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15.06.2010 alles was sie schon immer wissen wollten

MICHAELA BOLAND TRIFFT EX-EMI-PROMOTION MANAGER UND KULTURTREFF-MACHER WINNI EBERT - Exklusivinterview für freundederkuenste.de

von: GFDK - Michaela Boland

Stellen sie sich vor, sie sollen Weltstar Grace Jones („Slave to the Rhythm“) vom Hotel abholen um sie zu ihrem Auftritt zu „Wetten dass“ zu fahren. Dann öffnet Ihnen Heinz Henn (Anm. d. Red.: späterer DSDS-Juror/RTL) die Tür und bittet Sie herein.

Sie nehmen auf dem Sofa im Zimmer des Dom Hotels Platz und plötzlich öffnet sich die Badezimmertür und eine nur mit Slip und joghurtartiger Gesichtsmaske bekleidete Grace Jones tritt aus der Dusche, schreitet unbeeindruckt an ihnen vorüber und murmelt wie selbstverständlich: „I hope you guys don`t mind.“ Otto Normalbürger würde vermutlich etwas „baff“ sein. Nicht so er.

Ob Paul McCartney, Tina Turner, Freddie Mercury, Alan Parsons oder Diana Ross. Er hatte sie alle: Winfried Ebert, genannt Winni. Von vielen beneidet, gelang es nicht gerade einer großen Anzahl von Menschen, derartig nahe an sämtliche Top-Stars der Musikbranche heranzukommen, wie ihm.

Als Promotion-Manager der großen und traditionsreichen Plattenfirma EMI war Winni Ebert viele Jahre als „Mädchen für alles“ für die Superstars im Einsatz, wenn er diese vor, bei und nach ihren Auftritten betreute.

Vornehmlich als Bindeglied zwischen Medien und Künstlern koordinierte Ebert Interviews und sonstige Medienanfragen für die von ihm betreuten Superstars.

Jetzt hat der 60-jährige ein Buch geschrieben, in denen er all seine Erlebnisse rund um Skandale- und Skandälchen, aber auch nette Anekdoten mit den wirklich Reichen und Berühmten aus der Musik-Szene dokumentiert hat. Zuhause in Köln traf ich Winni Ebert, um gemeinsam mit ihm auf der Grundlage seines neuen Buches „Im Music Bizz“ in Erinnerungen zu schwelgen. 

Wer Winnis Wohnzimmer betritt, ist zuerst mal geblendet. An den Wänden ringsherum nämlich hängen derartig viele goldene Schallplatten und Platinscheiben, dass man bei Sonnenschein, der, wenn er mal da ist, ganz schön intensiv in seine Gemächer strahlt, beinahe gut daran tut, die Sonnenbrille zunächst erst einmal aufzubehalten.

Der Mann, der so dicht an den Showgrößen dieser Welt war und sie auch in solchen Situationen erlebte, die der Öffentlichkeit stets verborgen bleiben, umgibt sich gerne mit den Relikten der vergangenen Tage.

So hängt in seinem Badezimmer ein Sammelsurium von Backstagepässen, die bei potentiellen Versteigerungen mit Sicherheit ein kleines Vermögen einbrächten. Außerdem schmücken zahlreiche Bilderrahmen mit Fotografien, die ihn mit seinen prominenten „Schäfchen“ abbilden, seine Räumlichkeiten.

So kann man den Ex.-Promotion-Mann beispielsweise mit Sänger Helmut Lotti, wahrscheinlich zu diesem Zeitpunkt noch mit vollständig echtem Haupt-Haar und einer seiner Ehefrauen bewundern.

Außerdem: lustige Schnappschüsse mit Ex-Beatle-Super-Star Paul McCartney, der sich auf Fotos meistens hinkniet, um zu verbergen, wie klein er tatsächlich ist, wenn er steht, und seiner geliebten Gattin Nr. 1, Linda. 

Michaela Boland:

Denkt man im Hinblick auf Rock- und Popstars an das alte Klischee, kommt einem schnell der Slogan „Sex, Drugs and Rock `n Roll“ in den Sinn. Was ist da dran?

Winni Ebert:

Ich habe das immer mal so ein bisschen mitbekommen, habe mich aber nie darum gekümmert. 

Michaela Boland:

Wenn unter den Stars, die man teilweise rund um die Uhr betreuen muss, auch solche sind, die mit Drogen herum hantieren, schafft man es dann immer, sich von dem fiesen Zeug fern zu halten? 

Winni Ebert:

Ein ganz wichtiger Punkt bei mir ist der, dass ich wegen meines Auges als Kind sehr oft im Krankenhaus war. In meiner Kindheit ist mir nämlich mal ein Bügeleisen aufs Gesicht gefallen. Dadurch war ich oft im Krankenhaus und habe daher absolute Panik vor Spritzen und allem, was damit zu tun hat.

