Die kritischen PolizistInnen nehmen heute erstmals zu den auch militanten Auseinandersetzungen zwischen Staatsorganen und BürgerInnen um die Rote Flora in Hamburg schriftlich Stellung.
Ein Polizeieinsatz wie jener vom 21.12.2013 kann natürlich nicht auf über 700 verletzte Personen verweisen, diverse Sachbeschädigungen (und mehr!) an Häusern der Elbchaussee, ein stärker beschädigtes Bezirksamt Eimsbüttel, eine beschädigte GdP-Geschäftsstelle in Hamburg (direkt neben dem Polizeipräsidium) etc. und serieller rechtswidriger polizeilichen Handlungen sowie weiteren Gewaltexzessen in den seither verstrichenen 14 Tagen, wenn er erfolgreich gewesen wäre.
Dieses polizeilich-politische Desaster (nur wie nebenbei angemerkt: am stärksten für unseren Rechtsstaat) kann auch nicht durch markige Worte oder serieller Gruß- und Solidaritätsadressen an die Konfliktpartner ungeschehen gemacht werden. Schon gar nicht an die hoheitlich agierende Polizei, deren Gewerkschaftsfunktionäre sich (und ihre Kumpel in Uniformen) gerne mit dem Habitus von „Schutzmann Eifrig“ und „Schutzfrau Naive“ in Opferrollen stilisieren möchten:
Hamburger Polizei, Ordnungsmacht des finsteren Mittelalters
„Wer die Genesis zur Seite schiebt, kommt zwangsläufig zu falschen Analysen und Bewertungen“. Die Hamburger Polizei führt sich auf wie eine Ordnungsmacht des finsteren Mittelalters. Die Hamburger Politik lässt sich wie hilflos von „ihrer“ Polizei vorführen. Die Rolle von Exekutive und Legislative scheint verkehrt zu sein. Derselbe Wortstamm (Polis) scheint in beiden Gewalten erhebliche Verunsicherungen für die Interpretation und das Selbstverständnis von Politik wie Polizei in einer Republik herbeigeführt zu haben.
Dies dürfte vor dem Hintergrund des normativen Wertemodells unseres Grundgesetzes mit einer klar definierten Gewaltenteilung niemals eintreten. Tatsächlich findet genau dies aber derzeit in Hamburg statt, tobt sich immer noch aus und ein Ende ist nicht abzusehen. Seitens der Polizei Hamburg gab es in der nachfolgenden Aneinanderreihung mindestens drei Begründungen für ihr rechtswidriges Vorgehen gegen die angemeldete Versammlung vom 21.12.2013:
1. Die Demonstranten seien zu früh losgegangen,
2. Die Demonstranten hätten Gewalt ausgeübt (Steine von einer Eisenbahnbrücke Nähe des Bahnhofes Sternschanze), und
3. weil in der Demonstration ohnehin Gewalttäter waren, wollte man die genehmigte Demonstration nicht in die Innenstadt gehen lassen.
Die beiden ersten „Begründungen“ stellen glatte Lügen dar und wurden schnell widerlegt; sie schliefen dann gewissermaßen ein. Die dritte Begründung ist hier einschlägig. Nur ist genau diese „Begründung“ rechts- und verfassungswidrig; deshalb auch die beiden ersten Schutzbehauptungen („zu früh losmarschiert“ bzw. „Gewalt gegen PolizeibeamtInnen“) zuvor.
Dazu sollte man wissen, dass polizeiliche „Pressestellen“ seit dem Drama um das Gladbecker Geiseldrama 1988 professionell aufgestellt sind. Vorher nicht! Und dass es unzählige Kontakte zwischen dem sog. höheren Dienst bei den Polizeien zu JournalistInnen gibt, weil mittlerweile zur Ausbildung auch eine Hospoitation bei Medien gehört.
Auch darum ist so klar, dass die beiden ersten „Begründungs“ziffern nichts anderes als Idiotentests darstellten. Es scheint bedauerlicherweise viel zu viele „Idioten“ zu geben. Wir teilen niemandem etwas Neues mit – schon gar nicht in Hamburg – wenn wir ausführen, dass der Polizeikessel im Juni 1986 den Gründungsanlass für unsere BAG Kritischer PolizistInnen darstellte.
Der Kessel war rechtswidrig, so dass allen über 700 eingeschlossenen DemonstrantInnen von dem Hamburger Verwaltungsgericht ein symbolisches Schmerzensgeld zuerkannt worden war und drei verantwortliche Polizeiführer eine symbolische strafrechtliche Sanktion erhielten.
