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07.08.2017 Auf der Suche nach dem Subversiven

"Hacker" - Angelika Wende im Gespräch mit dem Regisseur Alexander Biedermann und dem Hacker Marko Rogge

von: GFDK - Angelika Wende

Im Jahr 2010 hat Angelika Wende für die GFDK mit dem Regisseur Alexander Biedermann ein Gespräch über seinen Film "Hacker" geführt. Heute im Jahr 2017 ist das Thema in aller Munde und täglich in den Nachrichten. Regierungen, Unternehmen aber auch Privatpersonen sind vor Hackerangriffen nicht mehr sicher.

Der Mythos vom Hacker, der in alle Computersysteme eindringt, jedes Sicherheitssystem knackt, jede Sicherheitslücke aufdeckt und alle Programme aushebelt, der gefährliche Viren, Würmer oder Ähnliches programmiert, liegt seit das Phänomen in den achtziger Jahren aufkam, in der Grauzone zwischen Legalität und Illegalität

Das Tun der Hacker, bewegt sich zwischen Cyper-Robin Hood und gefährlichem Kriminellen, zwischen Bewahrer und Zerstörer. Es ist eine Art Janusköpfigkeit, die dem Bild, das sich viele über diese Menschen machen, anhängt. Ohne zu bewerten, sind Hacker  Menschen, deren Antrieb es ist, die Grenzen unserer Computersysteme auszuloten und neu zu definieren.

Mit dem Dokumentarfilm „Hacker“ dringt der junge Regisseur Alexander Biedermann am Beispiel von fünf Hackern aus verschiedenen Generationen in diese fremde Welt der Cyperspace ein, die so Manchem auf eine subtile Weise Angst macht.

Ich treffe Alexander Biedermann und Marko Rogge, einen der fünf Protagonisten des Films, in einer kleinen Bar in der Darmstädter Innenstadt. Ich habe anderthalb Stunden Zeit für das Gespräch. Danach müssen sie zum nächsten Interview.

Das ZDF hat sich angekündigt. Der Debütfilm des 35jährigen Newcomers weckt das Interesse der Medien, das Thema Hacker, so scheint es, interessiert nicht nur Computerfreaks. 

Wieso dieser Film als Debüt, Herr Biedermann?

Alexander Biedermann:

„Mit einem kleinen Team und wenig Geld suchte ich nach einem Thema, das noch Erklärungsbedarf hat. Dabei ergab sich der Anstoß diesen Film zu machen, eigentlich durch einen Zufall.

2006 stieß ich auf die Geschichte des deutschen Hackers Karl Koch. Die Theorien um seinen Tod haben mich neugierig gemacht. Das war der Aufhänger mich dem Thema Hacker anzunähern. Ich wollte wissen: Was ist das eigentlich, ein Hacker?“

Angelika Wende

Sie begaben sich also auf die Suche nach Menschen, die der österreichische Soziologe Roland Girtler einmal „Freibeuter auf dem Meer des Internet“  nannte. Wie schwer war es an Hacker heranzukommen und wie haben Sie sie für Ihre filmische Collage gewinnen können?

Alexander Biedermann:

„Es gab noch ein anderes Motiv. Ich suchte nach einer subversiven Ausdrucksform. Ich habe ein Interesse an Leuten, die man als subversiv bezeichnet und es hat sich irgendwie auf die Hacker eingependelt.

Ganz so leicht war die Annäherung an diese Szene nicht. Gefunden habe ich sie Bei der ersten Hackergeneration der 80er Jahre stößt man schnell auf Widerstand. Man muss erst mal eine Vertrauensbasis herstellen.

Sie wollen mit dem Thema nichts mehr zu tun haben und haben sich zurückgezogen. Ich habe sie über den Chaos Computer Club gefunden und ihnen vermitteln können, dass ich keine Stereotypisierung  bedienen will, ich habe erklärt, es geht mir um die Ambivalenzen, darum einen authentischen Ton zu finden. Ich wollte das Gut - Böse Schema  relativieren.“

Angelika Wende

Ist Hacken, wie manche Hacker behaupten, eine Kultur oder eine Subkultur, die sich am Rande der Gesellschaft abspielt?

