Hindi Zahra - Ihre Songs lassen stets viel Raum zum Atmen und entfalten dazu die wundersamsten Aromen. Bild 1+3: Hindi Zahra © Hassan Hajjaj
Bild 2© Marie Taillefer
Bild 4-6: Hindi Zahra © Marie Taillefer
Hindi Zahra ist mit »Handmade« die perfekte Verschmelzung unterschiedlichster musikalischer Welten gelungen. Mit einer Melange aus künstlerischer Leichtigkeit und lebensfroher Gedankenschwere beschwört diese faszinierende Esperanto-Chanteuse, die es bereits bis ins Olympia von Paris geschafft hat, ein so noch nie gehörtes World-Music-Eldorado.
Eine wahre Goldader aus der Wüste Nordafrikas: von Hindi Zahra darf man auch in Zukunft noch manch hochkarätige Glanzleistung erwarten.
Mit ihrem nunmehr fast drei Jahre alten Debütalbum hat die französisch-marokkanische Künstlerin Hindi Zahra wahrlich eine höchst nachhaltige Duftmarke gesetzt. »Handmade« ist eines jener Albumjuwelen, das sich nicht mit glitzerndem Charterfolg brüsten muss, dessen Langzeitwirkung jedoch umso bemerkenswerter ist.
Preise hat sich die aparte Sängerin und Songwriterin für ihr bahnbrechendes und von World-Music-Connaisseuren innig geliebtes Werk redlich verdient: 2011 erhielt sie den Prix Constantin für das beste Album und im selben Jahr den renommierten Victoires de la Musique für das beste Weltmusik-Album. Nicht minder erwähnenswert ist, dass »Handmade« nach wie vor seine Kreise zieht und von immer mehr Musikliebhabern entdeckt wird.
Hindi Zahra, ausgestattet mit einer sanft melancholischen Stimme und einem feinen Händchen für prägnante Melodien, kreierte mit »Handmade« fürwahr eines der wohl außergewöhnlichsten Blue-Note-Alben der letzten Jahre. Nicht genug, dass sie alle Songs selbst komponierte, sie hat sie auch quasi im Alleingang arrangiert und produziert.
Hindi Zahra hat sich viel Zeit gelassen für ihr Erstlingswerk, das mit einer ebenso einzigartigen wie eigenwilligen Mischung aus Blues, World Music, Folk und Jazz aufwartet — spartanisch, verträumt, magisch, intim, vielsprachig, poetisch...
Schon der Opener »Beautiful Tango«, schwermütig und rubinrot wie ein Tokajer, macht gleich hellhörig, wenn nicht gar süchtig. Das britische Magazin »The Wire« meinte, in diesem Song, der inzwischen sagenhafte vier Millionen Clicks auf YouTube verzeichnet, die perfekte Symbiose aus Django Reinhardt und Billie Holiday erkannt zu haben. Wie passend, dass den Videoclip zu diesem wunderbaren Lied der französische Regisseur Tony Gatlif drehte.
Immerhin pulsiert durch dessen Adern Zigeunerblut und tatsächlich spielt Hindi Zahra ihre Gitarre nicht selten wie weltverlorenen Zigeunerblues. So fügt sie ihren mit schlichten Mitteln produzierten Songs immer wieder Elementarteilchen aus verschiedenen Genres bei, die ihnen eine Aura des Geheimnisvollen verleihen.
Ihre Songs lassen stets viel Raum zum Atmen und entfalten dazu die wundersamsten Aromen. »Oursoul« etwa, ein Lied über die unerfüllten Träume eines Mädchens, das zur Heirat bestimmt ist, besitzt die glänzende Patina eines alten französischen Chansons. Der Titel ist übrigens kein englisches Wort, sondern stammt aus der Sprache der Berber und bezeichnet die »Verflossenen«.
Geboren wurde Hindi Zahra 1979 in der marokkanischen Provinzstadt Khouribga. Ihr Vater war beim Militär, ihre Mutter eine im Ort beliebte Gelegenheitsschauspielerin und Sängerin. In ihrer Verwandtschaft gab es ebenfalls Musiker, die jene psychedelische Musik der Berber spielten, die man landläufig als Desert Rock’n’Roll bezeichnet. Sie wuchs mit den vielgestalten Klängen des afrikanischen Kontinents auf, von der traditionellen Musik der Berber über die Stimmen berühmter Diven wie Cheika Rimitti und Oum Kalsoum bis hin zu Ali Farka Touré und Ismaël Lô.
Doch die afrikanischen Wurzeln sind nur ein Zweig in ihrem Geflecht musikalischer Inspirationen. In jungen Jahren folgte sie ihrem Vater nach Paris, wo sie mit 18 Jahren einen Job im Louvre annahm.
»Das war mein großes Treffen mit der Kunst. Als Kind war ich nachdenklich und eng mit der Natur verbunden. Die Gemälde haben bei mir ganz ähnliche Empfindungen ausgelöst.«
Doch nichts hat ihre Vorstellungskraft mehr angeregt als Musik. Hindi Zahra hat die »afro-amerikanischen Grooves« verinnerlicht: allen voran Aretha Franklin, James Brown, 2-Pac und A Tribe Called Quest. Ihre Stimme hat sie als Backgroundsängerin in der vielseitigen Pariser Szene an der Schnittstelle zwischen Soul und HipHop geschult.
Zweifellos hat die Autodidaktin ein intuitives Gespür für Rhythmus und Melodie, das fühlt man bei fast jeder ihrer Kompositionen. »Jazz ist der einzige Ort, wo ich die Noten meiner Heimat heraushöre. Jazz kommt kreativer Freiheit gleich. Das ist einfach eine großartige Schule.«
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In ihrer zwischenzeitlichen Wahlheimat London begegnete sie Fink, einem Gitarristen der Electro-Szene rund um das Label Ninja Tune. Er gab Hindi den Ratschlag, weiter und intensiv an ihrem Repertoire und an ihrem Stil zu feilen.
Das Resultat hätte kaum perfekter ausfallen können. »Handmade« mag mit seinen elf Songs von insgesamt 40 Minuten ein Album von überschaubarer Länge sein, doch die nachhaltige Wirkung dieses Albums ist nur schwer zu ermessen. Es gibt kaum einen Song auf diesem kleinen handgemachten Meisterwerk, der nicht seinen ganz eigenen Reiz hat, seinen unverwechselbaren atmosphärischen Zauber. »Stand Up« erinnert mit seinem karibisch gefärbten Gitarrenrhythmus an Manu Chao, mit dem Hindi gelegentlich verglichen wird.
»Old Friends« klingt wie eine Jazzballade aus einer anderen Galaxie; »Music« verblüfft mit einer eher wohl unbewussten Referenz an das Gitarrenspiel von Fleetwood Mac. Vom Delta-Blues-Hybrid »Set Me Free« über den Tribal-Chant »Kiss And Thrills« bis hin zum Swing von »Fascination« — auf dem Album von Hindi Zhara kann jeder seine eigenen Entdeckungen machen, sich ganz dem Sog hingeben, wenn Songs nahezu unmerklich vom Blues zum Soul übergleiten oder sich ein Gefühl wohltuender Gravität ausbreitet.
Kein Wunder, dass die Werbebranche da schnell zugriff: Während »Stand Up« bereits vor drei Jahren von der Western Union Bank für eine große Werbekampagne ausgewählt wurde, hat Chanel für seinen jüngsten Werbespot mit Gisele Bündchen das vitale »Imik Si Mik« als musikalische Untermalung ausgewählt.
Leila Benameur