Michaela Boland sprach für die GFDK mit Mihaela Ursuleasa. Fotos: (c) GFDK.
Mihaela Ursuleasa
Mihaela Ursuleasa
Mihaela Ursuleasa
Michaela Boland trifft die gebürtige Rumänin Mihaela Ursuleasa, die seit 20 Jahren in Wien lebt in Köln, wo sie sich auf ein bevorstehendes Konzert vorbereitet.
Mihaela Ursuleasa
Mihaela Ursuleasa
Wenn ihre schlanken Hände über die edle Steinway & Sons Tastatur fliegen, erzählt ihr Gesicht jedes Mal unzählige Geschichten. Die Mimik verrät, dass sie ganz tief eintaucht in eine Welt der Notation, welche sie nicht nur mechanisch widergibt, sondern die gleichsam ihre Seele spiegelt. Klassische Musik ist etwas Wundervolles.
Was wäre die Welt wohl ohne deren historische Komponisten wie Haydn, Mozart, Beethoven oder gar den Romantikern Schubert, Schumann, Brahms und Co? Grund zur Freude hatten Klassik- Anhänger insoweit auch am vergangenen Sonntag:
Im Rahmen einer aufwendigen Live-on-Tape-Show präsentierte das ZDF die große ECHO KLASSIK Preisverleihung aus Essen mit Deutschlands Unterhaltungsmoderatoren-Nummer- Eins, Thomas Gottschalk.
Die beste Wahl, denn obwohl der Alt-Profi, der sich mit „den besorgten Vätern“ und seinem Song „What happened to Rock `n`Roll“ bereits im Jahre 2001 eher zu einem ganz anderen Musik-Genre bekannte, nicht zwingend für Klassik steht, führte der charmante Ewig-Blondschopf derart gewohnt gekonnt durch das Programm, dass selbst solche Zuschauer, die üblicherweise eher nichts mit Klassik „am Hut“ haben, zuhauf gerne beim Zappen hängen blieben.
Allzweckwaffe Gottschalk als Köder zum Klassik-Fan-Fang? Womöglich Kalkül des ZDF und wenn dem so gewesen sein sollte, dann scheint der Plan wunderbar aufgegangen: 10,8 Prozent Marktanteil oder in Zuschauern ausgedrückt: 2,33 Millionen!
Doch nicht nur Moderatoren-Meister Gottschalk und seine Unterhaltungselemente als Brücke zwischen klassischer Musik und klassischem TV-Entertainment, das, ebenso wie der immer wieder angekündigte Auftritt von Weltstar Sting auch bisherige Nicht-Klassik-Liebhaber locken sollte, machten die Show zum Erfolg.
So waren es doch vor allem die Klassik-Stars des Abends, welche jene Preisverleihung zum ausgesprochen niveauvollen Bildschirmereignis erhoben. Auftritte von Star-Geiger David Garrett, Pianist Lang Lang (Instrumentalist des Jahres) oder Star Dirigent Kurt Masur zählten zu den Highlights des Abends.
Einziger Wermutstropfen: Wegen der Vielzahl an Preisträgern in diesem Jahr durften manche Echo-Gewinner erst gar nicht die Bühne betreten, sondern waren dazu angehalten, im Publikum auszuharren und sich bei Aufruf nur kurz mit der „Trophäe“ zu erheben und in die Kamera zu winken. Andere konnten sogar erst nachdem die Sendezeit vorüber war, auf die Bühne kommen um quasi „off air“ geehrt zu werden.
Sie hat ihren Preis zwar erst nach der offiziellen Fernsehshow überreicht erhalten, ist aber dennoch überglücklich: 32 Jahre jung, mit hochgelobtem ersten Album und frischem Echo Klassik „in der Tasche“: Mihaela Ursuleasa.
Ich treffe die gebürtige Rumänin, die seit 20 Jahren in Wien lebt, im hohen Gebäude des Deutschlandfunks in Köln, wo sie sich auf ein bevorstehendes Konzert vorbereitet, welches sie schon am nächsten Tag geben wird.
Noch einmal muss der Hochglanzflügel auf seine optimale Klangqualität überprüft werden, bevor sie sich und ihr Können morgen dem feinen Gehör vieler Klassikbegeisterter präsentiert. Nachdem verschiedene Nachbesserungsdetails mit dem Klavierstimmer besprochen sind, machen wir uns auf den Weg in die geräumige Kantine der öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalt.
Völlig locker und natürlich zeigt sich der hochgelobte Klassikstar. Nach verschiedenen Besuchen beim Deutschlandfunk kennt sich die hübsche Mihaela zwischenzeitlich schon recht gut im Gebäude und mit den Finessen der Kaffee- und Kakao-Automaten aus.
Michaela Boland:
Zuerst einmal herzlichen Glückwunsch zum ECHO KLASSIK, den du gestern Abend in der Kategorie „solistische Einspielung des Jahres“ für dein Debüt-Solo Album „Piano & Forte“ erhalten hast. Was bedeutet diese Auszeichnung für dich und deine Zukunft?
Mihaela Ursuleasa:
Es bedeutet mir sehr sehr viel. Ich kann mich daran erinnern, als ich vor circa zwei Monaten zu Hause einen Anruf erhielt und es erfahren habe, war ich total aus dem Häuschen. Ich konnte es kaum fassen. Natürlich habe ich, wie jeder, gehofft, dass das einmal passiert, aber man erwartet es nicht.
Es gab zwar vor 15 Jahren schon einmal eine CD, die aus einem Wettbewerb heraus entstanden ist, aber „Piano & Forte“ ist jetzt die erste richtig offizielle CD mit mir als wahrer Pianistin und nicht mehr als Wunderkind. Ein ECHO-Preis ist vergleichbar mit einem Oscar bei den Schauspielern.
Michaela Boland:
Heißt das, dass dir nun auch ganz andere Türen offen stehen als zuvor?