Die Skupellosigkeit von Senat und Polizei
Wohlgemerkt, eine symbolische strafrechtliche Sanktion für über 700 Freiheitsberaubungen, Nötigungen und andere Tatbestände. Nun denn, so ist das mit dem gleichen Recht für nicht alle. Allerdings weit über Hamburg hinaus... Aber das was wir am 21.12.2013 erlebten, übertrifft den Gründungsanlass von uns kritischen Polizisten in seiner Disqualität, Skrupellosigkeit und Quantität um den Faktor 3. Der weit überwiegende Teil des angetretenen Demonstrationsmarsches war nachweislich friedlich und wurde durch die polizeiliche Eskalationsstrategie daran gehindert, sein Versammlungsrecht auszuüben.
V-Leute, verdeckte Ermittler, Zivilfahnder
Wie viele V-Leute, verdeckte Ermittler, Zivilfahnder und ausländische Polizei-SöldnerInnen waren vor Ort? Wir fordern das Offenlegen der Zahlen für eingesetzte V-Leute, verdeckte Ermittler bzw. Zivilfahnder, gleichgültig von welchen Landesämtern bzw. Ministerien und/oder Bundesbehörden, sowie im Besonderen inwieweit ausländische Beamte/Bürger zur verdeckten Informationserhebung eingesetzt waren bzw. Steuerung aus der Versammlung heraus. Es war erheblich.
Eine solche Offenlegung verletzte keine personengeschützte Daten, gefährdete keine staatlichen Quellen, schüfe aber erhebliche Transparenz. Die Parlamente, insbesondere der Feierabend-Landtag Hamburg, die „Bürgerschaft“, könnten(?!?) sich ja dann überlegen, ob sie sich die Berichte, Lagemeldungen und eigenen Handlungen dieser eingesetzten Menschen (Beamte wie bezahlte Bürger) einmal näher ansehen. Was dies alles mit den Abläufen am 21.12.2013 zu tun hat?
Wir reden lieber noch über konkrete Gewalttaten als über deren Kausalitäten. Die Hamburger SPD hatte nun drei Jahre Zeit, um aus einer unter Ronald Barnabas Schill / Ole von Beust sehr weitgehend aus dem Ruder gelaufenen Polizei wieder etwas Vorzeigbares zu entwickeln. Die Hamburger SPD hat nichts davon geschafft, sondern gerade auch mit dem amtierenden SPD-Innensenator das von Schill & seinen Nachfolgern Geschaffene fortgesetzt.
Ein grauenhaftes Kontinuum, dass ja auch immer häufiger Normalbürger erreicht, betrifft und betroffen macht. Es gab 2013 bereits fünf Monate eine „Gefahrenzone“ um das Schanzenviertel, angeblich wg. Drogenhandel, also eigentlich(!) klassisches Strafrecht. Das hat wenig an polizeilichen Erkenntnissen gebracht, aber reichlich polizeiliche Missbräuche und Übergriffe sind dokumentiert.
Überhaupt diese „Gefahrenzone“, jetzt wieder eine, die gleich einen relevanten Bereich der gesamten Hamburger Mitte umfasst, und zwar „bis auf Weiteres...“ sind alles Schritte weg von zivilisatorischen Errungenschaften hin zu polizeistaatlichen Elementen. Es gab diverse weitere Ausrufungen von „Gefahrenzonen“, um den PolizeibeamtInnen das Nachdenken noch mehr abzutrainieren, ob sie einen konkreten Eingriff in Grund- und Bürgerrechte begründen können, was eben nicht bloß in der Ausbildung so häufig misslingt.
Inzwischen praktizieren viele PolizeibeamtInnen in Hamburg ihren Regeldienst mit dem Selbstverständnis das sie in „Gefahrenzonen“ als Prägung erfuhren. Nach drei Jahren SPD-Alleinregierung, politische Führung findet nicht statt! Dieser für Inneres und Sport Hamburgs zuständige Senator, seit März 2011 Herr Michael Neumann, sorgt maßgeblich für die Verunsicherung der Szene, nein, aller Akteure.
Anstatt, dass er sich mal mit dem Bausenator und der Bezirksamtsleitung, vielleicht noch jemanden aus der Senatskanzlei(?) an einen Tisch setzte, um zu besprechen, wie gehen wir mit der Roten Flora (und Herrn Klausmartin Kretschmer) um, um dann mitzuteilen, wie die Stadt sich die weitere Verwendung des Objektes vorstellte? Nichts, dort wo politische Führung vonnöten ist: Leere.
