Günter Verheugen, einst EU-Kommissar, hat einen offenen Brief an Helmut Schmidt veröffentlicht. Er macht auch Deutschland und Angela Merkel für die Krise in der Ukraine verantwortlich. Verheugen widerspricht Helmut Schmidt, der letzte Woche die EU Beamten und Kommissare in der Verantwortung sah.
Bei dieser Gelegenheit möchten wir darauf hinweisen, dass die Freunde der Künste schon am 22. April 2014 genau das veröffentlicht haben, was nun Günter Verheugen bestätigt. Entgegen den gesamten deutschen Leitmedien haben wir ausführlich darauf aufmerksam gemacht, das dass Assoziierungsabkommen der EU mit der Ukraine der Ursprung der Krise ist.
Anmerkung unseres Redaktionsleiters Gottfried Böhmer am 22. April 2014
"Um die Lage zu überblicken sollte man vielleicht noch einmal zurückblicken. Ausgangslage der heutigen Situation ist das Assoziierungsabkommen der EU mit der Ukraine, das weder der Präsident noch das Parlament der Ukraine ratifizieren wollten.
Daraufhin wurde zunächst mit Unterstützung der EU, der Konrad Adenauer-Stiftung und den USA, die sich von Georg Soros , den US-amerikanischen Organisationen National Democratic Institut (NDI) und dem International Republican (IRI) vertreten ließen eine "friedliche Besetzung" des Maidan organisiert mit dem Ziel, Präsident Viktor Janukowitsch zu stürzen und durch Neuwahlen eine Regierung zu bekommen, die das Assoziierungsabkommen mit der EU unterschreibt.
Die New York Times hat über diese Organisationen 2011 geschrieben, dass sie zu den Vorreitern und Unterstützern des "Arabischen Frühlings" gehören und eng mit dem US-Aussenministerium zusammen arbeiten. Den Arabischen Frühling können sie sich jetzt mal gerne in Ägypten, Syrien und Libyen anschauen. Mord, Totschlag und das totale Chaos haben sie hinterlassen. Das war wohl auch für die Ukraine vorgesehen".
"Derweil versuchte die Merkel-Regierung den Preisboxer Witali Klitschko als möglichen Präsidenten aufzubauen. Nur zu dumm, dass der zwar gut schlagen, aber nicht sprechen kann, es reicht zu Werbesprüchen, aber nicht zu mitreißenden Reden. Am 8. Dezember 2013 schrieb der Spiegel "Merkel kämpft für Klitschko". Die Merkel-Regierung und Europas Konservative wollen Vitali Klitschko nach SPIEGEL-Informationen gezielt zum neuen starken Mann in Kiew aufbauen.
So wie es ausieht, wollte Merkel die Ukraine mit Volldampf in das Assoziierungsabkommen zwingen. Darüber hatte sich Georg Friedmann von der US-Denkfabrik STRATFOR sehr gewundert "Deutschland spiele ein komplexes Spiel" schrieb er. Vielleicht hätten die Schreihälse à la Claus Kleber und Co sich mal auch wundern sollen bevor sie allesamt einstimmig im vorauseilendem Gehorsam das Lied der EU-NATO und der Bundesregierung sangen".
Reuters meldete am Montag dem 9. Dezember 2013
"Auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew hatten bereits vor einer Woche 350.000 Menschen gegen die Entscheidung von Janukowitsch protestiert, ein Assoziierungsabkommen mit der EU in letzter Minute platzen zu lassen".
Hier sei erwähnt, dass anscheinend kein einziger deutscher Journalist die 1500 Seiten des von der EU vorgelegten Abkommens gelesen hat. Hätten sie es mal gelesen, dann wäre ihnen klar geworden, dass Russland das nicht zulassen kann, weil dieser Vertrag elementare russische Interressen verletzt.
Wie besoffen war man in Brüssel? oder war Merkel besoffen?
Lieber Helmut Schmidt,
ich teile die große Sorge, die Lage in Europa könnte weiter eskalieren. Dennoch: Es ist schlicht falsch, die EU-Kommission als "größenwahnsinnig" zu bezeichnen, ihr Inkompetenz zu unterstellen und dafür die europäische Außenpolitik gegenüber der Ukraine oder Georgien als Beweis anzuführen. Noch immer sind die Mitgliedstaaten die Herren aller Verträge. Die entscheiden, nicht die Kommission.
Zur Erinnerung: Der Weg zur Assoziierung der Ukraine (und auch Georgiens) an die EU wurde unter deutscher EU-Präsidentschaft im Juni 2007 eingeschlagen. Grundlage dafür war ein Bericht, der - nicht öffentliche - Verhandlungsleitlinien zur Vertiefung der Beziehungen niederlegte sowie ein Beschluss der EU-Außenminister (damals Frank Walter Steinmeier) für Deutschland), den alle EU-Staats- und Regierungschefs billigten.