Mihaela Ursuleasa:
Ja, das schon. Man kann, beziehungsweise muss es sogar mit in die Biografie schreiben. Es ist einfach eine Auszeichnung, schon allein deshalb, weil die Leute, die jedes Jahr diese Auswahl treffen, in jedem Fall alles Menschen sind, die sehr viel von Musik verstehen und alles sehr sorgfältig auswählen.
Michaela Boland:
Man bezeichnet dich als eine der eigenwilligsten Pianistinnen deiner Generation. Was unterscheidet dich dahingehend von deinen Kolleginnen?
Es gibt heutzutage in der Musikwelt gewisse Maße, wie man spielen muss. Es muss alles perfekt sein, weil wir in einer CD-Industrie oder einer Aufnahmen-Industrie leben. Es geht also um Sachen, die dann für ewig bleiben und die Spuren hinterlassen. Daher wird von jedem verlangt, alle Noten richtig zu spielen und keinen Fehler zu machen.
Bei den klassischen Musikern soll beispielsweise ganz genau das gespielt werden, was in den Noten steht. Für mich ist das bis zu einem Punkt nur zum Teil gut, denn man muss sich einem Komponisten widmen und sich fragen, was hat Mozart oder Beethoven mit genau dieser Notation sagen wollen?
Aber darüber hinaus bin ich eigenwillig, weil ich die Musik nicht nur mit den Augen sehe oder nur mit den Ohren höre, sondern erfahre sie auch mit der Seele. Man muss sie erzählen. So könnte ich zum Beispiel ein Märchen aus einem Buch vorlesen und mit Punkt- und Komma-Beachtung formal total richtig klingen, dafür aber auch total langweilig herüber kommen.
Ich kann es aber auch beispielsweise mit der Tonfarbe der Stimme oder mit einzelnen Rollen, die in dieser Geschichte vorkommen, so erzählen, dass es für diejenigen, die zuhören, einfach spannend wird. Und so ist es mit der Musik auch. Man darf sie nicht nur als etwas Starres oder Akademisches sehen.
Es gibt nicht E- und U-Musik oder Pop und Klassik und so etwas, sondern es gibt gute und schlechte Musik. Ich finde, als Interpret darf man und soll man ruhig auch mit seiner eigenen Fantasie daran gehen. Ich spiele zum Beispiel dasselbe Werk auf einer Tournee niemals in derselben Weise. Da experimentiere ich auch.
Michaela Boland:
Wie weit gehst du dabei?
Mihaela Ursuleasa:
Wenn in den Noten beispielsweise „piano“ oder „forte“ steht, dann versuche ich diesen Klang manchmal noch wilder zu machen oder einfach mehr in die Extreme zu gehen, einfach mehr zu übertreiben, um die Leute dadurch zwar nicht unbedingt zu schockieren, aber um zu zeigen, hier ist etwas Starkes.
Ich habe auch starke Kontraste sehr gerne. Wenn es sehr sehr leise wird, möchte ich die Leute zwingen, nicht mehr zu atmen, nur um dann plötzlich lautstark alles aus dem Klavier herauszuholen.
Michaela Boland:
Heute bist du als diplomierte Konzertpianistin und gefeierter Klassikstar sehr erfolgreich und man bescheinigt dir im Rahmen des „Andersseins“ Eigenwilligkeit als Prädikat. Hat dir dieses „anders als andere sein“ vor deinem Durchbruch in der Vergangenheit immer nur Zuspruch eingebracht oder hat dir früher auch schon mal jemand gesagt, „Mädchen, so darfst du aber nicht spielen“?
Mihaela Ursuleasa:
Ja, klar. Es gibt ja immer jemanden, der ein bisschen aus der Reihe tanzt, der also nicht gerade brav ist oder in Anführungszeichen nicht immer alles „richtig macht“. Und so eine bin ich. Ich sehe mich als jemanden, der nicht jetzt das Besondere macht, nur um besonders zu sein , sondern, ich sage, ich fühle so und ich spiele so, wie ich fühle.
Wenn ihr wollt, o.k., wenn nicht, dann könnt ihr nach Hause gehen. Und natürlich gab es da geteilte Meinungen. So extrem ich bin, so extrem sind auch die Meinungen. Um ein Beispiel zu nennen: Ich habe in diesem Jahr mal ein Schumann-Konzert gespielt. Vom selben Konzert gab es zwei Kritiken in zwei verschiedenen Zeitungen.
Eine schrieb, „so kann man das nicht spielen, oh mein Gott, das ist zu viel, das ist zu verrückt“, und der andere Artikel besagte, „ genau so muss man Schumann spielen, wir haben es nie so gehört, aber so sollte es sein, sie wurde dem Komponisten absolut gerecht“. Es hat eben jeder das Recht auf einen eigenen Geschmack. Aber meistens ist das, was ich mache, erfolgreich, Gott sei Dank, und darauf bin ich stolz.
Michaela Boland:
Bei deinem Flügel-Check konnte ich dich gerade ein wenig während des Spielens einer der Etüden von Rachmaninow beobachten und deine sich ständig wandelnde Mimik verfolgen. Was genau geschieht mit dir, wenn du Klavier spielst?
Mihaela Ursuleasa:
Es sind einfach die Klänge, die Noten selbst, die meine Finger in dem Moment auf dem Klavier berühren, das geht einfach durch meinen ganzen Körper und mein ganzes Wesen. So wie wenn man ein Ballett, einen Tanz verfolgt oder eine Geschichte hört.
Man denkt einfach nicht mehr konkret A, B, C, D oder 1,2,3,4 oder so etwas, sondern verfolgt das, was gerade in dem Moment passiert. Das ist nach dem ganzen Üben und Auswendig lernen bei mir der Fall. Das Ganze ist ja mittlerweile von der Technik des Stückes her automatisiert, so dass man einfach loslassen und sich in dieser Klangwelt verlieren kann und sie weitergibt, wie man sie fühlt.