Es ist doch völlig logisch, dass die Rotfloristen vor dem Hintergrund des Agierens von Herrn Kretschmer und der bewusst im Unklaren belassenen Sichtweisen des Senats bei jeder Kleinigkeit die Gardinen hochgehen. Das Problem (für die Stadt) ist doch nicht das Gebäude, sondern sind die Menschen die darin agieren. Die Stadt muss konzeptionell handeln. Das Aussitzen mit der Hoffnung, der Zahn der Zeit brächte die Lösung, bringt solche Zustände wie wir sie derzeit in Hamburg erleben.
Wenn jetzt im Zusammenhang mit dem 21.12.13 Teile der Elbchaussee besetzt waren, diverse Häuser beschädigt und angegriffen wurden, das Bezirksamt Eimsbüttel nennenswerte Beschädigungen aufweist, dann muss es doch langsam mal klingeln. Aber das tut es nicht, wie die Ereignisse um das Neujahr 2014 dokumentieren. Dieses Kalkül muss schief gehen.
Wir machen nochmals darauf aufmerksam, dass die polizeiliche Strategie der Stärke, die seit Schill/von Beust, also seit 2001, konsequent angewendet wird, angesichts der sich weiter zuspitzenden sozialen Konflikte in einer Lost-Lost-Situation für alle enden muss. Es gibt gesellschaftliche Konflikte, da ist die Polizei machtlos: so bei den Auseinandersetzungen in Pariser Vorstädten oder auch in Großbritannien– nicht bloß in 2011.
Hamburg steuert dank des Versagens der Politik und der polizeilichen Kraftmeiereien in eine solche Situation. Und zwar ziemlich zielstrebig, weil die Politik nicht das Heft in der Hand hat, sondern diese Schill-/von Beust-Polizei. Hat die Polizei in einer Demokratie nicht Instrumentencharakter?
Das Erschreckendste an diesen Tatsachen ist aber, dass heute, über 27,5 Kalenderjahre nach dem „Hamburger Kessel“ und einer rechtsstaatlich abträglichen wie abenteuerlichen Entwicklung im sog. Polizeirecht (in der polizeilichen Praxis sowieso) nur noch Minderheiten an den Fehlentwicklungen Anstoß nehmen und die veröffentlichte Meinung das polizeiliche Vorgehen weitestgehend unterstützt, mindestens glatt bügelt. Selbst das aktuelle krasse Versagen.
Mit brachialer Gewalt gegen Einzelne
Von der Kausalitäten am 21.12.2013 (polizeiliche Stoßtrupps greifen „präventiv“ die ersten Reihen des Demonstrationszuges an) zu den Kausalitäten der Jahre vor dem 21.12.2013. Es hat Dutzende Vorfälle gegeben, in denen seitens der Hamburger Polizei mit brachialer Gewalt gegen Einzelne – gerade bei Versammlungen/Demonstrationen – vorgegangen worden ist, aber auch bei anderen polizeilichen Arbeitszusammenhängen.
Dabei kam es zu gravierendsten Verletzungen; allemal vergleichbar mit jenen Verletzungen, die der eine Kollege der Davidswache durch den brutalen Steinwurf am späten Abend des 30.12.2013 erlitt. Nur: während bezüglich dieses nicht entschuldbaren Übergriffs auf den Polizeibeamten die halbe Stadt in Trauer geht, der Bürgermeister dieser Stadt anlässlich eines von ihm gegebenen Neujahrsempfangs zu der sog. Mahnwache von GdP und PolG wie devot vor das Rathaus schleicht, so interessieren die vielen Polizeiübergriffe so gut wie niemanden.
Widerstand gegen die Staatsgewalt
Es ist nach wie vor so, dass die erfahrenen RechtsanwältInnen solchermaßen von Polizeiübergriffen Betroffenen tendenziell davon abraten, rechtlich gegen diese Polizeigewalt vorzugehen, weil anschließend in aller Regel das volle Programm gegen sie eingeleitet wird: Widerstand gegen die Staatsgewalt, zusätzliche Tatbestandsvorwürfe wg. Körperverletzung etc. pp. Und selbstverständlich sind dann auch fünf oder zehn uniformierte ZeugInnen zur Stelle. Die besonderen Probleme mit den parteilichen StaatsanwältInnen und anderes mehr.
So bleiben krasse Opfer von Polizeigewalt mittlerweile lieber in der Anonymität und finden schon gar keinen Eingang in Statistiken. Wir erlauben uns auch nochmals den Hinweis darauf, dass PolizeibeamtInnen einen Eid geschworen haben, der im Gegensatz zu den allermeisten anderen Berufen auch vorsieht, dass sie das Recht und unsere Gesetz unter Einsatz ihres Lebens schützen (sollen). Diesen Eid legen sie nicht im Vorbeigehen ab, sondern nach inhaltlicher Vorbereitung und feierlich.