Unter Vorsitz der deutschen Bundeskanzlerin Merkel wurde der Kommission der Auftrag erteilt, Verhandlungen über vertiefte Beziehungen zu führen und das Mandat definiert. Der europäischen Nachbarschaftspolitik wurde "überragende" Bedeutung zugesprochen. Zudem waren die Staats- und Regierungschefs einhellig der Auffassung, dass das Abkommen mit der Ukraine "Modellcharakter" haben könnte (Beschluss der Staats- und Regierungschefs vom 21/22. Juni 2007).
Teilgenommen für Deutschland hat Frau Angela Merkel
Im Juni 2008 wurde durch die EU-Staats- und Regierungschefs die Östliche Partnerschaft ins Leben gerufen. Diese griff den Wunsch vieler Nachbarländer nach engerer Zusammenarbeit mit der EU auf und beantwortete ihn positiv. Formell von Polen und Schweden vorgeschlagen, hatte die Große Koalition in Berlin dieses Konzept von Anfang an ausdrücklich befürwortet.
Auf einem Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs am 7. Mai 2009 in Prag wurde gemeinsam mit Vertretern der östlichen Nachbarländer, einschließlich Ukraine, einschließlich Georgien, folgendes erklärt:
"Das Hauptziel der Östlichen Partnerschaft besteht darin, die notwendigen Voraussetzungen für die Beschleunigung der politischen Assoziierung und der weiteren wirtschaftlichen Integration zwischen der Europäischen Union und interessierten Partnerländern zu schaffen." Teilnehmerin für Deutschland: die Bundeskanzlerin. Auch der darauffolgende Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs im Juni 2009 begrüßte das Vorhaben ausdrücklich.
Auf diesen Grundlagen hat die Kommission die Verhandlungen um ein Assoziierungsabkommen mit der Ukraine, aber auch mit Georgien und anderen östlichen Nachbarn der EU geführt.
"Berlin hat das betrieben - Warnungen wurde nicht zugehört"
Das Abkommen mit der Ukraine wurde im März 2012 paraphiert. Auch dafür brauchte es einen einstimmigen Beschluss aller EU-Außenminister. Das gilt ebenfalls für die Unterzeichnung. Es war zunächst auch nicht die Ukraine, sondern die EU, die die Unterschrift unter dieses Abkommen im Jahr 2012 verweigerte (informell im Mai 2012, offiziell im Dezember 2012).
Das kann der Kommission nicht allein angelastet werden. Die Außenminister, die Staats- und Regierungschefs, ja auch die breite Mehrheit des Europäischen Parlamentes hatten der Ukraine zusätzliche Bedingungen gestellt, darunter, man erinnere sich bitte, die Freilassung von Julija Tymoschenko, (Anmerkung der Redaktion beste Freundin von Angela Merkel die die Russen am liebsten mit Atombomben ausradierten möchte)
Damit hat die EU 2012 eine wichtige europäische Zukunftsentscheidung, die damals völlig unstrittig mit Moskau war, geopfert. Berlin und andere haben das betrieben, aus purer Parteipolitik, und weil die Ukraine nicht jeden EU-Staat interessierte. Warnenden Stimmen, aus Polen, dem Baltikum, aus Bulgarien, wurde weder im Kreis der Mitgliedstaaten noch im Parlament zugehört.
Russland wurde nicht mehr gefragt
Der Konflikt mit Russland entwickelte sich im Jahr 2013, als beide Seiten, sowohl die USA und die EU auf der einen Seite als auch Russland auf der anderen Seite, die geplante EU-Assoziierung der Ukraine zum geopolitischen Entweder-Oder hochstilisierten. Da haben nicht größenwahnsinnige Beamte oder inkompetente Kommissare mitgemacht, sondern die politisch Verantwortlichen in der Europäischen Union.
"Den amtierenden Regierungschef zum politischen Gegner erklärt und mit der damaligen Opposition in der Ukraine paktiert"
Noch im September 2013 hatte die ukrainische Regierung, trotz des Drucks aus Moskau, an der Assoziierung festgehalten und das, obwohl die EU durch ihre Parteinahme für Tymoschenko faktisch den amtierenden Regierungschef zum politischen Gegner erklärt hatte und längst mit der damaligen Opposition in der Ukraine paktierte.
Die Haltung der ukrainischen Regierung änderte sich erst, als das Land auch in die wirtschaftliche Schieflage geriet und niemand in der EU das ernst nahm. Zudem hat die EU im Jahr 2013 kein Gespräch mit Russland gesucht, und auch das kann nicht der Kommission allein angelastet werden.
Mit Russland wurde schlicht nicht darüber geredet, was die Assoziierung der Ukraine (und anderer) politisch und wirtschaftlich bedeutet. Russische Bedenken, dass sich dadurch der Handel mit der Ukraine verschlechtern könnte, wurden vom Tisch gewischt. Schließlich gab es eine Analyse aus Deutschland, die das Gegenteil behauptete.