Bei Blutabnahmen lege ich mich schon direkt hin und sage: „Mir wird schlecht.“ Daher habe ich auch ganz einfach Angst vor diesen Sachen. Das hat mich im Leben wahrscheinlich davor bewahrt, irgendwie mit Drogen zu tun zu haben.

Michaela Boland:

Warum kommt der Konsum von Drogen gerade in diesem Business oft verstärkt vor?

Winni Ebert:

Ich glaube mittlerweile gar nicht mehr, dass es noch so viel ist wie früher. Ich denke, früher war es viel massiver. Ich rede jetzt mal von den Großen und das sind ja mittlerweile alles alte Leute, die zwei Tage brauchen, um wieder normal zu werden.

Also, Mick Jagger macht mit Sicherheit nicht mehr viel. Denn er springt ja zwei Stunden lang auf der Bühne hin und her. Bei Keith denke ich anders. Der Grund, warum Leute wahrscheinlich zu „Uppers“ oder „Downers“ greifen, also solchen Mitteln, mit denen sie einschlafen können oder solchen ,um dann wieder wach zu werden, ist der, dass sie abends einfach eine Zeit lang brauchen, um wieder runter zu kommen, denn du stehst da oben und bist schon ein bisschen aufgeregt.

Dann brauchst du eine Zeit, um wieder normal zu werden und schlafen kann da niemand anschließend nach so einem Konzert. Selbst Leute, die 50 Jahre unterwegs sind, brauchen ihre Zeit. Und dann muss man oft am nächsten Morgen wieder früh raus und los zum nächsten Gig (Anm. d. Red.: Auftritt)

Michaela Boland:

Liest man von all deinen Erlebnissen mit den Topstars der Branche, macht es den Anschein als sei der Job einer der interessantesten der Welt. Wie wird man Promotion-Manager und ist das eigentlich immer erstrebenswert?

Winni Ebert:

Nachdem ich einige Zeit Musikveranstaltungen durchgeführt und unter anderem das monatliche Stadtmagzin „Szene“ in München mit auf den Markt gebracht hatte, erhielt ich 1976 einen Anruf von Bernie Gockel aus der Presseabteilung der Electrola.

Er teilte mir mit, dass bei EMI noch Mitarbeiter im internationalen Bereich gesucht würden. Ich setzte mich mit dem Abteilungsleiter, Helmut Fest, in Verbindung und bekam den Job nach einem persönlichen Vorstellungsgespräch.

Manchmal ist die Arbeit eines Promotion-Managers allerdings auch ganz schön schwierig. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang besonders an den Künstler Lou Reed (Anm. d. Red.:“Walk on the wild Side“/1978)

Er jedenfalls kam mit dem Flieger aus Frankreich. Wir standen am Zollausgang des Hamburger Flughafens, ich war nämlich mit einem Kollegen aus Köln, Walter Pütz, zusammen dort, um ihn abzuholen.

Lou kam mit seinem Wägelchen und tief dunkler Sonnenbrille heraus und noch bevor er irgendetwas anderes, wie beispielsweise „Guten Tag“ oder so sagte, fragte er: „Who is Walter Pütz?“ Mein Kollege Walter antwortete brav: „Ich bin Walter Pütz“, woraufhin Lou Reed rief: „You `re fired!“ Da fragte Walter: „Wieso?“

Wir hätten ein Scheißjob hier in Deutschland gemacht, denn seine Tournee sei nicht ausverkauft. „Ich komme gerade aus Frankreich, da war überall alles ausverkauft und hier in Deutschland ist nicht alles ausverkauft“, hielt er uns wütend vor.

Das war zwar schon richtig, allerdings hatte der Künstler mitnichten erfasst, dass bei einer Konzerttournee nicht die Plattenfirma, sondern der Veranstalter für den Verkauf der Tickets zuständig ist „Wir haben sodann versucht, es Lou Reed klar zu machen. Dann habe ich mich noch mit seinem Tourmanager verabredet. Aber für Walter Pütz war`s das, er fuhr wieder nach Köln, denn er war ja abkommandiert.

Michaela Boland:

Lou Reed scheint insoweit kein einfacher Zeitgenosse gewesen zu sein. Verlief die weitere Zusammenarbeit problemlos?

Winni Ebert:

Keineswegs. Dann hatten wir abends unser Konzert und es ging auch alles gut, doch schon ein paar Tage später waren wir in Frankfurt in der Festhalle. Da bin ich vorher noch mit ihm allein in der Gegend des Bahnhofs unterwegs gewesen. Dort gab es überall solche An- und Verkaufsläden.