Ich habe keine Ahnung, was für Gesichtsausdrücke ich mache, das heißt, einmal habe ich Filmaufnahmen von einem Konzert von mir gesehen und war schockiert und habe mich gefragt, „ wie, so etwas mache ich“? Aber na gut, im Endeffekt ist es mir auch egal, von mir aus könnte man auch auf dem Kopf stehend spielen oder mit Füßen, Hauptsache es kommt die Musik dabei heraus.
Michaela Boland:
Du bist in deiner frühen Jugend als Wunderkind bezeichnet worden. Dieser Begriff steht naturgemäß in engem Zusammenhang mit Klassik-Vertreter und Musik-Genie Wolfgang Amadeus Mozart. Das setzte mit Sicherheit einen ziemlich hohen Maßstab. Wie stehst du selbst zu solchen Vergleichen?
Mihaela Ursuleasa::
Na ja, das ist natürlich so eine Sache. Das Wunder referieren die Leute sogleich, wenn jemand Talent hat. Man braucht Talent zum spielen, man braucht diese Intuition, um die Musik zu verstehen, was natürlich nicht jeder Mensch haben kann.
Einer ist nun mal für das eine talentiert, der andere hat Talent für etwas anderes. Aber, ich finde, man sollte mit solchen Kindern sehr aufpassen, um sie nicht zu stark zu puschen. Das Paradoxe ist nämlich, dass es sich hierbei um einen Beruf handelt, dem eigentlich nur ein Erwachsener gerecht wird, denn es ist ein Beruf, der Reife und Sensibilität verlangt und natürlich Lebenserfahrung, wie jede Form von Kunst.
Aber gleichzeitig kann man sie auch nicht erst mit 20 beginnen. Man muss als Kind anfangen. Und solche Kinder befinden sich leider zu oft in zu großem Stress. Man muss erst noch den großen Erfolg haben oder zum Star werden und das geht dann schon an die Substanz.
Michaela Boland:
Du stammst mit deiner Mutter als Sängerin und deinem Vater als Jazzpianisten aus einer Musiker-Familie. Gerade in jüngster Vergangenheit vernahm man innerhalb der Medien gehäuft, dass oftmals Eltern, die in einer durch die Öffentlichkeit exponierten Branche erfolgreich sind, ihren Nachwuchs allzu gerne ebenfalls im selben Gewerbe nach oben puschen möchten.
Jüngstes und stark kritisiertes Beispiel aus dem Bereich Schauspiel international: Will Smith und Ehefrau Jada Pinkett, die ihre sehr jungen Kinder Jaden und Willow bereits im Filmbizz arbeiten und dem Medienzirkus immer wieder aussetzen lassen.
Du hast dich schon mit neun, teilweise sogar schon mit sieben Jahren auf Konzertreisen befunden und spieltest bereits die 32 Variationen von Beethoven.
Erst als Zwölfjährige wurde durch ein Treffen mit dem Dirigenten Claudio Abbado dafür gesorgt, dass du dir für deine musikalische Entwicklung Zeit lässt und ein wenig zur Ruhe kommst. Wurdest du zeitweilig tatsächlich von jemandem wie eine Leistungssportlerin zur technischen Perfektion gedrillt?
Mihaela Ursuleasa:
Man muss sehr aufpassen, dass alles ausgeglichen ist und die Balance von solchen Kindern erhalten bleibt. Also, ich habe beides erlebt, deswegen, weiß ich, wovon ich spreche. Der Drill kam nicht von den Eltern, Gott sei Dank, da habe ich auch Glück gehabt. Mein Vater ist leider zu früh an Krebs gestorben.
Ich war damals erst zehn Jahre alt. Dann hat aber meine Mutter das Steuer von meiner Lehrerin übernommen, denn sie war eigentlich der Motor all dessen. Einerseits war es natürlich gut, weil man in diesem frühen Alter mit sieben, acht oder neun Jahren einfach noch nicht dieses Lampenfieber hat.
Man geht einfach auf die Bühne, denn man kennt ja nichts anderes. Ich gehe also da und da auf die Bühne und spiele mein Zeugs ab. Doch irgendwann merkt man nicht mehr, dass man eigentlich zu müde ist.
Man verliert als Kind die Realität zum Leben. Ein Kind sollte normalerweise in die Schule gehen, Ball spielen, malen und Freunde haben. So etwas habe ich nicht gehabt, zumindest nicht genug. Dann als ich zehn war, sagte meine Mutter zu dieser Lehrerin, „o.k. jetzt ist es genug. Jetzt machen Sie mein Kind nicht kaputt“.
Michaela Boland:
Wie verlief dein Leben konkret unter den Fittichen jener Lehrerin?
Mihaela Ursuleasa:
Sie hatte unglaublich viel Kontakte im ganzen Land, in Rumänien und auch im Ausland. Es hieß heute ein Konzert hier, morgen ein Konzert da, Reisen, Tourneen, üben, üben, üben. Ich kannte nur das Klavier, sonst nichts. Mein Tag war essen, schlafen, Klavier.
Michaela Boland:
Wie viele Stunden pro Tag musstest du damals üben?
Mihaela Ursuleasa:
Zehn. Aber dann hat meine Mutter diesen Schlussstrich gezogen. Wir hatten Glück, jemanden zu treffen, der alles in die Wege geleitet hat, dass ich dem Dirigenten Claudio Abbado vorgespielt habe. Er hat mir dann ein Stipendium ermöglicht und gesagt, so, jetzt ist es zu viel.
Man hat sich dann auch darum gekümmert, dass ich in Wien einen Lehrer finde und an der Hochschule aufgenommen wurde. Ich habe ja normales Examen gemacht. Es wurde auch dafür gesorgt, dass es eine Wohnung und einen Flügel gab und Leute, wo ich üben gehen durfte. Aber alles in Maßen.
Michaela Boland:
Was bedeutet das in Zahlen? Wie viele Stunden hast du fortan täglich spielen müssen?
Mihaela Ursuleasa:
Als wir nach Wien gegangen sind, war ich elf Jahre alt, da habe ich ganz normal zwei bis drei Stunden geübt. Ich ging auch ganz normal zur Schule, zum Gymnasium.
