MICHAEL SCHMID-OSPACH mit Michaela Boland. Fotos: (c) GFDK
Als Kulturchef und stellvertretender Fernsehdirektor des WDR förderte er TV-Persönlichkeiten wie Anne Will und Bettina Böttinger.
In wenigen Tagen beendet Michael Schmid-Ospach nun seine Tätigkeit als Geschäftsführer.
Als Kulturchef und stellvertretender Fernsehdirektor des WDR förderte er TV-Persönlichkeiten wie Anne Will und Bettina Böttinger. Seit 2001 leitet er nach Dieter Kosslick erfolgreich die Filmstifung Nordrhein Westfalen. In wenigen Tagen beendet Michael Schmid-Ospach (MSO) nun seine Tätigkeit als Geschäftsführer der Filmbudget-Finazierungsstätte in Düsseldorf.
Wie er fortan seine Zeit verbringen will, was er vermissen wird, wer ihn als Schildkröte des deutschen Fernsehens bezeichnete und warum er das Klima der letzten Berlinale als overbooked & undersexed betrachtet, verriet der charismatische Dreifachvater Michaela Boland.
Michaela Boland:
Sie haben sehr viel Zeit auf der Berlinale verbracht. Welche Eindrücke haben sie diesmal von dort mitgenommen?
MICHAEL SCHMID-OSPACH:
Ich habe mehrere Kritiken über die Berlinale gelesen, die ich nicht ganz verstanden habe. Die Berlinale ist ein schönes Gegenstück zu den beiden anderen großen Festivals, die es etwas leichter haben, weil sie im Ansehen der Branche nie solche Tiefs wie die Berlinale hatten, und daher gibt es gar keinen Grund, sie unter Dieter Kosslick schlecht zu reden.
Es ist richtig, dass sie ein bisschen unübersichtlich ist, weil überall tausend Sachen los sind, aber ich empfand es als einen wunderbaren Whirlpool vieler spannender Filme.
Michaela Boland:
Haben ihnen ausnahmslos alle Filme zugesagt, die sie sehen konnten?
MICHAEL SCHMID-OSPACH:
Darunter gab es auch welche, wie beispielsweise solche, mit Gewalt gegen Frauen von Regisseur Michael Winterbottom, mit denen ich persönlich überhaupt nichts anfangen kann.
Ich frage mich auch, wieso so etwas überhaupt ins Kino kommt oder auf ein Festival. Gewalt bei Lars von Trier finde ich dagegen nahezu zwingend und einleuchtend. Ich habe einige schöne Filme wahrnehmen können und mich in vielen Gesprächen sehr amüsiert.
Michaela Boland:
Innerhalb der medialen Nachberichterstattung wurde zum Teil scharf kritisiert, dass es der 60. Berlinale dieses Mal deutlich an Glamour-Faktor gemangelt habe. Wie haben sie es empfunden?
MICHAEL SCHMID-OSPACH:
Ich glaube, den Vorwurf, die Berlinale sei nicht glamourös genug, gibt es eigentlich immer. Außerdem gibt es auch immer den anderen Vorwurf, Kosslick sei zu Star-orientiert. Beides ist richtig und falsch. Natürlich kann es gar nicht glamourös genug sein. Nur unmittelbar vor den Oscars die amerikanischen Weltstars nach Berlin zu bekommen, das ist ein Geschäft der ganz besonderen Art.
Man sieht ja, dass dazu auch unglaubliche Mengen an Geld notwendig sind, die eine Berlinale vielleicht nicht hat und nicht haben will. Man sieht es bei der Cinema for Peace-Initiative, die dann ihre Hollywood-Stars aufbietet, manchmal aber auch nicht.
Man sieht es ebenfalls bei der goldenen Kamera, wo auf einmal mit viel doppelter Währung, nämlich viel Bargeld und viel publizistischer Währung, große Stars eingeflogen werden, die dann da herum turnen.
Es ist für eine Stadt wie Berlin, die ja ohnehin den neuen Status, den sie in der Welt hat, nämlich einen ganz guten Zuzug aus allen Ecken der Erde, schwer, ein glamouröses Festival zu machen. Die Geschichten, auf die alle warten, also, wer mit wem jetzt gerade noch mal, kann ich auch nur begrenzt nachvollziehen.