Polizei verhindert die Versammlung und setzt Stoßtrupps ein
Eine Demonstration wird zur unfertigen Kundgebung „gecoacht“: durch brutale Polizeigewalt bei der angemeldeten Demonstration – eine solche muss nach dem Versammlungsgesetz nicht „genehmigt“ werden, sondern ist gewissermaßen unter Beachtung der Formvorschriften bei der Anmeldung zu genehmigen – am Samstag, 21. Dezember 2013, verhinderte die Hamburger Polizei die Durchführung der Versammlung (= Demonstration).
Vielmehr wurde der Demonstrationszug am Ausgangsort für die rechtmäßige Demonstration so eingekesselt, dass sie nie losgehen konnte. Die Hamburger Polizei machte aus dieser Demonstration eine Kundgebung ohne, dass die Versammlungsleitung dies hatte erkennen und wenigstens aus dieser Not eine Tugend hätte machen können. Die Hamburger Polizei tat so, als wenn die Versammlung verboten worden wäre und tat nur zum Schein so als wenn sie eine Demonstration begleiten würde. Und das vor dem Vertrauensgrundsatz der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
Stattdessen traktierten diverse polizeiliche Stoßtrupps wie zu Mensch gemachte Rammböcke (anders kann man es gar nicht bezeichnen) die ersten Reihen der zum Losgehen bereiten Demonstration mit massivem körperlichem Einsatz, unter Zuhilfenahme von Schlagstöcken und anderen Hilfsmitteln der körperlichen Gewalt. Ohne, dass zu diesem Zeitpunkt aus der Versammlung heraus Gewalt erkennbar war, die auch bloß die Ankündigung der Auflösung hätte nach sich ziehen können.
Stattdessen wurde dieser Demonstrationszug – die bekanntlich niedrig angesetzten Polizeizahlen sprechen von 7.300, tatsächlich dürften es über 10.000 TeilnehmerInnen gewesen sein – gewissermaßen an seinem Kopf durch PolizeibeamtInnen auseinander geprügelt. Das daraufhin einsetzende Tohuwabohu mit wechselseitigen Übergriffen wurde anschließend seitens der Polizei und der Politik alleinig den DemonstrationsteilnehmerInnen zugeordnet.
Die zum Teil unwirklichen Brutalitäten der letzten Jahre, verübt durch PolizeibeamtInnen (es schien mehr Disziplin in der Zivilgesellschaft vorhanden zu einen qualitativ gewaltigen Unterschied ausmacht, ob PolizeibeamtInnen Normen verletzen oder (gemeine) Bürger. Dies mag im Boulevard nivelliert werden können, aber in der SZ?
Es ist nachgerade schädlich , wenn man solche Beiträge im Deutschlandfunk wie von Stefan Schölermann (NDR) am 22.12.2013 hört, der davon redete, dass man in einer solchen Großstadt ja schon einiges gewohnt wäre, aber diese pro-aktive Gewaltanwendung durch die Versammlungsteilnehmer alles bisherige seiner Erfahrungswelten überstiege. Nicht bloß, dass diese Behauptung falsch ist (übrigens auch durch diverse Augenzeugenberichte und Videos belegt), sondern er kümmert sich scheinbar überhaupt nicht um die konkreten Zusammenhänge am 21.12.13 und der Jahre davor. Und das im Deutschlandfunk!
Es ist nachgerade realitätsverweigernd, wenn Frank Pergande in der FAZ vom 3. Januar 2014 ausführt: „Das Ende der Folklore“ und im nächsten Satz klärt was er damit meint: „Auseinandersetzungen mit der Polizei wurden in Hamburg lange wie ein kulturell wertvolles Traditionsgut behandelt...“. Von welchem „Hamburg“ schreibt dieser Journalist? Er muss ein anderes „Hamburg“ als die Freie und Hansestadt an der Elbe meinen.
Die Zuständigkeit für Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern ist ja auch ein wenig viel. Die Boulevard-Medien zu zitieren, vergrößert nur das Missvergnügen an den verlängerten Verlautbarungsorganen formal unabhängiger Berichterstattung als verlängerter Arm regierungsamtlicher Sichtweisen. Sicherlich: bei den Hafenstraßenhäusern in den 80er Jahren war es nicht so endlos lang. Es kümmerten sich auch namhafte HamburgerInnen darum, Prominente mit Gewicht in der öffentlichen Meinungsbildung. Das Entscheidende aber war, dass der Senat politische Führung praktizierte. Und heute? Siehe oben.