Lou wollte unbedingt so einen kleinen braunen Cassettendeckrecorder mit zwei Lautsprechern, die man überall hin mitnehmen kann und quengelte. Dann habe ich ihm so ein Ding sogar noch auf Geschäftskosten gekauft und später von den Buchhaltern unserer Firma zurückgefordert. 260,- DM hat es gekostet.

Abends sollte dann das Konzert stattfinden, ich selbst musste aber nach München zu Queen. Lou ist somit allein zu seinem Konzert aufgebrochen und hat seinen Gig angefangen, während ich in München ankam.

In dem furchtbar stinkenden Zirkus, in dem der Auftritt von Queen stattfinden sollte, wurde ich sogleich über Lautsprecher ausgerufen, nachdem ich Freddy Mercury und Co kurz begrüßt hatte. Dann eilte ich ins Produktionsbüro, um zu erfahren, was eigentlich los sei.

 Ich muss dazu sagen, es gab früher mal eine Firma, die hieß Mama-Concerts“ das waren Marek Lieberberg in Frankfurt und Marcel Avram in München. Die waren früher mal zusammen. Marek war damals für Lou in Frankfurt zuständig und Marcel für Queen in München..

Dann sagte Marcel zu mir: „Der Marek hat mich gerade angerufen, die haben Lou auf der Bühne verhaften lassen.“ Was passiert war, war Folgendes: Ich hatte ihn und sein Kassettendeck noch in der Festhalle abgeliefert und bin dann zum Flughafen gefahren, um nach München zu fliegen.

Er ist in Frankfurt auf die Bühne gegangen, irgendwann um halb neun und hatte die Leute somit ohnehin schon irrsinnig lange warten lassen und hat dann erst mal 20 Minuten lang immer nur denselben Akkord gespielt.

Doch irgendwann sind die Leute ausgerastet und haben so geschrieen und gepfiffen, und angefangen Sachen zu schmeißen, dass der Veranstalter Marek Lieberberg schlichtweg Angst davor hatte, dass die wütende Masse dazu im Stande sein würde, die Festhalle zu zerhacken.

Deshalb hat er die Polizei verständigt und darum gebeten, Lou von der Bühne zu befördern, was diese auch mit Handschellen getan und ihn schließlich abgeführt haben.

Michaela Boland:

Langweilig war dein Arbeitsalltag demzufolge nicht. Waren solche Erlebnisse der Grund dafür, dass du nun unter die Autoren gegangen bist oder was genau hat dich zum Schreiben des Buches veranlasst?

Winni Ebert:

Ich finde es schön, wenn meine Kinder auch einmal wissen, was ihr Vater so gemacht hat. 

Michaela Boland:

„Im Music Bizz“ ist ein gutes Stück lang ja auch reine Autobiografie. Man erfährt sehr viel über deine persönlichste Familiengeschichte sowie von deinen amourösen Abenteuern. Wie lange hast du dafür gebraucht?

Winni Ebert:

Das Buch ist in Etappen gemacht worden. Mit dem ersten Teil habe ich begonnen als ich ein paar Monate am Stück in Hamburg verbracht habe. Nachdem die Stones-Tour 1982 vorüber war, saß ich zwei drei Monate herum und bin mit Thomas Stein (Anm. d. Red.: ständiger Co-Star bei Oliver Geissens Chart-Show/RTL) öfter um die Ecke ins „Onkel Pö“ (Anm. d. Red.: bekannte Hamburger Musikkneipe) gegangen.

Da habe ich den ersten Teil noch mit Schreibmaschine getippt. Später habe ich dann alles noch mal abgeschrieben und dabei ein wenig korrigiert. Weiter ging es nachdem meine zweite EMI-Zeit dann vorüber war und bevor ich nach Berlin umgezogen bin. Den letzten Teil habe ich dann abgeschlossen, nachdem ich in Berlin wieder aufgehört habe. 

Michaela Boland:

Erinnerst du dich noch daran, wie es war als du das erste Mal die Rolling Stones getroffen hast?

Winni Ebert:

Ich glaube das war 1982. Da spielte gerade BAP in Müngersdorf und Keith, der mir dann auch seine Sonnenbrille geschenkt hat, fragte mich ganz interessiert, wer denn die Band da draußen wäre. Das weiß ich noch sehr genau, denn es war im Cateringbereich, wo es Essen gab.

Bei der Tour der Stones in 1999 fuhren wir dann gleich in einer ganzen Eskorte durch die Stadt. In Hamburg war das Konzert nämlich so gut besucht, dass das Stadion zu klein war, daher haben sie auf eine Wiese ausweichen müssen, auf die 80.000 Menschen passten. Abgesehen von Keith und dem Bassisten, hatte jedes Stones-Mitglied seinen eigenen Wagen.