Michaela Boland:
Wusstest du darüber hinaus plötzlich mit all der Freizeit etwas anzufangen oder war das anfänglich schwierig für dich?
Mihaela Ursuleasa:
(Lacht). Ich habe Freundschaften geschlossen, ich konnte ins Kino gehen und durfte plötzlich alles, was ein normaler Mensch macht. Bis zum Alter von 15, 16 habe ich dann gar nicht mehr konzertiert, einmal abgesehen von irgendwelchen Hauskonzerten, damit ich die Zeit hatte, zu studieren und einfach Ruhe zu haben.
Mich haben sogar einige Leute in dieser Zeit gefragt, ob mir das nicht abgehe, denn ich sei ja fünf Jahre damit beschäftigt gewesen, ständig Konzerte zu geben. Und ich antwortete immer, „nein, ich war so froh, endlich einmal Zeit zu haben und etwas anderes zu machen“.
Michaela Boland:
Wie essentiell sind solche Ruhephasen aus heutiger Perspektive betrachtet?
Mihaela Ursuleasa:
Das ist schon wichtig, denn es hilft auch der Musik. Es gibt Leute, die mit dem Kopf Tag und Nacht in der Geige oder im Klavier sitzen und die sonst nichts anderes haben. Das ist zu nahe. Wie, wenn man ein Bild malt und schon fast mit der Nase daran klebt.
Man muss auch mal ein paar Schritte zurückgehen, um alle Farben sehen zu können. Es gibt immer zwei Monate im Jahr, einmal im Sommer, einmal im Winter, in denen ich gar nichts vom Klavier wissen möchte. Dann kommt man zurück mit ganz anderen Ideen.
Michaela Boland:
Komponierst du eigentlich auch schon einmal etwas?
Mihaela Ursuleasa:
Nicht im Sinne von richtigem Komponieren mit Aufschreiben, aber ich improvisiere sehr gerne. Das mache ich auf der Bühne auch manchmal. Zum Beispiel am Ende eines Konzerts. Einfach irgend etwas improvisieren.
Michaela Boland:
Hast du noch Geschwister oder bist du ein Einzelkind?
Mihaela Ursuleasa:
Ich habe einen Halbbruder. Wir haben dieselbe Mutter und er ist 17 Jahre älter als ich. Wir sind also nicht als Kinder zusammen aufgewachsen. Er ist Maschinenbau-Ingenieur.
Michaela Boland:
Hätte es für dich bei dem musikalischen Hintergrund deiner beiden Elternteile eigentlich eine hohe Wahrscheinlichkeit gegeben, dass du einen „herkömmlichen“ Berufsweg einschlägst?
Mihaela Ursuleasa:
Das war nie im Gespräch. Das wurde fast für mich entschieden. Man hat mich zwar jetzt nicht dazu gezwungen, aber meine Eltern haben sofort gesehen, „aha, da gibt es ein Talent, klar macht sie das“. Aber ich habe mir natürlich schon ab und zu diese Frage gestellt. Zwar könnte ich ohne Musik nicht mehr leben, aber Schauspiel hätte mich beispielsweise auch interessiert, oder Rechtsanwältin.
Michaela Boland:
Hast du eigentlich im Abitur einen Musik LK belegt?
Mihaela Ursuleasa:
Nein, in der Musik kamen alle Kolleginnen zu mir, es war nämlich eine Mädchenschule, und baten mich, ihnen doch zu helfen. Sie fragten, ob Sie abschreiben dürften. Ich durfte im Gegenzug die Mathematik und Physiksachen abschreiben.
Michaela Boland:
War Mathe ein Problem?
Mihaela Ursuleasa:
Mathe war das Schlechteste für mich, aber Sprachen waren ganz gut. Ich spreche sechs Sprachen perfekt.
Michaela Boland:
Welche sind das, abgesehen von Rumänisch und Deutsch?
Mihaela Ursuleasa:
Ja, Rumänisch ist klar, es ist meine Muttersprache. Außerdem Deutsch, Englisch, Italienisch, Französisch, Türkisch habe ich auch jetzt angefangen und ein bisschen Russisch , aber ganz wenig. Außerdem spreche ich noch Spanisch. Alle Latein-Sprachen sind für uns Rumänen leicht.
Michaela Boland:
Großes Kompliment. Damit kommst du mit Sicherheit ganz schön weit.
Was hörst du denn privat für Musik?
Mihaela Ursuleasa:
Jazz ist eine meiner Lieblingssachen. Klassischer Jazz. Keith Jarrett ist einer meiner Lieblinge. Es geht in die Richtung der Musik von Louis Armstrong oder Ella Fitzgerald. Das kann sehr rhythmisch sein.
Ich liebe zum Beispiel Schlagzeug. Da habe ich mir auch mal gewünscht, das zu lernen. Außerdem mag ich Pop-Sachen. Alicia Keys oder Diana Krall habe ich sehr gerne. Auch Volksmusik habe ich unglaublich gerne, Balkansachen.
Michaela Boland:
Spielst du auch selbst schon mal folkloristische Sachen?
Mihaela Ursuleasa:
Bei meiner zweiten CD, die im nächsten Jahr herauskommen wird, geht es um Folklore. Komponisten aus der Klassik, die sich von der Folklore aus Rumänien haben inspirieren lassen. Ein Teil ist auch etwas von Franz Schubert dabei. Er hat sich von der österreichischen Volksmusik inspirieren lassen und da ich auch in Österreich lebe, war das naheliegend.
Das wird insofern Thema der CD sein, weil ich denke, das, was jeder Mensch braucht, ist Luft zum Atmen, essen, schlafen und Musik. Schon die Urvölker, die Wilden aus dem Dschungel oder die Pygmäen, die machen Musik, nachdem sie gejagt und gegessen haben. Und diese Wurzeln sind am wichtigsten, in jedem Stil.