Die Bedeutung der JournalistInnen als ungeschriebene vierte Gewalt ist hinlänglich klar: Ob in Kriegen oder in Friedenszeiten. Die Ausgrenzungsmethoden, Instrumentalisierungsbemühungen und Einflussnahmen ebenso. Auch die Aufdeckung der NSA-Schredderaktionen der geschützten Räume von BerufsgeheimnisträgerInnen (Ärzte, Rechtsanwälte etc.), selbst unserer PolitikerInnen und das mit Hilfe unserer Geheimdienste und Bundesregierungen wäre ohne die Medien nicht erfolgt.
Auch bei der NSU-Mord-Sprengstoff-Raubüberfall Serie musste viel Bedeutsames durch JournalistInnen und gegen staatliche Einrichtungen – einschließlich Polizeien, Verfassungsschutzämter, Innenministerien, Kanzleramt – bekannt gemacht und bearbeitet werden. Auch zu unserer Gründungsphase, ob zu den Anti-Atom-Übergriffen durch Polizeien und Justiz oder eben bei dem Hamburger Kessel. Die grandiosen Beispiele für die Bedeutung unserer Medien allein füllte mehr als eine Pressemitteilung.
Deswegen ist es auch nicht: „Ein dämliches Gewaltspektakel“ (SPIEGEL-Online, Gastbeitrag Christoph Twickel), was in Hamburg in zahllosen „Vorhängen“ stattfindet, sondern gut erklärbar, brandgefährlich und es wäre bei einem funktionierenden professionellen Verständnis in der Politik und der Polizei Hamburgs überflüssig. Die Verantwortlichkeiten sind klar, losgelöst von den Einzelhandlungen:
Schlagstöcke hier, Fußtritt dort - Pfefferspray hier, Steinwurf dort – und so weiter. Politik und Polizei haben Hand in Hand gepatzt und perpetuieren. Umso erstaunlicher das sich dazu gesellende weitest gehende mediale Versagen zum 21.12.2013 bis heute. Die Hamburger SPD stabilisiert eine ultra-reaktionäre Schill-Polizei.
Die Feistigkeiten der Hamburger Schill-Polizei sind unter der nun fast drei Jahre wieder in Hamburg regierenden Sozialdemokratie gewissermaßen gepflegt worden: personell, konzeptionell, strukturell und vom Selbstverständnis, vom Geist in der Polizei, hat der Innensenator Michael Neumann so gut wie alles beim Alten belassen.
Polizeiliche Selbstherrlichkeit
Gerade der Innensenator hat vielmehr selbst keine Orientierung. Bei Bedarf siehe hierzu unsere Pressemitteilungen 1 bis 3 unter www.kritische-Polizisten.de , „Hamburger Innenpolitik“. Gerade ihn als entscheidende Stellgröße auch in solchen Krisen wie jetzt bei der Inneren Sicherheit haben wir kritisch zwar moderat, aber inhaltlich angemessen, gewürdigt. Das wollen wir nicht wiederholen. Wir weisen nur darauf hin, weil sich seine Defizite in einer solchen Lage voll entfalten.
Die polizeiliche Selbstherrlichkeit mit ihrem Drang zur Selbstüberschätzung, gepaart mit Allmachtattitüde und gleichzeitiger Jammerei, auch bei fachlicher Kritik - wie mehrfach bei fachlicher Kritik durch Fachhochschulprofessoren geschehen - und auch jetzt, finden leider bei diesem Innensenator und seinem seit erst knapp zwei Jahren auf verlorenem Posten sitzenden Polizeipräsidenten keine bedeutsame Korrekturen. Im Gegenteil.
Auch die einzig nennenswerte Auswechslung einer Schachfigur aus dem Personaltableau, nämlich des von Schill auserwählten Polizeipräsidenten, erfolgte nur formal durch diesen Innensenator, sondern wurde über andere – gewissermaßen gegen den Innensenator Neumann - herbeigeführt. Und der mittlerweile wirklich bemitleidenswerte Polizeipräsident weiß gar nicht wie ihm geschieht, nachdem er sich durch den orientierungslosen Innensenator verbieten ließ, einen ihm genehmen personellen Unterbau aufzustellen.
Das ist angesichts der Vita seines Vaters und seiner eigenen Verdienste an der Landespolizeischule, mithin bei dieser Überforderung, fast schon bemitleidenswert, aber letztlich selbst mit verschuldet. Uns sollte niemand unterstellen, wie es derzeit in Hamburg Volkssport ist, wir würden einseitig gegen die Polizei Partei ergreifen, nur weil wir – entsprechend unserer Namensgebung – unsere Stimme kritisch erheben.
Wir haben nicht bloß aus Versehen die „Friedenstaube“ als Logo in unserem Briefkopf, sondern von unseren Mitgliedern waren mehrere am 21.12.2013 (leider) eingesetzt. Ich selbst war vor Ort und wir verfügen nach wie vor über exzellente Kontakte, abgesehen von unserer eigenen Expertise.