Und zur Wahrheit gehört auch, dass der damalige ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch
die Unterschrift unter die Assoziierung mit der EU im November 2013 in Vilnius zwar aussetzte, aber dennoch Anfang Dezember nach Brüssel fuhr, in der vergeblichen Hoffnung auf finanzielle Unterstützung seines nahezu bankrotten Landes durch die EU. Erst danach fuhr er nach Moskau.
EU-Politiker haben sich offen mit dem sogenannten Euro-Maidan solidarisiert
Auch die nachfolgenden schwerwiegenden Fehler der EU sind nicht auf Brüsseler Bürokratenmist gewachsen. EU-Politiker, nicht Beamte, haben sich offen mit dem sogenannten Euro-Maidan solidarisiert und nicht gesehen oder sehen wollen, dass es sich weder um eine landesweite noch um eine homogene Bewegung handelte. Europäische Politiker erwiesen sich als blind für die innenpolitischen Spannungen zwischen der Ost- und der Westukraine.
"Ein Gutteil der Verantwortung dafür liegt in Berlin"
Ohne Not wurde die neue ukrainische Regierung nach der Entmachtung Janukowytschs sofort rückhaltlos unterstützt, obwohl diese Regierung noch nicht einmal im eigenen Land das Vertrauen der Mehrheit genießt, antirussisch ist und ihr völkisch gesinnte Kräfte angehören. Weil europäische politische Eliten nur noch in Kategorien wie prorussisch und proeuropäisch denken konnten und den Konflikt statt den Dialog mit Russland bevorzugten, haben sie - und nicht die Brüsseler Bürokraten - die schwerste Krise in Europa in diesem Jahrhundert mit ausgelöst. Ein Gutteil der Verantwortung dafür liegt in Berlin.
Anmerkung der Redaktion:
Dazu hatten wir geschrieben: "Viele Beobachter hat es sehr erstaunt, wie schnell die EU-USA die Putschregierung des neuen Ministerpräsidenten Arsenij Petrowytsch Jazenjuk anerkannt haben. Dabei hätten sie nur ein paar Jahr zurückschauen müssen. Von Dezember 2007 bis September 2008 war Jazsenjuk Präsident des ukrainischen Parlaments. Mit seinen seinerzeitigen politischen Weggefährten, Staatspräsident Victor Juschtschenko und Julija Tymoschenko
plante er im Januar 2008 ein politisches Komplott.
Ohne das Parlament zu informieren, haben die drei NATO-Glücksritter einen Brief an die NATO unterschrieben, in dem sie offiziell um die Aufnahme der Ukraine in den Nato-Beitrittsprozess baten. Jazenjuk löste daraufhin eine Parlamentskrise aus und wurde aufgefordert seine Unterschrift zurückzuziehen. Was er bis heute nicht getan hat.
Arsenij Jazenjuk, Washingtons und Berlins ukrainischer Statthalter
Nachdem der Natoverschwörer Ende 2008 zurücktreten mußte, und in den Folgejahren bis zum Putsch am 27.2.2014 kein Regierungsamt mehr hatte, kam nun seine große Stunde. Die Financial Times bezeichneten ihn als Favoriten der Amerikaner. So weit liebe Leser, zu den Hintergründen dieses abgekarteten EU-NATO-Spiels".
Verheugen "Aber, und in dem Punkt bin ich einig, solange wir weiter, wie die "Schlafwandler", in dieser Entweder-oder-Ideologie befangen, außenpolitisch durch die Gegend taumeln, verschärfen wir die Lage täglich mit. Prorussisch und proeuropäisch sind keine Gegensätze, denn auch Russland ist Teil Europas. Das ist übrigens Georgien auch, lieber Helmut Schmidt, einst Teil der griechischen Antike (der Felsen des Prometheus befindet sich im heutigen Georgien).
Politisch betrachtet ist Georgien seit 1999 Mitglied im Europarat, dem nur europäische Völker angehören dürfen, mit deutscher Zustimmung übrigens (Regierung Schröder. Es ist Teil der östlichen Partnerschaft, die aus guten Gründen politisch ins Leben gerufen wurde.
Heute hat das georgische Volk besseres verdient, als nun wegen der Fehler gegenüber der Ukraine und gegenüber Russland geopfert zu werden. Aber auch das zeigt die Krise in der Ukraine: Wir brauchen den "Ring der Freunde" dringender denn je. Das ist und bleibt der Auftrag an verantwortungsvolle europäische Politik. Und dieser Ring der Freunde bleibt unvollkommen ohne die Ukraine, unvollkommen ohne Georgien, aber auch unvollkommen ohne Russland. Das ist kein Größenwahn, das ist bitterstes Gebot der Vernunft".
Günter Verheugen
Gottfried Böhmer ist seit 1997 künstlerischer Direktor der Gesellschaft Freunde der Künste und Redaktionsleiter der GFDK.
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