Michaela Boland:
Stellt der Aufenthalt bei derartigen Filmfestspielen eigentlich harte Arbeit dar oder ist es nur mehr ein nettes „Get together“?
MICHAEL SCHMID-OSPACH:
Frau Boland, unterschätzen sie nicht das Get together. Ich finde, das gehört zum härtesten Stück Arbeit, was ich so kenne. Denn die Leute wollen etwas von einem, dauernd. Man will manchmal auch etwas von anderen.
Das hält sich aber schon sehr in Grenzen. Und dann ergibt sich dieser Stress, der darin liegt, dass einem unterschiedlich verrückte Leute dauernd Aufmerksamkeit und Energie abfordern und meist fordern sie einem mehr ab als man bereit ist, zu geben.
Michaela Boland:
Langeweile scheint offenkundig nicht aufzukommen?.
MICHAEL SCHMID-OSPACH:
Manchem Get together gehe ich aus dem Weg. Ich freue mich dann, wenn man für fast alle angesagten Partys Karten hat. Das ist so wie in dem Clooney-Film, wo man zeigen kann, welche besonderen Kreditkarten man besitzt. Wenn man dann auch noch das V.I.P.-Bändchen hat, um in besondere Bereiche vorzudringen, ist das unter der Rubrik `Status-Symbole` alles gut und schön, aber das muss ich manchmal nicht haben.
Vor allen Dingen, geht es häufig ja doch sehr in die Nächte hinein. Dann hat man am nächsten Morgen um 9.00 Uhr wieder ein Frühstücksgesprächsthema, was dem nächsten Jahr Cannes gilt oder dem übernächsten Jahr Venedig, oder aber es handelt sich, wenn es kurzfristig disponiert ist, auch schon mal um ein Frühstück, das genau in drei Monaten, nämlich in diesem Jahr in Cannes, eingelöst werden muss.
Das ist zu wenig Sauerstoff. Ein solches Klima würde man in amerikanischen Filmen als overbooked and undersexed bezeichnen. Sex ist natürlich weitergefasst zu verstehen als ich es jetzt sage, nämlich dahingehend, was die Freude dieser Welt insgesamt anbelangt.
Angefangen bei schönen Spaziergängen bis hin zu einem schönen Essen, denn selbst hierbei schlittert man unmittelbar in Berufsangelegenheiten und wird abgelenkt von dem, was man gerade auf dem Teller hat.
Michaela Boland:
Wann ist ihr letzter Tag in der Filmstiftung?
MICHAEL SCHMID-OSPACH:
Am 17. März.
Michaela Boland:
Was steht bis dahin noch alles an?
MICHAEL SCHMID-OSPACH:
Es ist alles ziemlich vollgepackt, sehr vollgepackt. Jetzt kommt noch der eine oder andere auf die Idee,“ wir wollten doch noch mal bevor sie..., und wir wollten doch noch ein ehrendes Mittag- oder Abendessen für sie geben“. Das Schwimmwasser läuft gerade voll.
Michaela Boland:
Wie geht es anschließend für sie weiter oder setzten sie sich nun tatsächlich zur Ruhe?
MICHAEL SCHMID-OSPACH:
Es werden viele interessante Einzelaufgaben sein, die mit der Branche, mit dem Journalistischen insgesamt zu tun haben. Da bin ich jetzt schon ganz fröhlich, was so alles gefragt wird. Ich werde zwar hoffentlich ein bisschen mehr Tennis spielen als bisher, doch mein Motto lautet einfach nur: „Slow Go“.
Und den Dingen, denen ich mich widmen will, werde ich mich unter weniger Zeitdruck widmen. Da freue ich mich auch richtig drauf. Ob das Bücher sind oder einfach nur mal in einem Straßencafe zu sitzen und die Zeitung zu lesen oder, ob das mal etwas zu Kochen sein wird.
MICHAEL SCHMID-OSPACH:
Was kochen Sie so?
MICHAEL SCHMID-OSPACH:
Ich kann nur ein paar wenige Sachen gut. Maultaschen.
Michaela Boland:
Noch haben sie einige Tage hier vor sich. Wie muss man sich einen typischen Arbeitsalltag des Filmstiftungsgeschäftsführers vorstellen?
