Florian Müller fotografiert Fetischisten: Menschen, die sich als Hunde verkleiden oder gefesselt an die Decke hängen lassen, Fotos (c) Edition Lammerhuber/ Florian Mueller
„Man muss sich die Gelüste des Menschen als ein Meer aus bunten Murmeln vorstellen. Unmöglich, sie alle zu zählen. Und ständig findet man eine, die man noch nicht kannte.“! Nora Gantenbrink
Der Fotograf Florian Müller nimmt uns in seinem Buch SESSIONS mit auf eine Reise quer durch Deutschland und stößt vor bis auf das Innerste, die Urgelüste und Bedürfnisse menschlicher Existenz. Das allgemeine Bild fetischistischer Sexualität ist von Gewaltphantasien, Lack und Leder geprägt. Jedoch ist die Vielfalt weitaus größer.
Müllers Bilder sind nur auf dem ersten Blick schwarz-weiß. Wer genau hinsieht, erkennt Grautöne, Schattierungen. Mehrere Jahre hat er an dem so genannten „Candy Crush Project“ gearbeitet, eine außergewöhnlichen Fotoarbeit über Fetischismus in Deutschland. Er traf auf Personen, die in der Gesellschaft oft als „pervers“ gelten.
Alle Personen in diesem Buch wollen aber nicht als Kranke beschimpft oder gesellschaftlich stigmatisiert werden. Sie fanden durch ihren Fetisch ganz einfach zu einem erfüllteren Leben, einige sagen: „zu sich selbst.“ Manchmal dauerte es Wochen bis sie ihm vertrauten und an ihren so genannten Sessions teilhaben ließen, an ihren sexuellen Spielen.
Florian Müller missbrauchte ihr Vertrauen nicht. Er nahm die Menschen vor seiner Kamera ernst, bediente keine Klischees. Seine Bilder sind nicht abstoßend, sondern nah, fast zärtlich. Wie die Domina ihren Gast umarmt. Wie ein Frührentner im Vakuumbett Erfüllung findet. Wie ein Mann, der gerne in die Rolle eines Pferdes schlüpft, plötzlich ganz ruhig wird. Müller sagt:
„Die meisten Sessions sind erschreckend harmlos. Was die Personen eint, deren Geschichte in meinen Bildern zu sehen sind, ist die sinnstiftende Suche nach elementaren menschlichen Bedürfnissen wie Freiheit, Wärme und Geborgenheit, ja vielleicht sogar Glück.“
FLORIAN MÜLLER studierte an der Hochschule Hannover Fotografie. Seine Arbeit SESSIONS wurde mit dem Prix de la Photographie Paris und vom Art Directors Club Deutschland ausgezeichnet.
NORA GANTENBRINK, geboren 1986 in einer Stadt am Rande des Ruhrgebiets.
Nach einem Studium in Münster besuchte sie die Henri-Nannen-Journalistenschule in Hamburg mit Stationen bei der BERLINER ZEITUNG, ZEIT, SPIEGEL ONLINE und dem SPIEGEL. 2012 wählte das Medium Magazin sie zu den Top 30 unter 30 Nachwuchsjournalisten. Seit 2013 ist sie Redakteurin beim Stern, erst im Ressort Kultur, seit 2015 in der Gesellschaft. Eigentlich lebt sie in St. Pauli.
EDITION LAMMERHUBER wurde zum zweiten Mal in Folge von der Federation of European Photographers (FEP) zum besten Fotobuch-Verlag Europas gewählt: FEP European Book Prize of the Year Award / BEST PUBLISHER 2015. “For the elegance of their books and the great attention paid to detail and for the courageous choice of subjects dealt with,” argumentierte die internationale Jury.