Sieben Autos. Dunkle Vans mit getönten Scheiben. Vorne und hinten jeweils wurde die Kolonne von Streifenwagen begleitet. Von Seiten der Band waren lediglich ein Security-Mann und der Tourmanager dabei. Wir sind bei Rot immer durch gefahren und die Polizei hielt die übrigen Autos mit Kellen einfach an.

In einem Wagen saß Mick mit seiner Freundin. Plötzlich schießt ein uns unbekannter Wagen in die Kolonne und setzt sich hinein, um einfach mit uns zu fahren. Ein dunkelbrauner Mercedes 560 SEC und die Polizei kriegte ihn nicht mehr aus unserer Kolonne raus.

Der ist bis an die Bühne mit uns vorgefahren. Dann steigt einer aus dem Wagen.: Es war der sogenannte „Neger-Kalle“ (Anm. d. Red.: Karl-Heinz Schwensen, bekannte Person aus dem Hamburger Rotlichtmilieu, der später die Gruppe Tic Tac Toe zum Comeback brachte und als Markenzeichen Schnauzbart und Pilotenbrille trägt).

Es hat ihm später sogar noch einer einen Backstage-Pass gegeben und dann habe ich ihn sogar auf der Bühne gesehen. So was von frech, das war wirklich dreist. 

Michaela Boland:

Du hast mit so vielen Weltstars zu tun gehabt. Woran erinnerst du dich zuerst, wenn du zum Beispiel an Paul McCartney denkst?  

Winni  Ebert:

Alle, die mit ihm zu tun hatten, haben sich extra Schuhe gekauft, die nicht aus Leder waren, denn er hat etwas gegen das Schlachten von Tieren, die Augen haben. Wir durften auch keine Lederjacken tragen und mussten aus der Garderobe jedwede Ledercouch herausholen. Die Schuhe, die ich sogar noch heute habe, sind aus einer Kombination von Plastik und Honig.“

Michaela Boland:

Was wäre denn passiert, wenn die Ledersofas nicht herausgeräumt worden wären? 

Winni Ebert:

Dann wäre er böse auf uns gewesen.

Michaela Boland:

Nachdem Sir Paul McCartney einmal bei einer „Wetten dass“ Show mit Kurzzeitmoderator Wolfgang Lippert (Lippi) aufgetreten ist, soll er sich anschließend geweigert haben, jemals wieder in diese Sendung zu gehen. Was ist damals vorgefallen?

Winni Ebert:

Bei jenem Auftritt in Saarbrücken hatte Wolfgang Lippert dem schwitzenden Paul McCartney beim Gespräch auf der Couch peinlicherweise mehrfach vor laufender Kamera mit seinem Taschentuch die Stirn abgetupft.

Das war Paul dermaßen unangenehm, dass er viele Jahre trotz Versicherung, dass die Show nunmehr von Thomas Gottschalk moderiert werde, nicht mehr dazu zu bewegen war, in diese Sendung zu kommen.

Michaela Boland:

Gab es etwas, das Dich an ihm besonders fasziniert hat?

Winni Ebert:

Was das Interessante bei ihm auf Tour war, war, dass er immer dort, wo es möglich war, sein eigenes Flugzeug, in das 40 oder 50 Leute hineinpassten, also seine komplette Band und Crew, mitbrachte und nach einzelnen Konzerten, direkt nach dem letzten Ton, ins Auto gesprungen, zum Flughafen gefahren in den Flieger hinein gestiegen und ab nach Hause geflogen ist.

Direkt um die Ecke seines Wohnhauses in Süd-England ist ein alter Militärflughafen und somit war Paul innerhalb einer Dreiviertelstunde  in der Regel wahrscheinlich schneller zu Hause und im Bett als die meisten Leute seines Publikums nach einem Konzert.

Michaela Boland:

Gab es unter den von dir betreuten Künstlern auch solche, die einen tiefen Absturz bewerkstelligen mussten?

Winni Ebert:

Eine ganz heftige Geschichte war die mit Billy Idol, Mr. Rebel Yell. Der war mal richtig klasse und hatte eine Band, die hieß „Generation X“. Auch Rebell Yell war ja ein großer Erfolg. Dieser Mann hatte ohnehin viele Hits. Der hat, so glaube ich, einfach zu viel gemacht und ist irgendwann so richtig abgestürzt.

Irgendwann waren wir gemeinsam auf einem Festival in Würzburg. Da sah er auch schon ganz schön kaputt aus und hatte auch plötzlich lange Dreadlocks. Im Gegensatz hierzu hatte er ja früher eher so eine Frisur wie David Bowie zu seinen besten Zeiten.