MICHAEL SCHMID-OSPACH:
Der Arbeitsalltag hat mit dem Geschäft hier zu tun. Und das Geschäft besteht darin, dass hier Menschen, also Film- und Fernsehproduzenten kommen und für ihre Projekte Unterstützung wollen. Auch geht es um eine ordentliche Beratung, was man noch tun könnte. Sie kommen also her, manchmal auch zu mir.
Dann kommt dann Til Schweiger oder Götz George und sagt,: „lies das Drehbuch bitte“, und ich sage, „ ich lese keine Drehbücher, aber ich gebe das Drehbuch ins Lektorat und lasse es lesen und beurteilen“. Dann haben wir hier die Produktionsabteilung, die die Anträge prüft.
Das ist das Kerngeschäft, wie man so hübsch sagt. Zu diesem Kerngeschäft gehört dann auch am Ende die Kinopremiere oder der große Festival-Auftritt oder auch das Abstürzen am Markt. Alles mit drin.
Und rund um diese Dinge drapiert sich mein Arbeitstag, z.B. mit Telefonaten zu Projekten, die vor drei Jahren bereits abgewickelt wurden, zu Projekten, die in zwei Jahren erst begonnen werden usw.
Michaela Boland:
Ab welchem Stadium eines Projektes, das hier im Hause behandelt wird, sind sie dann persönlich involviert?
MICHAEL SCHMID-OSPACH:
Selten. Ich schalte mich selten ein. Ich rufe auch nicht die Leute an und sage: Herzlichen Glückwunsch, sie kriegen eine Million Fördermittel, sondern ich hebe mich selbst ein bisschen für die schwierigen Fälle auf.
Michaela Boland:
Welche würden sie als solche bezeichnen?
MICHAEL SCHMID-OSPACH:
Schwierig ist es immer, wenn es kompliziert wird, wenn Fälle also nicht normal lösbar sind. Und manchmal bin ich natürlich auch gleich aus Höflichkeit gegenüber denen involviert, die schon mit einer großen Leistung kommen und sagen, sie möchten gerne mit mir sprechen. Die möchten dann natürlich die Nummer Eins haben von so einem Laden und nicht irgendwen.
Da kann ich zehn mal sagen, sie sind bei meinem Mitarbeiter noch besser aufgehoben als bei mir. Sie haben dann das Gefühl, sie könnten mit mir „verbindlicher“ sprechen.
Gut, das mache ich dann. Ich halte jedoch immer für das Sachdienlichste, wenn die Dinge erst mal dahin kommen, wo die Fachleute sitzen. Die gucken es sich an, die stellen bestimmte Fragen, z.B., “wie wollen sie das denn ins Kino bringen und wie bekommen sie denn das und das an Geld noch zusammen, und haben sie denn auch die Fernsehauswertung bedacht?
Was ist denn, wenn sie die Schauspielerkonstellation XY nicht kriegen“, u.s.w. Es ist, wenn man so will, ein erster TÜV, der hier für einen Film statt findet.
Michaela Boland:
Was werden sie am meisten vermissen, wenn sie gehen?
MICHAEL SCHMID-OSPACH:
Och, ich weiß nicht. Ich habe ja für den WDR an unterschiedlichen Plätzen noch länger gearbeitet. Von daher ist mir die Länge nicht so aufgefallen. Ich werde Menschen vermissen. Filme muss ich ja nicht vermissen, denn ich kann ja ins Kino gehen, ich kann DVDs gucken, ich schaue Fernsehen.
Aber Menschen, mit denen man beruflich Kontakt hat, da werde ich den einen oder anderen vermissen. Bei dem einen oder anderen, das zeichnet sich jetzt schon ab, sind die Kontakte so gut, dass es auch danach zum gemeinsamen Essen oder Trinken kommen wird.
Michaela Boland:
Würden sie bei ihrem Werdegang von einer Traumkarriere sprechen?
MICHAEL SCHMID-OSPACH:
Also, mir käme bei mir nicht“ Traumkarriere“ in den Sinn. Schließlich gibt es ja auch deutlich sozusagen Karriereknicks in meiner beruflichen Entwicklung.
Michaela Boland:
Sie beziehen sich auf die ursprünglich bereits eingetütete Intendanz bei Radio Bremen?
MICHAEL SCHMID-OSPACH:
Ich bin zum Intendanten von Radio Bremen gewählt worden und es war alles verhandelt. Das konnte ich dann aus gesundheitlichen Gründen nicht machen. Dies ist sicher keine Traumentwicklung. So etwas lässt sich auch nicht planen. Man macht das, was man macht und versucht es gut zu machen.
