Von Gottfried Böhmer und Adolf H. Kerkhoff
Pia Dehne studiert bis 1993 bei Markus Lüpertz und so sind ihre frühesten Bilder aus den späten 80iger Jahren Befreiung von dessen damaliger mythologischer Malerei. 1994 ging sie nach Berlin. Hier gelang ihr der Durchbruch als anerkannte Künstlerin.
Die Medien haben ihre Arbeit anerkennend begleitet. Aussagen wie: „die Entdeckung des Monats“, „die beste Malerin der Stadt“, „der bemerkenswerteste Beitrag stammt von Pia Dehne“, „eine schöne Blonde, selbstverständlich in Pastell“, und zum guten Schluss titelt die Bild-Zeitung ganzseitig: „Pia Dehne – Atelierbesuche bei Deutschlands größten Künstlern“.
Hier war der Zeitpunkt gekommen, die Zelte in Berlin abzubrechen und sich einer neuen Herausforderung zu stellen. 1999 begann für Pia das große Abenteuer New York, wo sie seither lebt und arbeitet.
Die amorphen Bilder von Pia Dehne führen weg von jeder fremden Sinngebung, also auch der des Lehrers und hin zu Farbe und Blickführung, zu Form und Volumenspiel, zu etwas, dass an etwas erinnert ohne dieses etwas zu sein.
Dass die sogenannte Kraft des Malerischen kein Gespenst ist, sondern eine wieder und wieder zu vollbringende Tat der Malerin, wie des Betrachters, will die Künstlerin zum Ausdruck bringen. Zur Tat der Malerin gehört der Entschluss, und auch dieser will wieder und wieder getroffen werden. Hierin liegt aber auch die Erklärung des Wechsels.
Pia Dehne hat des öfteren sowohl ihre Themen als auch ihre Malweise – das eine mehr, das andere weniger – gewechselt. Die so entstandenen Zyklen wurden daher zum wichtigen Bestandteil ihrer Malerei.
Das trifft auch auf die erotischen Bilder zu, bei denen es sich mehr um anonyme Aktbilder handelt, die sich mit der Fantasie einer überfluteten Nacktheit unserer Bilderwelt auseinandersetzt.
Diese erschafft die Künstlerin zeichnend wieder und umkreist sie malend, ähnlich wie der Betrachter suchend. Aber die Befriedigung, die der Betrachter des Nacktbildes sucht, die findet erst die Malerin, in der Erfüllung aus dem Unsinn der fremden Bilder neuen eigenen Sinn zu schöpfen, in dem sie durch Über- und Vermalung etwas neues, etwas jenseitigen erschafft.
Gleiches gilt auch für den Zyklus „Zoon Politikon“, eine ehrenwerte Gesellschaft. Diese Gangsterporträts sind auch unter der Bezeichnung eine „ehrenwerte Gesellschaft“ bekannt geworden. Und obwohl – oder gerade – weil es sich bei den dargestellten um Männer handelt, liegt es für die Betrachter nah, Rückschlüsse auf die Künstlerin zu ziehen, als einerseits ehrenwerte, aber andererseits als gnadenlose Vertreterin der Kunst.
Pia Dehne zeigt die Ehre als innere personelle Reflektion äußerer sozialer Anerkennung – und den Zynismus der Vorführung dieser Ehre als tödlichen Witz. Und dies in beinahe psychedelischen Farben, die mehr an den Dschungel der Gesellschaft denken lassen, als an ihre Altäre.
Das ist nichts für Fanclubs, sondern etwas für die Liebhaberei von Malerei, denn die Vergangenheit wird nicht glorifiziert, sondern nutzbar gemacht für die Kunst der Jetztzeit. Die vom fremden schwarz-weiß Foto vorgegebene Form wird mit der eigenen malerischen Farbigkeit aufgeladen bis ein neues, selbständiges Kunstwerk entstanden ist.
Diese Nutzbarmachung der Vergangenheit für die Gegenwart wurde plausibler bei der Reihe „Ich und Du (Der Künstler und Ich)“.
Hier porträtiert Pia Dehne bekannte und weniger bekannte Dichter und Maler, Künstler eben, die eine solche Bedeutung für die Künstlerin und ihr eigenes Werk haben, dass die Malerin sich zusammen mit ihnen selbst darstellte. Obwohl diese Inszenierungen eine größere Zugänglichkeit der Werke für die Betrachter implizieren, ist dies nicht zwangsläufig der Fall.
Die neuen Bilder aus New York sind noch vielschichtiger. Dass Dinge unklar sind, ist für Pia Dehne ein Merkmal unserer Zeit, und das muss gezeigt werden. Präsentierte sie früher ihre Bildgeschichten in aller Genauigkeit, so verschleiert sie jetzt.
Die Schleier sind wie Schlieren, alles ist noch da, aber abstrahiert durch die weiße Farbe, die über das Gemalte geschüttet wird und es versteckt, um dann wieder abgeschmirgelt zu werden.
Darunter kommt ein neues Bild hervor, es haben sich abstrakte Formen gebildet, das Bild scheint ein anderes geworden zu sein, und es ist doch nur verzaubert/verwandelt, dem magischen Zufall überlassen.
Das Bild vermittelt einen Traumzustand. Allerdings ist der Traum im Entschwinden, man hat noch diesen Schleier vor Augen, nichts ist ganz klar, nichts tritt mehr deutlich hervor, der Betrachter muss sich anstrengen und selbst das Bild zurückholen.
Aber diese Arbeiten wären nicht Kunst, wenn aus der Implosion der Bedeutung (und der Worte) nicht eine Explosion der Malerei erwachsen würde. Explosion allerdings nicht im Sinne einer Zerstörung, sondern einer Exploration des Bildraumes.
Pia Dehnes Bilder fesseln den Betrachter durch ihre Beharrlichkeit ebenso, wie durch ihre Unberechenbarkeit und lassen ihm (und sich) keine Ausflüchte in eine extreme Farbigkeit oder in die Tiefe eines imaginären Bildraumes.
Diese Malerei kämpft nicht für eine Ideologie (den Schein innerer Wahrheit), nicht gegen einen Naturalismus (den Anschein äußerer Richtigkeit), sondern um den Blick des Betrachters. In New York begegnen ihr die Frauen des neuen Jahrtausends.
Sie haben gerade ihren Weg eingeschlagen und ihre Zielstrebigkeit inspiriert sie. Eine neue weibliche Kraft ist im Entstehen, man sieht sie bereits in gewissen Gesichtern auf großen Leinwände bannt und die Abstraktion mit ins Bild einfließen lässt.
Pia Dehne hat dem alten Kontinent nicht ganz den Rücken gekehrt. Im Jahr 1999 war sie bei mehreren großen Ausstellungsprojekten vertreten. Im Jahr 2000 waren ihre Stationen in Berlin, Wiesbaden, Turin, Düsseldorf und Innsbruck. Für das Jahr 2001 sind zwei Projekte in Deutschland geplant.
Projekte mit der GFDK - Gesellschaft Freude der Künste
1998 "Eine ehrenwerte Gesellschaft - Zoon Politicon" - Berufskiller aus den dreißiger Jahren
1999 Goethe Festival - Künstlerinen sehen Goethe - 250 Jahre Goethe
2001 The Exhibition OK 1
2004 Goethe Festival - Künstlerinen sehen Goethe - 255 Jahre Goethe
Messemagazin, Ausgabe 4/2000