Aber das was im Moment an Bigotterie, falschen Darstellungen oder auch üblen Nachreden – selbst gegen Abgeordnete der Bürgerschaft, auch durch Mopo und Hamburger Abendblatt befeuert – im Sinne der Prügel-Attacken durch die Hamburger Polizei stattfindet, um genau damit von den üblen Übergriffen hoheitlicher BeamtInnen abzulenken, sie gewissermaßen vergessen zu machen, das übertrifft so mache Operninszenierung.
Dabei findet sie sich als Vorlage in den Propaganda-Stückchen zu den Brokdorf-Einsätzen in den 70er und 80er Jahren, sowie Gorleben-Einsätzen und anderen Gelegenheiten wieder; in natürlich anderer Konkretion. Es ist methodisch nur überhaupt nichts Neues. Und sie scheint immer wieder zu funktionieren. Ihr Versammlungsrecht wahrnehmende MitbürgerInnen werden in toto zu Chaoten, Verbrechern etc. erklärt:
Die Ablenkungen der Politik statt Klärungen herbeizuführen. Michael Neumann, also der Innensenator, erklärte im NDR: „Die Verantwortung tragen allein die Kriminellen.“ Das ist schon ziemlich lächerlich, aber es geht noch weiter. Nach einem Artikel in DIE WELT, vom 23.12.2013:
„Der SPD-Politker warf den Autonomen vor, kein politisches Ziel zu verfolgen: "Hier handelte es sich nicht um eine Demonstration. Hier handelte es sich um angesagte Gewalt und Kriminalität." Der Polizeiverein Hamburg sprach von einem gezielten Angriff auf die Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft.“ Der Innensenator spricht damit dem weit überwiegenden Teil der Versammlung ab eine Demonstration gewesen zu sein und der Polizeiverein verwechselt hier die Zuordnungen, weil bei der HaHa-Polizei schon länger einiges nicht verfassungsideal und gesetzestreu läuft.
Abgesehen von der inhaltlichen Verwerfung beim Zitat von Neumann spiegeln die Zitate vom Innensenator und Polizeiverein in einem Absatz aber ungefähr wieder, auf welchem Niveau dieser Senator steht. Der zweite „Nutzen“ dieser Bigotterie, Falschdarstellungen usw. besteht darin, die politische Diskussion der Themen zu denen sich so viele Menschen zu einer Demonstration aufmachten, die dann brutalst durch staatliche Einrichtungen verhindert wurde, nicht stattfinden zu lassen.
Schusswaffengebrauch gegen gewalttätigen "Abschaum"
Die polizeiliche Eskalationsstrategie verhindert also gleich auf zwei Wegen den Sinn politischer Artikulation auf dem Wege zu Versammlungen. Die beiden Klassiker: GdP und PolGew, beide Gewerkschaften überbieten sich in ihrem Bemühen, um die Köpfe (= Mitgliedschaften) der PolizeikollegInnen zu gewinnen.
Während die einen den Schusswaffengebrauch (Gerhard Kirsch, GdP) gedanklich-mental vorbereitet, was immer wieder in den Hinterzimmern der polizeilichen Dienststellen genau so diskutiert wird, entblödet sich ein Landesvorstandsmitglied der Polizeigewerkschaft im Deutschen Beamtenbund aus Hessen nicht als der Nutzer eines sozialen Netzwerkes @HerrVanBohm sich fragte, warum die "renommierten" Medien nicht über die Zahl der verletzten Demonstranten berichteten, zu antworten:
Die "sind ja auch keine Demonstranten, sondern gewalttätiger Abschaum." Dabei handelt es sich um den stellvertretenden der Deutschen Polizeigewerkschaft Hessen, Björn Werminghaus. Selbstverständlich behauptete der Bundesvorsitzende derselben Polizei“gewerkschaft“, Rainer Wendt sofort, dass dieser Sprachgebrauch bei der Polizei nicht üblich wäre, um gleich wieder ggü. SPIEGEL-Online zu relativieren, dass sein Kollege die Formulierung in einem „verständlichen Zustand der Empörung“ formulierte.
Nein, es ist so, dass die Verrohung in den Dienststellen incl. diverser Vorgesetzter(!) sehr sehr weit vorangeschritten ist. Das sieht man beim Eingreifen auf der Straße und hört man auch, wenn man die KollegInnen ungeschützt reden hören kann/könnte. Und verletzte Demonstranten, dazu konnte die Polizei Hamburg auch Tage nach dem 21.12.2013 „keine Angaben“ machen. Darin spiegelt sich nochmals die asoziale und semi-faschistoide schriftliche Formulierung der Polizeifunktionärs Werminghaus.