Michaela Boland:
Was singst du, wenn du singst?
Mihaela Ursuleasa:
Ich singe nicht so viel. Eigentlich nur in der Dusche oder ich singe schon mal beim Spielen mit. Manchmal hört man meine Stimme. Allerdings habe ich meiner heute vierjährigen Tochter früher viel vorgesungen als sie ein Baby war. Um sie in den Schlaf zu wiegen, das war einfach schön und ist immer eine gute Therapie um sich zu beruhigen oder um Spaß zu haben.
Michaela Boland:
Bist du verheiratet und wie viel Zeit bleibt bei deinem kompletten Pensum mit jeder Menge Reisen überhaupt noch für das Familienleben?
Mihaela Ursuleasa:
Verheiratet bin ich nicht, also ich erziehe die Kleine alleine mit meiner Mutter und einem Au-pair-Mädchen zusammen. Man braucht bei so einem Beruf sehr viel Hilfe. Wenn längere Reisen anstehen, ich also mehr als zwei oder drei Tage unterwegs bin, dann nehme ich meine Tochter auch schon mal mit. Sonst würde ich sie zu sehr vermissen.
Ich habe sehr viel Glück, eine sehr gute Agentur zu haben, die sehr viel Verständnis für solche Dinge hat. Sie überlegen eben gemeinsam mit mir, wie wir die Zeit einteilen, wann ich frei bin, wann ich üben muss und ich brauche Zeit für die Kleine, denn diese Zeit geht so rasch vorbei.
Du bist schon in so vielen Konzertsälen dieser Welt aufgetreten, warst in Berlin, Wien, Zürich, Köln, London, Amsterdam, New York und Los Angeles zu Gast. Stellt es eigentlich ein ganz besonderes Gefühl dar, wenn man beispielsweise in der berühmten Carnegie Hall in New York auftreten darf oder ist es so wie in anderen Häusern auch?
Mihaela Ursuleasa:
Sobald der erste Ton anfängt zu klingen, eigentlich nicht. Man konzentriert sich in dem Moment darauf, was man dort machen muss. Als ich damals in der Carnegie Hall war, war ich 17 oder im Musikverein in Wien, da denkt man einfach, „oh mein Gott, hier waren schon die anderen Großen, also Horowitz oder Karajan“, und dann denkt man, „wow, dass ich hier sitzen und spielen darf“.
Dann ist man vielleicht nervöser, aber man ist sich auch darüber bewusst, dass man jetzt oder nie einfach alles geben muss. Es ist schon wichtiger. Doch wenn man ein echter Musiker ist, ist eigentlich unerheblich, ob man in einem Dorf vor Kühen spielt oder in der Carnegie Hall, denn dann gibt man immer alles. Man hat stets die Motivation, das Allerbeste, was in dem Moment geht, zu geben.
Michaela Boland:
Kommt es auch schon mal vor, dass du dich verspielst?
Mihaela Ursuleasa:
Ja, klar. Man ist ja auch nur Mensch. Also manchmal gibt es so Blackouts oder so etwas. Man haut auch schon mal daneben, weil die Hand verschwitzt ist. Das passiert halt oder es gibt eine ganz kleine Konzentrationsschwäche. Dann macht man einfach weiter, einfach drüber und weiter.
Aber ich muss sagen, dass die Leute trotz dieser “perfektionistischen Ära“ sehr menschlich geblieben sind. Es ist ihnen nicht so wichtig, wenn kleine Patzer unterlaufen. Es ist wie beim Eislaufen, da fällt auch mal einer hin, doch dann sagt man, die restliche Performance war super, daher macht es nichts.
Michaela Boland:
Was sind das in erster Linie für Menschen, die deine Konzerte besuchen? Kann man sie irgendwie klassifizieren?
Mihaela Ursuleasa:
Es kommen natürlich sehr qualitative Leute, natürlich sind es Klassik-Fans, sonst würden sie gar nicht hingehen. Aber es sind auch Leute dabei, die vielleicht, keine Ahnung haben, aber sie hören dafür umso mehr mit einem unbekümmerten Herzen.
Die sogenannten Experten, die von sich behaupten, dass sie alles wissen und einfach mal gucken wollen, was „sie“ da oben auf der Bühne macht, die trifft man oft in den großen Städten.
Das sind dann Kritiker, die nicht objektiv hören, sondern die haben schon eine voreingenommene Meinung, bevor sie überhaupt auf dem Sitz im Saal Platz nehmen. Und es gibt dann noch diejenigen, die sich einfach hinsetzen und genießen.
Nun, und dann komme ich zu einem Punkt, an dem ich gerne einen Wunsch aussprechen möchte. Obwohl in dieser Richtung, Gott sei Dank, schon sehr viel getan wird, werden die klassischen Konzerte immer noch von sehr vielen älteren Menschen besucht und es fehlen immer noch die jungen Menschen
Michaela Boland:
Woran liegt das nach deiner Auffassung?
Mihaela Ursuleasa:
Vielleicht liegt es daran: Ich habe gehört, dass man verschiedentlich in Deutschland den normalen Musikunterricht aus den Schulen herausgenommen hat, was eine sehr traurige Sache ist. Es gibt ein Projekt, das heißt „Rhapsody in scool“ (Anm. d. Red.: www.rhapsody-in-scool.de ), das wurde von dem Pianisten Lars Vogt initiiert.
Hier werden Künstler, die in Deutschland spielen, kontaktiert und gefragt, ob sie womöglich auch in einer Schule innerhalb der Stadt vorstellig werden und den Kindern etwas vorspielen und erzählen könnten. Ich habe hierbei die Erfahrung gemacht, dass zehn bis zwölfjährige Kinder in Dortmund nicht wussten, wer Beethoven ist oder sogar Mozart.
Das liegt daran, dass die Eltern zu Hause ihren Kindern nicht mehr so viel klassische Musik geben. Kinder haben auf die Weise schnell den Eindruck gewonnen, dass klassische Musik langweilig oder zu schwer sei.