Dann hat man bei denen, die über die nächsten interessanten Jobs entscheiden, einen entsprechenden Ruf. Das ist relativ einfach. Also die Filmförderung hier zu übernehmen, wäre mir nie in den Sinn gekommen.
Michaela Boland:
Wie kam es dann dazu?
MICHAEL SCHMID-OSPACH:
Ich hatte dem damaligen Intendanten, Herrn Pleitgen, damals als Dieter Kosslick nach Berlin ging, drei Menschen vorgeschlagen, die das hier machen könnten, denn ich war Vorsitzender des Aufsichtsrates der Filmstiftung. Dann hat Pleitgen gefragt, was ich denn mit den drei Leuten wolle, wir hätten doch schon den Besten.
Daraufhin fragte ich, der ich mich gerade im Urlaub in Portugal befand, wen er denn damit meine? Ich habe noch so herumgealbert als Fritz Pleitgen sagte, „ich komme gerade aus dem Kaukasus und habe einen Film gedreht“ und erwidert, „ und ich komme gerade aus dem Swimmingpool“.
Dann meinte er,“ jetzt mal im Ernst, MSO, was wollen sie denn mit diesen Dreien, wir haben doch den Besten, nämlich sie“. Ich fragte, „wie“?
Und er antwortete, „MSO, make a side stepp, gehen sie mal mit ihrer Frau am Strand spazieren und wenn sie nein sagen, ist es nicht schlimm, aber halten sie sich doch einmal so offen, dass sie einem alten Kollegen aufmerksam zuhören, wenn er ihnen sagt, warum es gut wäre, dass sie das machen, vor allem für den Sender und die Sache“.
Ich habe dann noch einmal eine ganz andere Welt kennen gelernt. Die Hälfte der Welt kannte ich gut über meine Verantwortung für Filme im WDR und bei ARTE, aber der Rest war neu für mich und das war sehr spannend.
Auch die Jahre vorher bei der Zeitung, wo ich Theaterkritiken geschrieben habe und u.a. ein Interview mit Otto Dix machen durfte, waren schön. Ich habe eigentlich immer ganz großes Glück gehabt, nämlich, dass es mir viel Spaß gemacht hat und dass ich immer faszinierende Sachen hatte.
Michaela Boland:
Hat ihnen das Psychologiestudium zu irgendeinem Zeitpunkt einmal in ihrer beruflichen Laufbahn weitergeholfen?
MICHAEL SCHMID-OSPACH:
Nein. Es war zwar ein ganz berühmter Psychologe, bei dem ich hören durfte, aber es war sehr kurz und ich habe das Studium ja abgebrochen. Was mir dann, als ich in Düsseldorf eine Professur bekommen habe, etwas irritierte Blicke eingehandelt hat.
Die Art, wie ich es abgebrochen habe, war auch interessant, weil ich eigentlich über die Theaterstücke der Else Lasker-Schüler promovieren wollte .Dann hat mir jemand gesagt, dass ich mit dieser Dissertation große Probleme haben würde, denn Lasker-Schüler gehörte dem germanistischen Zweig an und ich wollte meine Promotion am theaterwissenschaftlichen Institut ansiedeln.
Dann habe ich einfach gesagt, gut, dann mache ich ein Buch über Else Lasker-Schüler. Das war dann auch ein schöner Erfolg, zumindest in der publizistischen Beachtung. Was die Veränderung meiner universitären Karriere, die ich ja unterbrochen habe, anbelangt, so habe ich diese ja dann am Schluss mit Lehraufträgen wieder aufgenommen.
Michaela Boland:
Karriere ist insoweit wohl doch nicht dezidiert planbar?
MICHAEL SCHMID-OSPACH:
Man darf sich das nicht als eine gezielte Sache vorstellen, die man so entwickelt. Es hätte für mich auch in die Politik gehen können. Dass es das nicht ist, hatte ganz andere, private Gründe.
Beim Sender selbst habe ich relativ spät den Weg ins Fernsehen gefunden, Das hing damit zusammen, sehr früh von meinem ersten Intendanten eine Verantwortung im Fernsehen angeboten bekommnen zu haben, der ich mich nicht gewachsen fühlte.