Alexander Biedermann:

„Diese Hacker haben eine starke Freiheitsliebe, sie haben enormen Eigensinn. Das hat subkulturelle Muster. Manche Hacker sagen es ist eine Kultur, sie wehren sich gegen den Begriff Subkultur. Zum Hacken gehören Werkzeuge wie in der Kunst und wie in jeder Form von Kreativität.“

Marko Rogge:

„Es ist eine Betrachtungsweise, die jeder für sich definiert. Eine Subkultur ist es sicher, weil man sich von anderen PC Benutzern distanzieren kann. Wir sind keine Administratoren, sondern vielmehr der Feind der Administratoren. Wir grenzen uns von den Kriminellen ab, die Programme schaffen um Leuten zu schaden.

Alexander Biedermann:

„Das drückt der Film aus. Es ist ein Feld von Individualisten, Leute wie Marko, die ihre ganz eigenen Codes leben. Da gibt es andere Leute vom Chaos Computer Club, die da sitzen mit ihren Computern mit RAF Symbolen im Zelt sitzen und sogar mit ihrem direkten Gegenüber nur über den PC kommuniziere. Die Fähigkeiten dieser Leute bilden den Zusammenhang, nicht ihre Haltung.“

Angelika Wende

Gibt es dennoch eine Typologie, so etwas wie eine gemeinsame Struktur, die diese Menschen ausmacht?

Marko Rogge:

„Kein Ehrenkodex, keine Hackerethik! Die Hacker der ersten Generation hatten eine Hackerbibel aufgestellt, wie ein Hacker sich zu verhalten hat.“

Alexander Biedermann:

„Was ich beobachten konnte ist zum Einen, das nicht akzeptieren Können von Grenzen, zum Anderen ist da eine spielerische Neugier in die Dinge und Vorgänge reingucken.

Die müssen das verstehen. Das ist fast schon ein zwanghaftes Verhalten, ebenso wie diese fast schon übertriebene Vorsicht und das Misstrauen, es könnte ihnen einer in die Karten gucken.

Angelika Wende

Wie hat sich das auf Ihre Arbeit ausgewirkt?

Biedermann:

„Wir hatten viele Probleme mit der Kamera. Als Medienmensch stößt man sehr schnell auf Widerstand, man muss sich erklären, ständig. Hacker haben eine große Empfindlichkeit, viel Skepsis, gerade wenn es darum geht persönliche Dinge zu fixieren.

Da reicht schon das Bild von sich, man will nicht die Kontrolle verlieren, eine Angst vor Kontrollverlust. Das steht auch mit dem im Zusammenhang: – Ich lasse mich von Computer nicht kontrollieren, deshalb will ich ihn verstehen und beherrschen.“

Angelika Wende

Denken Sie, dass das Thema „Kontrolle“ ein Motiv des Hackers ist?

Alexander Biedermann:

„Das Motiv des Hackers ist wohl, ich will diese Grenze überschreiten. Ich will derjenige sein, der die Leute kontrolliert.

Angelika Wende 

Hat das Hacken mit Macht zu tun? Ist das der Kick?

Alexander Biedermann:

„Ich denke ja.“

Marko Rogge:

„Die Frage ist ja, ist das ein Sicherheitssystem, wenn man es knacken kann? Die Kontroverse die ich dahinter sehe, ist: Ist ein Sicherheitssystem geknackt, wenn man in ein Unternehmen einbricht, das alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat und man darin eindringen kann?

Dann ist die Frage die man stellen muss: Sind es dann überhaupt Sicherheitsvorkehrungen? Und ist es überhaupt dann als Sicherheitssystem zu betrachten? Für neunundneunzig Prozent der Menschen ist es sicher – aber wenn einer reinkommt ist es das eben nicht.

Es ist also aushebelbar. Nach dem Gesetz ist es nur strafbar, wenn ich ein Sicherheitssystem hintergehe, wenn es aber aushebelbar ist, dann ist  da kein Sicherheitsmechanismus .Also umgehe ich das Sicherheitssystem nicht, weil es de facto keins ist

Angelika Wende

Welcher Antrieb liegt dem zugrunde?

Marko Rogge:

„Der Antrieb ist, ich zeige den Leuten, es ist nicht so, Ihr seid nicht sicher. 

Angelika Wende

Geht es neben dem Aspekt der Grenzüberschreitung auch um ein Zerstören?

Marko Rogge:

„Ja, wenn man eine Sicherheitslücke findet und bekannt gibt,  zerstören wir die Illusion, dass etwas sicher war. Genau das ist das Thema, was illusioniere ich den Menschen da draußen an Sicherheit?

Hacker sind vielen Leuten suspekt. Zum Einen, weil man sie nicht (er)kennt, zum Anderen, weil man nicht genau weiß, was die da tun und was sie alles verursachen könnten. Gibt es einen Grund Angst zu haben?