Ich bin damals von Würzburg aus leider nicht mit Billy weitergezogen, sondern ein Kollege war anschließend für ihn zuständig. Dieser flog mit ihm nach München. Tagsüber mussten sie noch Interviews machen, aber Abends sind sie in ein Bordell gefahren namens „Leierkasten“ am Frankfurter Ring in München.

Da haben die bis morgens um acht, also so lange, bis der Laden sie rausgeschmissen hat, wirklich Vollgas gegeben. Dann aber mussten sie schon zwei Stunden später am Flughafen sein, um weiter zu fliegen.

Jetzt lief Idol mit seinen Dreadlocks da herum und trug doch glatt zu dieser ´Zeit so eine Art Camouflage-Anzug. Außerdem hatte er Springerstiefel an den Füßen. Er war natürlich noch komplett betrunken. Die schwarzen Sheriffs da unten sind dafür bekannt, dass sie ziemlich heftig vorgehen können.

Jedenfalls musste mein Kollege, Helmut, von München aus nach Köln fliegen, Billy Idol sollte nach Madrid. Helmuts Flieger ging nun 20 Minuten früher also setze er Billy Idol allein am Flughafen ab, in der sicheren Erwartung, dass dieser erwachsene Mann, es allein schaffe, noch einen Augenblick sitzen zu bleiben und dann in seinen Flieger nach Madrid zu steigen.

Aber, was macht der Kerl? Der steht auf, läuft im Stechschritt durch die Halle und macht den Hitlergruß. Da kamen die Jungs direkt und haben ihn in den Knast gesteckt.

Michaela Boland:

Wie lange hat Billy Idol dann gesessen?

Winni Ebert:

Er saß ganze zwei Tage da unten im Knast. Die Spanier waren darüber richtig sauer, denn da musste ja alles gecancelt werden.

Michaela Boland:

Wie ging es mit ihm weiter?

Winni Ebert:

Er ist dann für ein paar Jahre zu seiner Mama gegangen und hat versucht, von allem weg zu kommen. Dann hat er Jahrelang nichts gemacht und jetzt habe ich gehört, dass er an einem Comeback bastele.

Michaela Boland:

Wie schätzt du seine Erfolgschancen ein?

Winni Ebert:

Schwierig, ich denke schon, dass es heutzutage schwer sein wird.

Michaela Boland:

Kann man deiner Meinung nach in der heutigen Zeit tatsächlich noch ein klassischer Superstar werden?

Winni Ebert:

In Berlin gibt es einen Mann, den finde ich absolut klasse. Er heißt Peter Fox. Ich glaube, das wird ein ganz Großer. Selbst in deutscher Sprache denke ich, dass er eine internationale Karriere wie Tokio Hotel machen kann. Es gibt wieder so etwas. Tokio Hotel ist eigentlich für mich dasselbe wie die Rolling Stones am Anfang.

Die sehen irgendwie verrückt aus, sehen gut aus. Guck dir mal die Rolling Stones an als sie jung waren. Die sahen teilweise ein wenig mädchenhaft aus. Es ist zum Beispiel unglaublich schwer für Deutsche, Erfolg in Frankreich oder auch in England zu haben?

Michaela Boland:

Woran liegt das? 

Winni Ebert?

In England ist schon mal grundsätzlich schwierig für uns Deutsche. Wir hatten ja immer den „Rockpalast“. Das einzige wirkliche große Land, dass nie etwas mit dem Rockpalast zu tun haben wollte und diesen auch nicht übertragen hat, war England.

Die standen auf dem Standpunkt: „Wir haben das erfunden, was wollt ihr eigentlich, ihr blöden Deutschen?“ Auch die Scorpions hatten am Anfang ähnliche Schwierigkeiten. Dieter Dierks, der die ganzen Platten von den Scorpions produziert hat, hatte die Jungs zuerst nirgendwo unterbringen können.

Jetzt ist Dieter von der jüdischen Abteilung und da hatte er solange seine jüdischen Freunde in New York bequasselt, bis die gesagt haben: „o.k., dann versuchen wir es halt mal.“ Zuerst hatten die nämlich immer gefragt, was wir mit unserem „Lederhosen-Rock“ wollten?

Sie hätten davon selbst genug. Sie hätten Linhead, Skinhead und diese und jene. „Was also wollen wir mit einer Band aus Deutschland? Wir können das doch alle hier viel besser“, lautete ihre Devise stets zuvor.

Michaela Boland:

Wie erklärst du dir, dass viele deutsche Stars, auch Volksmusiker, gerade in Asien oftmals sehr erfolgreich sind?