Das war Friedrich Wilhelm von Sell. Dann hatte ich mit Claus von Bismarck zu tun, den ich als junger Journalist kennen und schätzen gelernt habe. Ich glaube auch sagen zu können, das war auf beiden Seiten der Fall. Meine WDR-Karriere ist deutlich länger als meine WDR-Zugehörigkeit.
Ich erhielt dann etwas angeboten, wo ich gesagt habe, das kann ich noch nicht, ich bin viel zu jung hierfür. Das hätte ich besser mal gemacht, weil ich dann einen ganz anderen Weg, sehr viel früher vor die Kamera gegangen wäre.
Später fand ich es dann nicht mehr so wichtig, eine Moderation zu übernehmen. Hierzu musste Fritz Pleitgen mich wirklich länger überreden, wie beispielsweise, den Kulturweltspiegel zu moderieren.
Michaela Boland:
Erinnern sie sich gerne an den WDR-Treff? In kaum einem Eintrag über sie im Netz wird mitgeteilt, dass sie die beliebte WDR-Sendung einst ebenfalls moderiert haben.
MICHAEL SCHMID-OSPACH:
Das ist eher Zufall. Ich habe hier ja das Gert-Ruge-Stipendendium gegründet. Zum 80-sten Geburtstag von Gert Ruge haben wir eine besondere Preisverleihung vorgenommen und da haben wir einen sehr schönen Zusammenschnitt eines WDR-Treffs mit Gert Ruge fertiggestellt.
Und von Gert Ruge bis Monika Piel, die dabei waren, haben sich alle kaputt gelacht. Inzwischen heißt ja sogar das jährliche große WDR-Get-Together der Intendantin „WDR-Treff“.
Der WDR-Treff war für mich eine spannende Erfahrung auch von den Leuten her, die ich dort kennen gelernt habe. Dass der WDR-Treff nicht so genannt wird, hat eigentlich mehr damit zu tun, dass meine TV-Karriere insgesamt nicht sonderlich herausgestellt wird .
Ich erlebe es heute noch, dass Leute im Museum zu mir sagen, „sagen Sie, haben sie nicht mal diese Kultursendung moderiert“, oder „ich höre ihre Stimme, woher kenne ich Sie“?. So etwas gibt es immer noch, obwohl das jetzt schon 10 Jahre her ist.
Mit dem WDR-Treff verbinde ich natürlich auch wunderbare Erfahrungen: Ein Hajo Friedrichs, der sich vor ihnen aufbaut und sagt, „ich schenke ihnen einen Tag meines Lebens“.
Da steht er da mit seinem weißen Haar, in seinem Trenchcoat und ich frage ihn, „und wieso das“? Dann guckt er mich streng an und antwortet, “ja, glauben sie, ich würde in dieses Gott verlassene Studio kommen, wenn es nicht jemanden gäbe, dem zuliebe ich das gerne täte“?
Michaela Boland:
Was bedeutet ihnen Bildschirmpräsenz?
MICHAEL SCHMID-OSPACH:
Ich habe auch Moderationen in Sondersendungen zum Nobelpreis für Grass oder ähnliches von der Buchmesse gemacht, sowie alle möglichen Kultur-Specials. Ebenso wie meine Regelsendung „Kulturweltspiegel“. Mich habe ich da aber als nicht so wichtig betrachtet.
Wenn ich mir im Moment so angucke, wie in der ARD die Kultursendung gemacht wird,, wie da jemand versucht, gar kein Moderator, sondern ein Star zu sein, dann finde ich das eher so grotesk, dass ich lachen muss.
Michaela Boland:
Warum haben sie bei der Moderation des Kulturweltspiegels eigentlich häufig so böse dreingeschaut?
MICHAEL SCHMID-OSPACH:
Als ich für Radio Bremen als Intendant kandidiert habe, gab es eine Veröffentlichung der Süddeutschen Zeitung, in der stand „Die Schildkröte des deutschen Fernsehens“.
Dann hat der damalige Wissenschaftschef des WDR, Alfred Thorwarth gesagt:“ Herzlichen Glückwunsch, Schildkröten werden über 180 Jahre alt“ und das hat mich schon mal getröstet.