Der Begriff „Abschaum“ wurde zu Zeiten des deutschen Faschismus von Rassenideologen zur Bezeichnung von „unerwünschten“ Gruppen wie Obdachlosen oder Prostituierten verwendet. Zu der PolGew, gerade unter Rainer Wendt, bei dem inzwischen selbst viele Gewerkschaftsmitglieder die Augen verdrehen, muss man nicht viel sagen, aber zum Beispiel der GdP-Funktionär, also Mitglied im DGB, Gerhard Kirsch, mit seinen Schusswaffenäußerungen, schon; mit dem Mann war ich nach meiner Bonner Abgeordnetenzeit zwei Semester in einer Studiengruppe.
Schon damals musste er wg. seiner rechtslastigen Äußerungen gebremst werden. Legendär von damals bis zu seinen Zeiten auf der Davidswache in St. Pauli bleiben seine Auftritte in einem SS-ähnlichen Mantel mit dem er durch die Gegend stürmte. „Kirsche“, wie er gerufen wurde, war auch einer jener Kollegen, die bei schwierigen Lageprüfungen im Fach „Einsatzlehre“ schnell dabei waren, gewissermaßen ganz Hamburg zu umstellen. Heute, 20 Jahre später, geht die HaHa-Polizei Schritt für Schritt mit „Gefahrengebieten“ etc. in diese Richtung. Und: Dieser Mann ist nun stellvertretender Landesvorsitzender einer Gewerkschaft im Deutschen Gewerkschaftsbund.
Der Rechtstrend in unserer Gesellschaft ist mit der deutschen Einheit, nachfolgenden Pogromen und Terrorhandlungen aus dem rechten Spektrum ja gravierend. Aber der Politik sollte es unruhige Nächte besorgen, was an Selbstverständnis in den bundesdeutschen Polizeien vorherrscht – sofern die PolitikerInnen es mitbekommen. Und eben auch in den großen Gewerkschaften der Polizei. Das Primat (?) der Politik, die Lobbyarbeit dieser Polizeigewerkschaften hat natürlich längst Früchte getragen.
Nicht bloß in der SPD, wobei mittlerweile im Deutschen Bundestag und vielen Landtagen Gewerkschaftsfunktionäre selbst als Abgeordnete die Umsetzung betreiben, sondern vor allem in der CDU: der Innenpolitische Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Kai Voet van Vormizeele, fordert etwa eine Gesetzesänderung, die Demonstranten haftbar machen würde und der CDU-Abgeordneter Karl-Heinz Warnholz verlangt nach Angaben der Hamburger Morgenpost die Einführung von Gummigeschossen; die Ausrüstung der Beamten müsse "dem hohem Maß an krimineller Energie angepasst werden".
Ferner müssten "neue Antworten" gefunden werden auf die "Form des Angriffs" durch die Demonstranten. Als Bestrafung wäre für Warnholz der Entzug der Fahrerlaubnis oder ein erschwerter Zugang zum Abitur oder Hochschulabschluss denkbar. Wie wäre es noch mit der Aberkennung der staatsbürgerlichen Rechte? Dieser jung gebliebene Abgeordnete war selbst mal bei die Hamburger Polizei.
Wo? Natürlich: Staatsschutz. Was für Kriminalbeamte bei bundesdeutschen Staatsschutzdienststellen herumgeistern, zeigten etliche „Staatsschützer“ bei ihren Zeugenauftritten vor dem PUA des Deutschen Bundestags zum NSU-Komplex.
Warnholz jedenfalls passte voll und ganz in das personelle Portefeuille von Schill & Co. Nur so und ähnlich ist die Denke bei viel zu vielen PolizeibeamtInnen. So einen verfassungs- und (schlimmer noch) menschenfeindlichen Quatsch finden die gut. Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich aufgrund meiner berufspolitischen Vergangenheit die interne Diskussion bei den Grünen besonders verfolge. Das ist ähnlich erschreckend:
Es geht dort zu wie unter AnfängerInnen. Als hätte es die Erfahrungen aus der Gründungsphase der Grünen nicht gegeben. So jedenfalls – mit ein bisschen Schi-Schi bei ihren sog. Polizeikongressen (auch noch in Hamburg) und gleichzeitigem Wegducken wenn es ernst wird, könnten sie nach Schwarz-Grün in HaHa gleich einen neuen Parteiflügel in der CDU aufmachen und geschlossen übertreten.
Ausnahmen, lieber Christian (Ströbele) bestätigen die Regel! Unvergessen bleiben wahrlich in Hamburg die Schwarz-Grünen Zeiten, über 2,5 Jahre von 2008 bis 2010, in denen diverse politische Rohrkrepierer letztlich zur vorzeitigen Beendigung, zu einer auch am darauf folgenden Wahlergebnis ablesbaren Implosion bei CDU wie Grünen, führen mussten.
