Vielleicht unpopulär: Die aktuelle Hoeneß-Diskussion verbindet, wie ich finde, an manchen Stellen Themenfelder in einer annähernd demagogischen Weise miteinander. Sie spricht Hoeneß Aufrichtigkeit in Situationen ab, in denen er anderen geholfen hat und entwertet dies vor dem Hintergrund seines Schweizer-Kohle-Parkplatzes.
Ich halte diesen Ansatz für eine unangemessene „Binärisierung“. Jeder von uns allen verfügt über wahre, ehrliche, liebevolle und fürsorgliche Teile seiner Persönlichkeit und über dunkle, ungerechte, egositische: Auch Frau Merkel, alle Journalisten, mediale Trittbrettfahrer und Moralisten. Jeder. Dies - und nichts anderes- ist die Wahrheit.
Wohl gemerkt: Ich rechtfertige nicht das Vorgehen von Hoeneß – aus einem ganzen Bündel unterschiedlicher Gründe. Ich kritisiere die aktuelle Tendenz der Totalentwertung, die in der öffentlichen Diskussion deutlich wird. Jeder, der hier mitdiskutiert, kennt bei sich selbst beide Pole des Spektrums, wenn er seine Ehrlichkeit einmal einschaltet und muss sie anderen nicht zwingend absprechen, nur weil es aktuell dem eigenen Standpunkt dienen mag.
Es ist paradox, wenn etwa Frau Merkel Enttäuschungen bei Ulli Hoeneß anprangert, und Minuten später jene unreklektiert lässt, die sie selbst in politischen Feldern verursacht hat und weiter verursachen wird. Dies gilt für Plitiker aller Parteien. Ebenso paradox ist es, wenn Journalisten Hoeneß mangelnde Glaubwürdigkeit seiner „moralischen“ Statements der Vergangenheit vorwerfen und mit diesem Vorwurf exakt jene Position einnehmen, die sie an ihm kritisieren, um Tage später für die schnelle Headline oder die Exklusiv-Story die eigene Moral wichtigeren Zielen zu opfern und dabei noch Journalistenrabatte vieler Unternehmen zu genießen.
Bei aller Berechtigung einer notwendigen öffentlichen Diskussion sollte der Blick auf die eigene, trittbrettfahrerartige Verlogenheit nicht ganz verschwinden.
Auch, wenn dies eine Irritation der eingeschwungenen Kultur bedeuten mag.