Alexander Biedermann:

„Die Technologie ist in die Intimsphäre des Menschen vorgerückt. Da ist dann der Gedanke, ich kann sie nur bis zu einem bestimmten Maße kontrollieren, aber die Hacker behrschen sie – also beherrschen sie auch mich ein Stück weit.

Angelika Wende

Marko, ist Macht ein Motiv für Sie?

Marko Rogge:

“Es hat mit Macht zu tun, das ist das Grundprinzip, ein Mix aus dem extremen Verständnis der Technologie plus dem Wissen, was den Menschen ausmacht und zwar, dass man im Menschen Angst erzeugen kann mit dem Wissen, das wir haben.

Da haben wir natürlich eine Macht. Wir haben Möglichkeiten Ängste zu schüren Da denken die Leute, der kann das, der muss ja Böses im Schilde führen. Was wir gar nicht wollen!“

Alexander Biedermann: 

„Allein die Existenz der Hacker reicht schon aus, dass wir eine ganze Sicherheitsindustrie erfinden müssen, die Geld und Macht bekommt, so wie es im Graubereich der PC Technologie Leute gibt, die Motive haben, die nicht nur positiv sind. Die können in dieser, von der Technologie so abhängigen Struktur Schaden anrichten.

Angelika Wende

Liegt da die große Ambivalenz, die in diesem Film mitschwingt? In der Verschiedenheit der selbstgewählten Mission der Hacker?

Marko Rogge:

„Das ist ja die Frage. Sind Hacker Kriminelle? Es wird aufgezeigt was möglich ist, nämlich genau zu den Steuerungen vorzudringen, durch eine mehrstufige Schadsoftware, wie Wurm in Kombination mit Trojanischem Pferd beispielsweise in Atomkraftwerke vorzudringen. Das macht Hacker so gefährlich, dass macht Hacker so gefährlich, weil sie einfach in der Lage sind eine Perfektion zu erreichen.“

Angelika Wende

Sie haben über viele Monate an dem Film gearbeitet. Sie haben fünf  Persönlichkeiten portraitiert. Haben sie in diesem Prozess Sympathie gegenüber dieser „Art zu sein“ entwickelt?  

Alexander Biedermann:

„Ich hatte die vorher schon, es ging mir ja um die Suche nach eigenwilligen Menschen, das ist für mich ein Ansatz überhaupt durchs Leben zu gehen, auch in meinen Freundeskreis lasse ich nur solche Menschen rein. Sie pflegen diesen besonderen Individualismus.

Das sind welche, die nicht zum Wohlgefallen anderer alles tun, die ihrer Sache verpflichtet sind, die treu ihre Eigentümlichkeit pflegen, koste es was es wolle. Es geht nicht immer um Geld, es geht um Leidenschaft.“

Angelika Wende

Gab es Momente, in denen Sie beim Drehen Schwierigkeiten  hatten?

Alexander Biedrmann:

„Ich hatte viele Schwierigkeiten beim Drehen.

Es war oft einfach kompliziert und nervig. Die Frage wo führt das denn hin, das hat die Sache erschwert. Da gibt es Situationen wo einer nicht gefilmt werden will. Sie stören sehr schnell die Situation, sie machen von ihrem Persönlichkeitsrecht sehr schnell Gebrauch.

Ich habe letzten Endes mit Menschen gearbeitet, die die Kamera als Bühne verstanden haben, die eine Botschaft haben, ein gewisses Sendebewusstsein. Dazu gehört auch Marko. Er ist bereit zu sprechen.“

Angelika Wende 

Marko, inwieweit haben Sie sich in die Karten schauen lassen? 

Marko Rogge:

„In meinen Privatbereich sicher nicht. Ich würde mir natürlich nie in dieses Kunsthandwerk hineinschauen lassen. „

Angelika Wende

Alexander, was glauben Sie, ist es, was sich hinter dieser Verschlossenheit verbirgt?

Alexander Biedermann:

„Nun, will nicht verallgemeinern. Sie haben Eigenheiten wie Arroganz, Vertrauensverlust, Narzissmus, Angst vor Kontrollverlust. Das macht diese Menschen aus, das transportiert der Film in den Zwischenzeilen.

Angelika Wende 

Haben Sie das Gefühl, dass Hacker einsame Menschen sind?