Winni Ebert:

Ich glaube, in den letzten Jahren hat Deutschland ein unglaubliches Image bekommen.. Ich behaupte, der deutsche Name ist durch eine Sache sehr populär in der Welt geworden, nämlich Gerhard Schröder. Als er damals gesagt hat, „wir wollen nichts mit dem Irak-Krieg zu tun haben.

Es gab ja in erster Linie Amerikaner, Kanadier und die Engländer, die gesagt haben, „aha, wieder die Deutschen, wenn es darauf ankommt, sind sie nicht dabei. Das ist ja auch der Grund, warum wir in Afghanistan mit involviert sind. Damit sie uns nicht vorwerfen können, dass hier die Nato nicht zusammen hält.

Diese ganzen anderen Länder, die haben alle gesagt, „Mann, die haben endlich mal Rückgrad und der Schröder sagt, er hält sich da heraus“. Und es hat sich ja hinterher bewiesen, dass er Recht hatte. Ich glaube, das hat dem Land Deutschland sehr gut getan.

Laut einer weltweiten Umfrage von CNN, die ich jüngst gesehen habe, liegt Deutschland zur Zeit ganz ganz weit vorne innerhalb der öffentlichen Meinung in der Welt. Ich denke, das hat auch etwas damit zu tun, dass so eine Band wie Tokio Hotel so erfolgreich ist. Denn ich glaube nicht, dass die kleinen Französinnen unbedingt alles verstehen, was die singen.

Genauso wenig haben die Deutschen damals verstanden, was die Beatles, die Stones oder die Animals oder wer auch immer gesungen haben. Es geht um`s Image und dass die Energie haben und dass da was passiert und dass sie anders sind als die Eltern ihrer Fans.

Michaela Boland:

Du hast auch Queen betreut. Wie lief es mit den Jungs?

Winni Ebert:

Abgesehen von einem Abendessen in den Grindeler Weinstuben in Hamburg bestand zunächst einmal wenig Kontakt zwischen unserer Firma und den Bandmitgliedern. Alles lief über den Tourmanager Paul Printer und dessen Assistenten Pete Brown.

Irgendwann aber trank Brian May, der Sternenkunde studierte, mal eine Tasse Tee mit mir . Dann lud ein Partner des Tourveranstalters Fritz Rau, Mike Scheller, die Gruppe, Hillary Walker von EMI England, welche die Tournee von Queen begleitete und mich in den Hamburger Club „Amphore“ ein.

Hier trugen die Kellnerinnen lediglich einen Slip und hohe Stöckelschuhe. Ein Cocktail war für 40,- DM, eine Bier für 75,- DM zu haben. Gemeinschaftlich schauten wir dabei zu, wie eine als Nonne verkleidete Darstellerin eine brennende Kerze zwischen den Schenkeln hin und her bewegte.

Die erste Etage des Clubs war für noch ganz andere Dinge vorgesehen. Weil ich aber wusste, dass ich eine solche Club-Rechnung nicht beim Controller der EMI als Spesenabrechnung würde vorlegen können, suchte ich mit Kollegin Hillary lieber schnell das Weite.

Am nächsten Tag äußerte Mike Scheller, der die Einladung in diesen Club überhaupt ausgesprochen hatte, mir gegenüber, dass ich wohl keine Lust gehabt hätte, mich an der Rechnung zu beteiligen. Diese hatte er nun beglichen und satte 3000,- DM dort lassen müssen. 

Michaela Boland:

Wie ist das überhaupt mit dem Geld? Können eigentlich Stars, die häufig Unsummen verdienen, gut mit ihrem Geld umgehen?

Winni Ebert:

Joe Cocker beispielsweise hat nie ein Verhältnis zu Geld gehabt. Das interessierte ihn einfach nicht. Er hat dann auch häufig Leute in seinem Umfeld gehabt, die ihn übertrieben ausgebeutet haben. Außerdem hat er auch immer zu viel von allem gemacht.

Einmal bin ich in der Kölner Altstadt mit ihm eine Treppe hinunter gestürzt. Da unten am Rhein gibt es einen Laden namens „Siam“ mit Thai-Essen und Cocktails. Da waren wir da oben und haben zusammen zu Abend gegessen und da waren wir beide so „heftig dabei“, er noch viel schlimmer als ich, und wollten anschließend die Treppe hinunter.

Da habe ich gemerkt, er fällt und hatte noch versucht, ihn festzuhalten. doch er ist ja nicht unbedingt ein kleiner Junge. Und dann sind wir beide diese Treppe hintergekugelt. Aber keiner hat sich weh getan.