Natürlich braucht man mehr Aufmerksamkeit bei einer Symphonie von Beethoven, Mozart oder Brahms. Aber mit der Zeit kann man sich diesen Geschmack formen und sogar auch wählen und sagen, den mag ich und den mag ich nicht.
Michaela Boland:
Unterstützt du dieses Projekt fortlaufend?
Mihaela Ursuleasa:
Natürlich, also ich habe das ein paar Mal gemacht Ich muss sagen, die Kinder mögen das unglaublich. Sie haben mir dann Briefe geschickt mit aufgemalten Blümchen und geschrieben, „ja, dieses Stück von Beethoven, das Sie uns vorgespielt haben, war überhaupt nicht langweilig, sondern spannend“. Ich mache dann auch immer eine Erzählung daraus und erfinde eine Geschichte.
Michaela Boland:
Könntest du dir, abgesehen von dem gerade erwähnten Projekt „Rhapsody in scool“ vorstellen, dass es noch andere Möglichkeiten gibt, Menschen, die keinerlei Berührungspunkte mit Klassik haben, daran zu führen?
Mihaela Ursuleasa:
Ja ,schon,. Natürlich über das Internet. Ich stelle immer wieder Sachen dort hinein. Zum Beispiel bei Facebook, denn dadurch kann man an sehr viele Menschen herankommen. Ich werde nächstes Jahr ein Projekt in Wien durchführen, dass ich gerne auch in Deutschland umsetzen würde, nämlich Konzerte für Kinder zu veranstalten.
In dem Sinne , dass man ganz normale Sachen spielt und eben dabei etwas erzählt, zum Beispiel eine Geschichte erfindet, die mit dieser Musik zu tun hat.
So kann man die Kinder heran führen, in dem man sie beispielsweise auch auf die Bühne holt und ihnen anbietet, „klimper doch mal hier, dann siehst du, wie sich so etwas anfühlt“ .Das halte ich für sehr wichtig, denn man fragt sich ja schon, für wen wir in dreißig Jahren spielen.
Michaela Boland:
Bei deiner eigenen Tochter dürfte diese Problematik zumindest nicht gegeben sein.
Mihaela Ursuleasa:
Nein, sie hat ja Musik um die Ohren, seit sie im Bauch war. Sie möchte Geige spielen. Sie kratzt schon sehr falsch (lacht), aber sie möchte es unbedingt. Und ich denke, „oh Gott, nicht schon wieder eine, die Musik machen will“, (lacht). Aber wenn sie will, kann ich sie nicht davon abhalten.
Michaela Boland:
Bei der gestrigen ECHO KLASSIK Preisverleihung war auffällig, dass man mit Thomas Gottschalk, der seinen Job hervorragend gemacht hat, einen sehr populären Fernsehmoderator gewählt hat, der eigentlich nahezu sinnbildhaft für Unterhaltung steht.
In seinen Moderationen wurde auch immer wieder ein Bezug zu Unterhaltungsthemen geschaffen. Glaubst du, dass es heutzutage notwendig ist, die Unterhaltung als Brücke zu nutzen, um die Menschen an die Klassik heranzuführen? Mit anderen Worten: Hat ohne den entsprechenden Entertainment-Faktor einfach kaum noch jemand Lust auf Anspruchsvolleres?
Mihaela Ursuleasa:
Das ist eine sehr gute Frage, aber leider muss ich sagen, dass wir bedauerlicherweise in einer Welt leben, in der heute alles nur auf Konsum, Unterhaltung, Entertainment, Videospiele und solche Dinge ausgerichtet ist. Insofern muss man sich leider mit solchen Brücken behelfen.
Ich bin mir zwar sicher, dass es diejenigen gibt, die einfach so kommen oder aus purer Neugierde dabei sein wollen, aber die sind heutzutage zu wenig. Also man muss leider bis zu einem gewissen Grad bestimmte Kompromisse eingehen.
Michaela Boland:
Wie oft bist du noch in Rumänien?
Mihaela Ursuleasa:
Schon noch jedes Jahr zwei bis drei Mal. Ich spiele auch jedes Jahr dort. Also ich habe meine Fans seit der Kindheit dort. Auch fahren wir in den Ferien dorthin, es ist ja auch ein sehr schönes Land, man kann dort sehr viel machen. Es gibt ja Berge und Meer.
Michaela Boland:
Du kommst aus Siebenbürgen?
Mihaela Ursuleasa:
Ja.
Michaela Boland:
Nachdem die Gegend früher einmal zur kaiserlichen und königlichen Österreichisch-Ungarischen Monarchie gehörte, war der Schritt nach Wien für dich womöglich gar nicht so weit?
Mihaela Ursuleasa:
Richtig, eben.
Michaela Boland:
Gibt es ein Land, in dem du besonders gerne auftrittst?
Mihaela Ursuleasa:
Was Auftritte anbelangt, nicht wirklich, denn ich spiele überall gerne. Nach Deutschland komme ich beispielsweise schon seit ungefähr 15 Jahren, also es gibt fast keinen Ort in Deutschland, wo ich noch nicht gespielt habe. Das Publikum hier ist auch sehr warm.
In Polen finde ich auch ein sehr warmes Publikum vor. Was ich auch sehr gerne mag, ist, wenn die Leute nicht nur brav applaudieren, sondern wenn man auch die Antwort sieht, wenn man alles gegeben hat, total verschwitzt ist und alle Ideen ausgeschöpft hat.
Michaela Boland:
Gibt es auch schon mal Standing Ovation?
Mihaela Ursuleasa:
Ja, zum Beispiel in Amsterdam stehen sie immer auf. Das ist eine Tradition, die sie haben. Beim ersten Mal als ich in Amsterdam gespielt habe, habe ich noch gedacht, „oh, standing ovation, das ist ja unglaublich“, und dann habe ich gehört, „du, die stehen immer auf, egal für was“. Und dann habe ich gedacht, „ach so“.