Alexander Biedermann:

„Es sind Menschen die Anschluss suchen. Meine Theorie ist, dass die intensive Auseinandersetzung mit der Maschine, es geht ja nicht nur um die Hacker dabei, sondern um die ganze Gesellschaft, um die Entwicklung der letzen Jahre, in denen der Computer und so extrem nahe an uns herangekommen ist und eine so wichtige Rolle spielt.

Da ist da schon die Frage: Wie verändert sich der Mensch überhaupt? Natürlich habe ich  den Focus auf Menschen gerichtet, die ihre Gedanken und Fantasien immer darauf beziehen. Da hat man nicht die Peergroupentwicklung, das hat soziale Auswirkungen. Sie sind sicher einsam.

Es gibt eine soziale Veränderung. Man teilt bestimmte „Intimitäten“ eher mit einer Maschine, die man früher vielleicht mit Freunden geteilt hätte.“

Angelika Wende

Marko, wie sieht es mit Ihrem sozialen Leben aus?

Marko Rogge:

„Die Theorie von Alexander ist richtig. Wenn man nicht aufhört damit und nur an der Maschine hängt, erleidet man einen gewissen Sozialverlust. Man wird im Zweifel zum Autisten. Natürlich kann man mit dem PC keine Nähe teilen. Aber andere Menschen erleben das auch, die tun mir dann noch mehr leid. Denn sie haben nicht einmal mehr die Leidenschaft für das Tun an sich.

Angelika Wende

Wie teilt man seine Leidenschaft fürs Hacken mit anderen Menschen und ist das überhaupt möglich?

Marko Rogge:

„Das Problem ist, dass man als Hacker immer wieder, egal wenn mich jemand was fragt, feststellt, das man im Gespräch zu viel an Wissen in diesem Bereich voraussetzt, dieses bisschen Voraussetzen ist schon achtzig Prozent zu viel vorausgesetzt. Man spricht eine andere Sprache. Und das will man nicht immer wieder erklären. Dann sagt man, ich erkläre es kein zweites Mal, geh halt.“

Angelika Wende

Marko, Sie simulieren Hackerangriffe für Firmen gegen Bezahlung und auf ausdrücklichen Wunsch der Firmen. Leben Sie Ihre seine Leidenschaft auf legale Weise aus?

Marko Rogge:

„Sicher.“

Angelika Wende

Alexander, der Film weckt Erwartungshaltungen. Was zeigt er über das Hacken selbst?

Alexander Biedermann:

“Dem Film wird zum Teil vorgeworfen er zeigt zu wenig. Zu wenig von, wie bricht man denn in ein Sicherheitssystem ein, wie geht man da genau vor.“

Marko Rogge:

„Aber das ist genau das was schwierig ist, sich in die Karten gucken zu lassen. Was gibt es da zu sehen? Ein paar langweilige Codezeilen.

Alexander Biedermann:

„Es gibt Prozesse in der ganzen Maschinerie, die man nicht beantworten kann. Warum habe ich den Film gemacht? Ich erkläre es mir mit der Suche nach der subversiven Kraft, den subversiven Elementen wo ich andocken kann, als Mensch selber. Vom hacken habe ich keine Ahnung.“ 

© angelikawende, 2010

Angelika Wende

Vita & mehr

  • Freie Journalistin und Autorin
  • Sprecherin, Moderatorin, Schauspielerin
  • Dreizehn Jahre Fernseherfahrung als Moderatorin und Nachrichtensprecherin beim Sender PRO 7 in München und im Zweiten Deutschen Fernsehen
  • OFF- Sprecherin für ZDF, Arte und Phönix
  • Freie Mitarbeiterin der Allgemeinen Zeitung Mainz
  • Presse-und Öffentlichkeitsarbeit für die Eventagentur oncue, Mainz
  • Kreation, Umsetzung und Saloniere des "Silbernen Salon"
  • Kreation, Umsetzung und Moderatorin des Kultur Salons Mainz mit dem Produzenten oncue event & communication
  • Inhaberin der Agentur workingforart
  • Kuratorin für das Kulturamt der Stadt Mainz:
  • "Leben ist Form - die Bildhauerin Irmgard Biernath"
  • Kuratorin des Kunstvereins Eisenturm in Kooperation mit dem Kulturamt Mainz: "Generationen"
  • Laudatorin für den Berufsverband Bildender Künstler (BBK) Rheinland-Pfalz
  • Freie Tätigkeit als Laudatorin in öffentlichen Institutionen und Galerien in Mainz, Wiesbaden, Berlin, Leipzig, Ludwigshafen, Kaiserslautern 

angelikawende@remove-this.aol.com

www.angelikawende.com

 

 

 

 

 

 

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