Nichts desto trotz war es bei ihm oft recht massiv. Ich habe ihn manchmal ins Hotel gefahren, ihn ins Bett gelegt, seine Schuhe ausgezogen und den Gürtel aufgemacht und dafür gesorgt, dass er nicht irgendwie erstickt.

Michaela Boland:

Siehst du es als eine Gefahr an, wenn man sich als Superstar eigentlich um nichts selbst kümmern muss, was Alltagsbewältigung anbelangt?

Winni Ebert:

Natürlich ist es eine Gefahr, denn es kann ja sein, dass du am Ende da sitzt und hast zwar Millionen verdient, aber zu guter letzt ist nichts mehr übrig, wenn du alt bist. Diese Leute sind ja oft auch in gar keiner Sozialversicherung. Beispiel: Joe Cocker hat ja Glück gehabt, denn er hat eine wunderbare Frau geheiratet, nämlich Pam.

Pam ist eine Freundin von Jane Fonda und die passt auf ihn auf. Als ich ihn das letzte Mal bei einer „Night of the Proms“ - Veranstaltung getroffen habe, da hat er deutlich weniger getrunken und auch kaum noch geraucht. Das hat mich sehr gefreut, denn Joe ist ein lieber Kerl.

Und die Pam passt auf`s Geld auf. Ein weiteres Beispiel ist übrigens Matthias Reim. In meiner Berliner Zeit habe ich öfter mal abends mit ihm rumgehangen. Der hatte mal über 30 Millionen.

Er hat nur Leute gehabt, die das irgendwo falsch investiert haben. Dann hat er sich in Kanada ein Haus gekauft und noch ein paar Boote. Der wohnte  am Ende dann lange auf Mallorca und hatte kein Geld. Der andere unglaubliche Fall war „Haddaway“.

Er hat mal diesen riesen Hit gehabt auf der ganzen Welt (Anm. d. Red.: „What is love“). Er hatte 28 Millionen, vielleicht sogar mehr. Du musst mal überlegen: Alles ausgegeben. In Monte Carlo ein Schiff gekauft, zwei Ferraris, denn er fährt ja gerne Autos und hat allenthalben nur Gas gegeben.

Jetzt ist er glücklich, wenn er im Festzelt irgendwo auftreten kann. Wenn du soviel Kohle hast, dann musst du wirklich schon ziemlich bescheuert sein, um das nicht richtig anzulegen. 

Michaela Boland:

Was sind die Ursachen hierfür? 

Winni Ebert:

Manchmal wird sich mit den falschen Leuten umgeben. Du musst Geld dann auch anlegen und ein bisschen diszipliniert vorgehen. Paul McCartney ist, so glaube ich, nach der Queen, der reichste Mann in England. Er hat jetzt zwar mal sechs Millionen an seine Ex-Frau (Anm. d.Red.: Heather Mills) gegeben, aber das ist für den gar nichts.

Michaela Boland:

Ist er eigentlich geizig?

Winni Ebert:

Nein, nicht geizig, aber er passt aufs Geld auf. Wir waren mal bei Biolek in Frechen für irgendwelche Proben. Da ruft einer aus Los Angeles an, der einen bekannten Gitarrenladen, „Valters“, hat. Der sagte: „Hör mal ,Paul, ich habe die Gitarre, die du dir die ganze Zeit gewünscht hast.“

Da fragte Paul ihn, was er denn dafür haben wolle. Daraufhin hat dieser Händler einen unglaublich hohen Preis genannt. Da sagte Paul: „Weißt du was, wenn du mir die nicht für die Hälfte gibst und mir nur deshalb so viel Geld abnehmen willst, weil du denkst, ich wäre reich, dann kannst du sie behalten.“ Und er hat die Gitarre auch nicht gekauft.

Michaela Boland:

Wie ist er denn so? Gibt er auch mal einen Drink aus?

Winni Ebert:

Also, es ist nicht so, dass er geizig wäre, aber es war nie so, dass er es musste, weil die Leute um ihn herum immer die Getränke bezahlt haben.

Michaela Boland:

Seit einigen Jahren veranstaltest du hier in deiner Wahlheimat regelmäßig den „Kölner Kulturtreff“. Wie kam es dazu?

Winni Ebert:

Ziel war es, neue Kontakte zwischen Menschen aus Kunst, Kultur, Medien und Wirtschaft zu schaffen. Man soll sich kulturell und künstlerisch austauschen können und mögliche Synergien zwischen einzelnen Branchen entdecken.

Michaela Boland:

In der Domstadt finden verschiedene Veranstaltungen dieser Art statt, in denen es unter anderem auch stark um das „Sehen“ und „Gesehen werden“ geht.