Anschließend hat mir meine kleinste Tochter gesagt, warum da Schildkröte steht, ich habe es nämlich nicht verstanden. Sie sagte: „Das ist ganz einfach. Du hast eine Unart im Kulturweltspiegel, denn du blinzelst immer so und Schildkröten blinzeln.“
Das Blinzeln kommt überdies daher, dass sich die Technik im Studio nicht sehr gut um ich gekümmert hat. Ich hatte immer einen Scheinwerfer, der frontal auf die Augen ging und deshalb habe ich geblinzelt.
Jeden Showauftritt würde man ordentlich ausleuchten, das hat man bei der Kultur ja gar nicht nötig, da wird man behandelt wie, weiß ich nicht was.
Ich habe die Zuwendung, die ich als Moderator hatte, sowohl durch den verantwortlichen Redakteur und später die Redakteurin als auch durch die Produktionstechnik immer als absolut lausig empfunden.
Michaela Boland:
Warum haben sie denn nicht einfach zum lichtsetzenden Kameramann gesagt: Hey, Manni, kannst Du mal bitte den einen Scheinwerfer richtig setzten?“
MICHAEL SCHMID-OSPACH:
Das tut man in eigener Sache ungern. Ich habe mich mehrfach beschwert, wenn man mit den mir anvertrauten Moderatoren, also Anne Will oder Bettina Böttinger so umgegangen ist. Aber für mich selbst nicht. Ich habe mal einen Anruf von Ulrich Wickert bekommen, der nach mir in der Sendung war.
Der sagte: Sag mal, was leuchten die dich da so schlecht aus, was soll denn das?“ Und dann habe ich das weiter gegeben. Irgendein hoher Produktionsverantwortlicher stimmte sogar zu.
Und ich fragte ihn, warum er es dann nicht ändere. Wenn es darum geht, die eigenen Interessen wahrzunehmen, ist man zurückhaltender.
Im WDR hieß es ja damals „Hierarch“ Es gibt Hierarchen, die ihre ganze Zeit darauf verwenden, ihren eigenen Auftritt im Fernsehen vorzubereiten. Das empfand ich immer als Missbrauch der Funktion.
Denn entweder bin ich der Mann, der Ansager, Moderatoren und Redakteure disponiert und über wichtige Entscheidungen bestimmt, oder ich bin der Mann, der seine eigene Karriere vorantreibt. Das Letztere wollte ich eigentlich nicht sein.
Michaela Boland:
Wenn es nun einmal so blendet?.
MICHAEL SCHMID-OSPACH:
Ja, gut, es war ja nicht unerträglich und es wäre ja alles Aufgabe des Redakteurs gewesen, den ich da hatte oder der Redakteurin. Aber die haben sich für so etwas auch nicht interessiert.
Naja, ich beklage mich nicht, ich versuche nur zu erklären, dass mein partielles Desinteresse an diesem Thema „ich als Fernsehpersonality“ auch eine kleine Leidensstrecke ist. Ich hätte es ja ändern können.
Michaela Boland:
Sie haben eine Titularprofessur inne. Was für eine Erfahrung stellt das Lehren für sie dar?
MICHAEL SCHMID-OSPACH:
Diese Universitätsgeschichten waren für mich immer wie ein Stückchen Erholung und Jungbrunnen. Ich hatte immer außergewöhnlich spannende Studenten. Wunderbar. Von jedem Lehrauftrag, wo ich war, habe ich Menschen, mit denen ich auch heute noch zu tun habe, die auch zum Teil eine unglaubliche Karriere gemacht haben.
Raus aus dem Beruf und rein in eine andere Welt, in der es ganz andere Gesetze gab. Meist hatte ich mit jungen Leuten zu tun, nur bei meinem ersten Lehrauftrag an der FU Berlin waren die Studenten genauso alt wie ich.
Ich hatte die Möglichkeit, über mich selbst und meine Arbeit nachzudenken, das war der Erholungseffekt. Es war zeitlich immer gut kombinierbar weil es alle14 Tage im Rahmen eines Blockseminars von vier Stunden statt fand.
Michaela Boland:
Über welche Themen haben sie referiert?
MICHAEL SCHMID-OSPACH:
Unter anderem habe ich dann einfach über die Probleme, die mir auf dem Weg vom Fernsehen und einer relativ hohen Fernsehverantwortung, in eine Verantwortung für einen kleinen, doch ziemlich wichtigen Laden, begegneten, laut nachdenken können.