Michaela Boland:
Vielleicht sind sie mittlerweile durch André Rieu konditioniert und stehen ständig in den Startlöchern, um zu tanzen?
Mihaela Ursuleasa:
Nun, lieber so als eingeschlafen (lacht).
Michaela Boland:
Was machst du so in deiner knapp bemessenen Freizeit?
Mihaela Ursuleasa:
Sehr gerne Sport. Ich mache Kung Fu. Achtung! (lacht).
Michaela Boland:
Wie bist du auf die Idee gekommen?
Mihaela Ursuleasa:
Das ist für die Selbstverteidigung sehr hilfreich. Es ist wie jeder Sport, man muss herumspringen und mit den Händen etwas machen. Ich mache das seit circa einem Jahr und es kam eigentlich nur dazu, weil diese Schule unserem Zuhause genau gegenüber liegt. Ich ging immer daran vorbei und dachte, „ ja, warum nicht einfach mal ausprobieren“. Außerdem schwimme ich sehr gerne. Und lesen.
Michaela Boland:
Was liest du am liebsten?
Mihaela Ursuleasa:
Alles Mögliche. Angefangen bei Asterix & Obelix bis Robert Musil. Jetzt lese ich gerade so ein Schnulzbuch. „Shopaholic“. Also entweder Sachen, die sehr viel vom Gehirn verlangen, so auch analytische Bücher, wie dem von Oliver Sacks, dem einarmigen Pianisten. Ein richtig dicker Wälzer. Es handelt vom menschlichen Gehirn in Verbindung mit Klang. Es ist sehr kompliziert geschrieben.
Michaela Boland:
Bei welchen Gelegenheiten liest du so etwas?
Mihaela Ursuleasa:
Im Zug oder im Flugzeug, immer wenn ich Ruhe habe. Oder vor dem Schlafengehen. Was ich übrigens ansonsten noch absolut gerne mache, ist kochen.
Michaela Boland:
Was gibt es bei dir?
Mihaela Ursuleasa:
Ich mache gerne Experimente. Besonders gerne lade ich schon mal meine Freunde ein und mache ein Sieben-Gänge-Menü aus allem: Spaghetti mit Trüffelsauce oder gefüllte Ente mit irgendwelcher Creme.
Michaela Boland:
Das klingt sehr gut. Wann nimmst du dir die Zeit, um deine „Haute Cuisine-Fertigkeiten auszutesten?
Mihaela Ursuleasa:
Wenn ich frei habe. Es gibt ja auch immer mal freie Tage. Ich habe ja zum Beispiel immer gesagt, dass ich im Sommer mal einen Monat komplett Pause brauche. Und um die Weihnachtszeit und Neujahr herum, da ist auch frei.
Michaela Boland:
Welche Menschen bewunderst du?
Mihaela Ursuleasa:
Menschen, die geradeaus sagen, was sie denken. Ohne Komplimente. Ich schätze meine Freunde sehr. Ich habe von allen Formen von Menschen, die man haben kann, ob Geliebter, Bekannter oder Chef, was auch immer, meine Freunde sind mir am wichtigsten, nach meiner Tochter natürlich.
Und solche Freunde müssen fähig sein, auch mal zu sagen, „hey, da hast du dich vertan. Tu das nicht mehr oder das war falsch“. Diese Leute verlangen auch dafür nichts zurück.
Michaela Boland:
Kannst du selbst gut Kritik annehmen?
Mihaela Ursuleasa:
Ja. Ich frage sogar gezielt nach, was nichts mit einem Mangel an Selbstvertrauen zu tun hat. Denn zwei Köpfe sehen besser als einer.
Michaela Boland:
Was bringt dich zur Weißglut?
Mihaela Ursuleasa:
Große Menschenmengen (lacht). Warteschlangen am Flughafen. Ansonsten Lügen und schleimig sein nach dem Motto: „Oh Sie sind so toll“. Manchmal werde ich gelobt, einfach nur weil ich auf einer Bühne stehe
Michaela Boland:
Du machst einen sehr selbstsicheren Eindruck. Wann glaubst du, dir dies angeeignet zu haben?
Mihaela Ursuleasa:
Als Kind wurde ich eher gedemütigt oder man hat versucht, mich dieses Selbstvertrauens zu berauben. Das kam durch diese extrem strenge Lehrerin. Aber ich denke, die Balance gab es bei den Eltern. Mein Vater hat mir immer sehr viel Selbstvertrauen gegeben.
Er hat mir immer dieses Bild vermittelt, du schaffst es, trau dich und wenn es daneben geht, macht es auch nichts, denn niemand killt dich. Ich glaube, es kommt von daher, dass ich sehr gerne riskiere.
Ich bin auch ein Mensch, der die Dinge so nimmt, wie sie sind. Was gestern war, kann man nicht mehr ändern, das ist mein Motto. Einfach weiter gucken oder wenn es etwas Neues zum Ausprobieren gibt, dann schmeiße ich mich da einfach rein.
Michaela Boland:
Wovon träumst du?
Mihaela Ursuleasa:
Ich möchte mich in jedem Fall immer wieder in meinem Spiel verbessern. Also immer wieder etwas Neues in der Musik entdecken. Dass man nicht stagniert und sagt, o.k., jetzt bin ich an diesem Punkt.
Ich sage immer, es ist schwer, auf einen Berg hochzukommen, aber es ist schwerer, an der Spitze zu bleiben. Ansonsten träume ich immer mal von Reisen im Sinne von Urlaub. Ich würde gerne mal zum Meditieren nach Indien reisen oder eine Safari machen.
Wie sieht es denn mit der weiteren Familienplanung aus oder ist sie bereits abgeschlossen?
Mihaela Ursuleasa:
Vielleicht wäre irgendwann ein zweites Kind nicht schlecht, aber jetzt noch nicht. Je nachdem wie es kommt.
Michaela Boland:
Gibt es augenblicklich einen „Mr. Right“ in deinem Leben?