Vor kurzem kam es zu einem Vorfall, bei dem man den Eindruck gewinnen konnte, dass es zwischenzeitlich zu einem verstärkten Konkurrenzkampf zwischen den einzelnen Veranstaltern gekommen ist und mittlerweile mit harten Bandagen gekämpft wird.

Man soll dir beim neulich stattgefundenen „Off the record“- Treff von Macher Bernhard Böringer keinen Zutritt gewährt und dich eiskalt an der Türe abgewiesen haben. Vom Kölner EXPRESS wird Böringer so zitiert:

„Herr Ebert ist keiner, der unsere Gesellschaft bereichert.“ Angeblich sollst du auch beim Koelner Medientreff von Michael Busemann Hausverbot haben. Entspricht das den Tatschen? 

Winni Ebert:

Ja, das stimmt. Und bei Michael Busemann gibt es tatsächlich ein Hausverbot. Und was Herrn Böringer anbelangt, ihn kenne ich gar nicht. Aufgrund des erschienen Fotos in besagtem Express-Artikel habe ich nun zum ersten mal gesehen, wer es ist. Aber ich kenne ihn gar nicht und habe noch nie mit ihm geredet.

Michaela Boland:

Ist es richtig, dass es bei jenen Veranstaltungen um viel Geld geht und daher Konkurrenz, die gegebenenfalls Sponsoren abwerben könnte, unerwünscht ist?

Winni Ebert:

Was das Konkurrenzdenken anbelangt, kann ich nur sagen, dass ich nicht so denke. Anscheinend aber die anderen. Für mich ist das ein bisschen kleinkariert. Also, ich hätte kein Problem damit, wenn sie zu mir auf den Treff kämen, aber die haben ein Problem damit, wenn ich zu ihnen auf den Treff komme.

Man muss aber auch dazu sagen, zu mir kommen mittlerweile durchschnittlich vier - bis fünfhundert Leute. Und ohne jemandem zu nahe zu treten, bei Michael sind es vielleicht einhundertfünfzig und bei „Off the record“ auch so ungefähr einhundertfünfzig, wenn es hoch kommt.

Die Veranstaltungen sind ja eigentlich auch vom Konzept her ganz unterschiedlich. Bei mir treten beispielsweise Künstler auf, es gibt Ausstellungen, ab und zu sogar Kurzfilme, die vorgeführt werden.

Michaela Boland:

Möge unter den Treff-Veranstaltern hoffentlich bald wieder Friede einkehren. Lieber Winni, für dieses amüsante Interview recht herzlichen Dank und viel Erfolg für dein neues Buch, „Im Music Bizz“.  

Winni Ebert ist Veranstalter des Kölner Kultutreffs und ehemaliger Promotion-Manager der Plattenfirma EMI. 1950 geboren und in der Touristenstadt Rüdesheim am Rhein aufgewachsen, verließ er Deutschland 1966 erstmals als Teenager gemeinsam mit seiner Familie und wanderte in die USA aus.

In seinem ersten Buch, „Im Music Bizz“ (Edition Nove Verlag), erzählt er seine Lebensgeschichte, die sich in erster Linie in den Konzertsälen Europas und Garderoben großer Stars bewegte. Heute lebt der Vater von zwei Söhnen und zwei Töchtern in Köln. Hier war Ebert auch als Dozent für Musikwirtschaft tätig. 

IM MUSIC BIZZ (Winni Ebert)      Edition Nove              ISBN: 9783852517353 

Michaela Boland ist Journalistin und TV-Moderatorin. Bekannt wurde sie als Gastgeberin der Sommer-Unterhaltungsshow „HOLLYMÜND“ des Westdeutschen Rundfunks Köln. Seit 1988 schrieb sie für die Rheinische Post, unterschiedliche Publikationen der WAZ-Gruppe Essen, Bayer direkt und Kommunalpolitische Blätter.

Außerdem präsentierte sie die ARD-Vorabendshow „STUDIO EINS“ und arbeitete als On-Reporterin für das Regionalmagazin „Guten Abend RTL“. Auf 3-Sat, dem internationalen Kulturprogramm von ARD, ZDF, ORF und SRG, moderierte sie die Kulturtalkshow „Doppelkopf“, sowie für TV NRW, die Casino Show „Casinolife“ aus Dortmund-Hohensyburg.

Michaela Boland arbeitet auch als Veranstaltungsmoderatorin und Synchron- sowie Hörspielsprecherin.

Für die Gesellschaft Freunde der Künste moderiert sie den Kaiserswerther Kunstpreis sowie alle grossen Kulturveranstaltungen der Gesellschaft.

Seit Mitte 2009 ist sie verantwortlich für die Ressorts:

Exklusivinterview und

Porträt des Monats

© Michaela Boland und Gesellschaft Freunde der Künste

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