Gezeichneten Ich angefangen als gesamtheitlicher Kunst, denn ich möchte ein soziales Netzwerk machen, das wirklich sozial ist.
Also Social-Responsibility-Projects . Es gibt Leute, die einen Rhythmus geschrieben haben, der tatsächlich Diskussionen zusammen fast, also Wissen richtig toll aufbereitet.
Da kann man über Sachen diskutieren und über Projekte, die man verwirklichen möchte. Z.B.: „Macht den Spielplatz vor der Türe sauber vom Fixerbesteck “. Dann voten wir dafür und wenn das dann beispielsweise in Leipzig ist, dann würde ich dann sagen:
„O.K, .ich habe dann und dann ein Konzert in Leipzig, dann ist der Fixtermin und wir treffen uns da vor Ort, machen das alles sauber und haben irgendetwas gemacht.
Vor allem haben wir diesen inneren Schweinehund überwunden und in dem Moment ist Virtualität Realität geworden. Es geht auch immer darum, sich abzulenken, übrigens auch in dem Song „Du, ES UND ICH“, sich neurolinguistisch zu programmieren.
Michaela Boland:
Inwieweit?
Das Gezeichnete Ich:
Es geht ganz einfach, Dinge zu machen, z.B: mehr Sport zu machen, wenn man die richtigen Anreiz-Systeme hat. NLP, also neurolinguistisches Programmieren geht ganz einfach. Ich habe aufgehört, Cola zu trinken als ich mich programmiert und gesagt habe, „Cola ist Scheiße“.
Das war dann irgendwann richtiggehend verhaftet. Und von da an bin ich immer in den Laden gegangen und habe mir das vorgesagt und dann konnte ich da nicht mehr zugreifen.
Michaela Boland:
Und was ist mit dem Suchtfaktor?
Das gezeichnete Ich:
Du hast es dann entsprechend verhaftet. Und dann sagst du dir einfach, das ist ganz blöd. Es geht natürlich noch viel komplizierter und du kannst dich noch viel viel schlauer selbst an der Nase herum führen.
Aber das geht auch ganz schön, wie die Jungs von diesem Fun-Project, die gesagt haben, wie bringen wir die Leute dazu, die Treppen zu benutzen und nicht mehr die Rolltreppe?
Also haben sie eine Klaviertastatur daraus gemacht und an jenem Tag sind 98% der Leute auf dieser Klaviertastatur hoch gestiegen, die Töne von sich gegeben hat und haben die Rolltreppe links liegen lassen.
Es geht also. Und das versuche ich eben zu machen: Energie umzuwandeln. Wir können alle. Jedes gezeichnete Ich kann schon allein dadurch, dass es an dem und dem Tag dort ist, etwas ändern.
Michaela Boland:
Wie geht es bei dir in nächster Zeit konkret weiter?
Das Gezeichnete Ich:
Es stehen jetzt zunächst einzelne Auftritte an. Außerdem haben mich die Pet Shop Boys noch mal angerufen, ganz nett. Mit denen mach ich noch etwas. Ja, und dann kommt eben das Stefan Raab-Ding, dann kommt im Herbst die A-HA-Tour und dann mache ich endlich eine eigene kleine Tour und hoffe, dass ein paar Leute kommen.
Michaela Boland:
Gibt es etwas, das dir etwas Herzen liegt, und du der Welt unbedingt mitteilen möchtest?
Das Gezeichnete Ich:
Ja, denkt euch schnell was aus, wie wir das Leck von BP stopfen können!
Michaela Boland:
Henri, herzlichen Dank für dieses Interview, alles Gute und viel Erfolg für deine weitere Karriere.
Michaela Boland ist Journalistin und TV-Moderatorin. Bekannt wurde sie als Gastgeberin der WDR- Sommer-Unterhaltungsshow „Hollymünd“ in Köln-Bocklemünd.. Außerdem präsentierte sie die ARD-Vorabendshow „Studio Eins“.
Als Redakteurin und On-Reporterin bei „Guten Abend RTL“ lieferte sie täglich spannende Reportagen aus ganz NRW. Auf 3-Sat moderierte sie die Kultur-Talkshow „Doppelkopf“, für TV NRW präsentierte sie mit „Casinolife“ die erste deutsche Casino-Show rund um eine Million Euro Gewinn aus Dortmund-Hohensyburg. Boland arbeitet darüber hinaus als Sprecherin.
Für die Gesellschaft Freunde der Künste moderiert sie den Kaiserswerther Kunstpreis sowie alle grossen Kulturveranstaltungen der Gesellschaft.
Seit mitte 2009 ist sie verantwortlich für die Ressorts:
Michaela Boland