Mihaela Ursuleasa:
Gibt es schon, ja. Aber ich würde seinen Namen nicht verraten, denn er ist auch sehr berühmt.
Michaela Boland:
Aha.
Mihalea Ursuleasa:
Ich glaube, er hat das nicht so gerne.
Michaela Boland:
Ist er auch Pianist?
Mihaela Ursuleasa:
Ja, ja. Wir sind total verrückt beide, weil wir uns auch kaum sehen. Er spielt morgen in Wien. Und ich sagte, na toll, einmal kommst du nach Wien und ich bin in Deutschland.
Michaela Boland:
Wie lange seid ihr schon zusammen?
Mihaela Ursuleasa:
Etwas über ein Jahr. So anderthalb.
Michaela Boland:
Aber, jetzt erzähl doch mal, Mihaela. Wie muss denn der Mann sein, in den du dich verliebst?
Mihaela Ursuleasa:
Na ja, ich hatte Erfahrungen mit entweder solchen Männern, die Babys wollten, also im Prinzip eine Mama für ihren Nachwuchs suchten, oder Machos. Also entweder oder. Aber er ist gerade der Typ, der nichts vormacht. Ich kann sein, wie ich sein will und er kann auch sein, wie er will. Er versucht mich nicht zu ändern, genauso wenig, wie ich dies bei ihm versuche.
Michaela Boland:
Wie oft seht ihr euch?
Mihaela Ursuleasa:
Wir versuchen es wie verrückt, wann immer es geht. Selbst wenn es nur zwei Tage sind. Wenn wir zum Beispiel gleichzeitig zwei Tage frei haben, oder wenn ich frei habe, dann gehe ich zu einem Konzert von ihm oder er kommt zu einem von mir. Also wir sehen uns schon fast jeden Monat.
Michaela Boland:
Den sogenannten Alltag verbringt ihr also derzeit noch nicht gemeinsam?
Mihaela Ursuleasa:
Man verbringt den Alltag nicht gemeinsam, aber in meinem Fall muss ich sagen, ich könnte nicht jeden Tag mit derselben Person, demselben Mann verbringen. Ich weiß nicht, ich habe das ausgetestet und es ist unmöglich. Dann müsste ich dem Mann sagen, „Du Armer, der du jeden Tag mit mir verbringen musst“.
(Lacht). Er ist auch so. Daher ist es so besser. Das sind sehr intensive Tage und sehr intensive schöne Momente. Wir haben uns natürlich auch schon mal gezankt und uns sehr direkte Sachen an den Kopf geschmissen. Aber das war von Anfang an so.
Wir kannten uns ja schon sehr viele Jahre von früher und plötzlich ist etwas passiert und alles war so selbstverständlich irgendwie. Manchmal denkt man ja, oh, ich muss mich jetzt extra schminken oder was mag er wohl denken, wenn ich das und das sage? Das ist bei ihm nicht der Fall. Deswegen ist es sehr schön.
Michaela Boland:
Verfolgst du augenblicklich hierzulande das gesellschaftspolitische Geschehen, wenn du ja häufiger in Deutschland bist? Stichwort Integrationsdebatte?
Mihaela Ursuleasa:
Ja, das habe ich gelesen.
Michaela Boland:
Wie stehst Du grundsätzlich zu dieser Thematik?
Mihaela Ursuleasa:
Natürlich denke ich, wenn man in einer Kultur lebt und das mehrere Jahre lang und nicht nur für drei Tage Urlaub macht, dann muss man sich schon anpassen. Aber das heißt nicht, dass man seine eigenen Traditionen oder Religionen oder Ansichten völlig aufgeben muss.
Also wenn ich jetzt zum Supermarkt gehe, dann werde ich auch nicht mit amerikanischen Dollars bezahlen, sondern ich bezahle in der Währung, die in dem Land gängig ist und ich versuche, in der Sprache zu sprechen, die die Personen dort verstehen. Auch wenn es Englisch ist, aber man muss sich verständlich machen.
Aber dieses Thema ist etwas, was ich bei den Menschen allzu oft sehe. Wir sind 1991 nach Wien gekommen und es gab Demonstrationen gegen die Ausländer. Es ist also ein Thema, eine Ideologie, wo die Wurzeln sehr berechtigt sind und ein Recht dazu haben, ausgesprochen zu werden.
Aber was der Mensch macht, tendiert leider zum Extremismus. Man verliert die emotionale Kontrolle. Wegen so etwas entstehen sowohl auf der einen Seite als auch auf der anderen Seite auch Kriege.
Michaela Boland:
Liebe Mihaela, vielen Dank für dieses ausführliche Interview. Für die Zukunft von dir und deiner Familie die allerbesten Wünsche.
Michaela Boland ist Journalistin und TV-Moderatorin. Bekannt wurde sie als Gastgeberin der Sommer-Unterhaltungsshow „HOLLYMÜND“ des Westdeutschen Rundfunks Köln. Seit 1988 schrieb sie für die Rheinische Post, unterschiedliche Publikationen der WAZ-Gruppe Essen, Bayer direkt und Kommunalpolitische Blätter.
Außerdem präsentierte sie die ARD-Vorabendshow „STUDIO EINS“ und arbeitete als On-Reporterin für das Regionalmagazin „Guten Abend RTL“. Auf 3-Sat, dem internationalen Kulturprogramm von ARD, ZDF, ORF und SRG, moderierte sie die Kulturtalkshow „Doppelkopf“, sowie für TV NRW, die Casino
Show „Casinolife“ aus Dortmund-Hohensyburg. Michaela Boland arbeitet auch als Veranstaltungsmoderatorin und Synchron- sowie Hörspielsprecherin.
Für die Gesellschaft Freunde der Künste moderiert sie den Kaiserswerther Kunstpreis sowie alle grossen Kulturveranstaltungen der Gesellschaft.
Seit Mitte 2009 ist sie verantwortlich für die Ressorts:
Michaela Boland und Gesellschaft Freunde der Künste
Freunde der Künste,
das Sprachrohr der Kreativwirtschaft