Irrwitzig nur, das macht auch die derzeitige Wirkungslosigkeit der grünen Partei nachvollziehbarer, dass die damaligen Protagonisten, eine grüne Umweltsenatorin, die ihre Unterschrift unter ein Kohlekraftwerk mit über 1.700 MW Nennleistung setzte oder einer (weiteren) Schulreform, die komplett an der Bevölkerung vorbei installiert werden sollte (siehe Volkszählungsergebnis), später für ihre Minusleistungen belohnt wurden: die Umweltsenatorin Anja Hajduk wurde wieder in den Deutschen Bundestag geschickt, Jens Kerstan, der wie Kermit, der naseweise Frosch in der Sesamstrasse agiert und redet, macht jetzt den Fraktionsvorsitzenden in der Bürgerschaft, Till Steffen, der als Justizsenator dilettierte, versucht weiter ein ordentlicher Abgeordneter zu werden, nun in der Rolle als verkehrspolitischer Sprecher und so geht das munter weiter.
Unbegrenztes „Gefahrengebiet“ der halben Innenstadt
Das Abwimmeln lassen von Hamburger Grünen und Linken zu einer Sondersitzung des Innenausschusse der Hamburger Bürgerschaft als Feierabendparlament am kommenden Montag, 6. Januar 2014, 17:00 Uhr, mithin 17 Tage nach der Abschaffung des Versammlungsrechts durch die Hamburger Polizei – anstatt gleich kurz danach - ist nur noch beschämend. Natürlich wird diese Zeitspanne zum Schaffen neuer Fakten genutzt:
Unbegrenztes „Gefahrengebiet“ der halben Innenstadt. Das bedeutet: die Polizei darf jede Person und deren Taschen ohne die Angabe von Gründen kontrollieren. Außerdem dürfen Platzverweise und Aufenthaltsverbote erteilt und Personen in Gewahrsam genommen werden. Anwohner sollen damit nicht belästigt werden. Was vor dem Hintergrund der bisherigen Umsetzung solcher Gefahrengebiete in Hamburg nur noch lächerlich wirken kann.
Die Propaganda der Polizei und angehängter Medien läuft auf Hochtouren. Selbstverständlich wird die Beweismittellage zurecht gearbeitet. Mal schauen wo die Videos der Beweissicherungstrupps geblieben sind... Und was auf der Sondersitzung stattfindet kann man sich auch schon vorstellen. Bevor überhaupt jemand von der Opposition zu Wort kommt, reden die SenatsvertreterInnen und deren nahestehenden Abgeordneten bis 22h.
Was Hamburg jetzt bräuchte, wären aufgeräumte Köpfe in Senat und Bürgerschaft, die Klarheit zur Roten Flora herstellen und nicht sämtliche Akteure darüber im Ungewissen lassen, wie es mit dem Objekt weitergehen soll.
Dazu eine Aufarbeitung der Vorfälle um den 21.12.2013. Die bisherige Bearbeitung der grauenhaften Verletzungen der KollegInnen eine Woche später, am 28.12.2013, kurz vor Mitternacht, durch unter anderem die Mordkommission und eine Ermittlungsgruppe des Staatsschutzes spottet jeder Beschreibung und gehört mehr zur Stimmungsmache denn fachlich angemessener Arbeitsweise. Dann hätte die Mordkommission mit angehängten Ermittlungsgruppen bei zig Opfern von Polizeigewalt tätig werden müssen.
Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz scheint außer Kraft gesetzt zu sein. Es regiert der blanke Aktionismus was ja nur logisch ist, wenn die oben erhobene Forderung berechtigt ist, dass der Senat endlich Klarheiten zur Zukunft der Roten Flora herstellen muss. Vielleicht macht ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss Sinn? In jedem Falle wäre wünschenswert, wenn Experten von außen, auch dem Ausland, die Vorgänge untersuchen könnten.
Und: die nächste Demonstration – gewissermaßen als Ersatzhandlung zu jener am 21.12.2013 von Polizeieinsatzkräften zerschlagenen Versammlung – sollte vorbereitet werden. So wie es im Grundgesetz steht:
Friedlich und ohne Waffen.
Bundessprecher
Thomas Wüppesahl
Thomas Wüppesahl ist Kriminalbeamter a.D, Diplom-Verwaltungswirt, deutscher Politiker und ehemaliger Bundestagsabgeordneter. Seine politischen Schwerpunkte sind Bürgerrechte, Innenpolitik und Anti-Atomkraft-Bewegung
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