Alles, was mir so passierte. Das war spannend und das ist keine Sache des Geldes, denn von dem Honorar habe ich einmal alle Studenten zum Glühwein trinken eingeladen, da war das Honorar weg. Aber es war ein schöner Abend.
Michaela Boland:
Wie eitel sind sie?
MICHAEL SCHMID-OSPACH:
Natürlich bin ich eitel. Ich möchte ihnen gefallen und anderen auch. Das ist doch ganz klar. Aber es ist nicht so, hoffe ich, dass ich unerträglich eitel wäre. Ich glaube, dass eine gewisse Eitelkeit bei der Eigenliebe und der Selbstachtung, die hat ja schon erste Spuren von Eitelkeit aufweisen, anfängt..
Das Gegenteil ist, glaube ich, auch falsch, es ist genauso wie, einen ein Zuviel an Eitelkeit auch kaputt machen kann. Aber ich glaube, ich bin ein geliebtes Kind gewesen. Die Frauen, die mich erzogen haben, haben sich allerbeste Mühe damit gegeben.
Michaela Boland:
Sind sie noch häufig in ihrer Geburtsstadt, Heidelberg?
MICHAEL SCHMID-OSPACH:
Nein. Geboren bin ich dort, das wars dann auch. Ich bin von Heidelberg, das war ja alles direkt nach dem Krieg, im zarten Alter von sechs nach Wuppertal verschlagen worden. Wenn sie als Fünfeinhalbjähriger Schwäbisch reden und werden auf einen Schulhof in Wuppertal gesetzt, können sie gar nicht schneller Hochdeutsch lernen?
Michaela Boland:
Wurden Ihnen Prügel angedroht?
MICHAEL SCHMID-OSPACH:
So etwas, ja.
Michaela Boland:
Vermögen Sie es denn heute insgeheim trotzdem noch, Schwäbisch zu schwätzen?
MSO:
Heilichs Blechle! (Anm. d. Red.: Heilig`s Blechle ist eine schwäbische Redewendung zum Ausdruck des Erstaunens) Michaela Boland: Na, das ist doch schon einmal etwas.
MICHAEL SCHMID-OSPACH:
Bei mir ist das so, ich kann jetzt nicht aus dem Stand groß etwas reden. Ich kann ihnen lauter Geschichten erzählen von meiner Oma in Pforzheim, von meiner Tante in Freudenstadt:
Bub, möchtesch noch ä Säftele? U.s.w. Ich kann ihnen erzählen, dass zu meinen Lieblingsgerichten der geriebene Kartoffelsalat gehört. Maultaschen. Wenn ich aber dahin komme, dann merke ich, wie diese Sprache zunächst vom Singsang her von mir Besitz ergreift.
Michaela Boland:
Was haben Ihre Eltern beruflich gemacht? Gab es womöglich eine familiäre „Disposition“ für ihren medialen Werdegang?
MICHAEL SCHMID-OSPACH:
Mein Vater war Neurochirurg und meine Mutter war Kinderärztin. Ich habe viele Ärzte in der Verwandtschaft, eine Journalistin, meine jüngste Tochter, und meine älteste jetzt auch.
Eigentlich hat sie Medizin abgeschlossen und jetzt hat sie Filme über Prostatakrebs und Schmerztherapie gemacht und ein Buch über Schwangerschaften ab 35 geschrieben.
Mein Bruder war Arzt. Da ist insoweit nichts journalistisches angelegt. Mein Vater hat mit Hermann Hesse(*02.07.1877 in Calw) gerne korrespondiert. Das lag am gemeinsamen Geburtsort. Mein Vater hatte zwar schon ein Verständnis für journalistische Dinge, denn er hat viel publiziert.
Michaela Boland:
Mit Else Lasker-Schüler, einer deutschen Dichterin jüdischen Glaubens haben sie sich recht intensiv beschäftigt. Sie waren auch Mitglied der Else Lasker-Schüler Stiftung. Welchen Hintergrund hatte das?
MICHAEL SCHMID-OSPACH:
Ich war da drin und dass diese Gesellschaft so einen Aufwind hatte, hat sicherlich ein bisschen etwas mit mir zu tun. Weil ich 1969, zum letzten Geburtstag von Else Lasker-Schüler ein Buch herausgegeben habe, was eigentlich den Mann, der die Lasker-Schüler-Gesellschaft managt, Hajo Jahn, sehr motiviert hat.
Ich habe damals ein Pamphlet gemacht für ein anderes Bild auf diese Dichterin, auf diese Frau, die eine sehr emanzipierte Frau im Kaiserreich war und der viel Unrecht geschehen ist. Hajo Jahn hat damals gesagt, dass ich dass Lasker-Schüler-Bild in Deutschland neu definiert habe.
Michaela Boland:
Woher kam das ursprüngliche Interesse an dieser Frau?
MICHAEL SCHMID-OSPACH:
Ich war ein ganz junger Journalist in Wuppertal und in dort war sie geboren. Von daher war das naheliegend und ich habe sie sehr entdeckt und habe mich dann nicht nur mit der Lyrik und den drei Theaterstücken beschäftigt, sondern fasziniert hat mich eine leidenschaftlich liebende Frau, eine leidenschaftlich kämpfende Frau, eine wunderbare Frau, die ich gerne kennen gelernt hätte.
Es ist ja heute noch mutig, die Frau hat schon sehr früh zu Beginn des 20. Jahrhunderts gesagt, „wer der Vater meines Kindes ist, geht niemanden etwas an“.
In einer Gesellschaft, siehe Effi Briest, wo Frauen, die sich so aufgeführt haben, geächtet und in den Selbstmord getrieben wurden, da ist sie in Jeans und Pudelhosen über den Kudamm gelaufen. Und es war natürlich auch eine wunderbare Künstlerfrau des literarischen Expressionismus in Deutschland.
Michaela Boland:
Herr Schmid-Ospach, für ihre Zukunft alles Gute und vielen Dank für dieses Interview
MICHAEL SCHMID-OSPACH wurde am 29.08.1945 in Heidelberg geboren. Er verbrachte seine Kindheit in Wuppertal und studierte ab 1964 Germanistik, Theaterwissenschaften und Psychologie in Köln. Als Redakteur der Westdeutschen Rundschau leitete er anschließend das Ressort Feuilleton in Wuppertal.
Für die Zeitschrift „epd/Kirche und Rundfunk“ arbeitete er darüber hinaus als stellvertretender Redaktionsleiter in Frankfurt am Main. 1974 wurde Michael Schmid-Ospach medienpolitischer Berater des NRW-Ministerpräsidenten Heinz Kühn in Bonn.
1977 übernahm er dann die Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des WDR bis er in 1990 die stellvertretende Fernsehdirektion des Senders sowie die Leitung der Hauptabteilung „Zentrale Aufgaben“ angeboten erhielt.
Ab 1992 war Schmid-Ospach dann auch ARTE-Beauftragter des WDR sowie Vorsitzender des Aufsichtsrates der Filmstiftung NRW. Darüber hinaus war er auch als Programmbereichsleiter „Kultur und Wissenschaft/ Fernsehen“ tätig. Seit 2001 ist er Geschäftsführer der Filmstiftung.
Des weiteren ist Michael Schmid-Ospach Aufsichtsratsvorsitzender des Adolf-Grimme-Instituts, stellvertretender ZDF-Fernsehratsvorsitzender, Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Mitglied des Kuratoriums des Adolf-Grimme-Instituts und Mitglied des Aufsichtsrats des Europäischen Zentrums für Medienkompetenz.
Im Oktober 2006 wurde er durch die Fachhochschule Düsseldorf zum Honorarprofessor ernannt. Er hat außerdem Lehraufträge an der FU Berlin, der Universität zu Köln, der Universität Münster sowie der Universität Siegen.
Michaela Boland ist Journalistin und TV-Moderatorin. Bekannt wurde sie als Gastgeberin der Sommer-Unterhaltungs-Talkshow “Hollymünd“ des Westdeutschen Rundfunks in Köln.
Für TV-NRW präsentierte sie die erste Casino-Show im Deutschen Fernsehen “Casinolife“ aus dem Dortmunder Spielcasino Hohensyburg mit Stars, Roulette und Black Jack. Als On-Reporterin des RTL Magazins “Guten Abend RTL“ lieferte sie darüber hinaus allabendlich spannende Reportagen aus ganz NRW.
Für die Gesellschaft Freunde der Künste moderiert sie den Kaiserswerther Kunstpreis sowie alle grossen Kulturveranstaltungen der Gesellschaft.
Seit mitte 2009 ist sie verantwortlich für die Ressorts: