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27.01.2019 Dem eigenen Gedächtnis vertrauen

Kollektives Vergessen nützt nur den Mächtigen - Nur ein Esel braucht ne Brücke

von: GFDK - Alexander Wallasch

Und es hat sich nichts geändert. Hier noch einmal der Artikel vom 1. Sebtember 2013 von Alexander Wallasch. Ob Agenda 2010, Bankenkrise oder Syrienkonflikt – die Mächtigen in der Gesellschaft profitieren vom kollektiven Vergessen. Doch es gibt einen Ausweg: die Erinnerung.

Was ist wahr, was ist unwahr? Haben Sie auch manchmal das Gefühl, Sie wären nicht mehr in der Lage sich zu diesem oder jenem nachrichtenrelevanten Problem eine eigene Meinung zu bilden? Haben Sie Mühe, die Fakten, Ihre Wahrheiten von Gestern, mit den Fakten und Wahrheiten von heute zu synchronisieren?

Keine Sorge, dieses Gefühl ist berechtigt. Politik und Wirtschaft, oder wenn Sie schon links überholt haben, gerne auch: die herrschende Klasse, die Aktionäre, die Geldschweine usw. spekulieren sogar auf Ihre Amnesie, auf Ihre Gedächtnisverluste, auf den Verlust Ihrer Fähigkeit, eine einfache Transferleistung über Jahre im Aktiv-Modus zu halten. Fordert die sogenannte etablierte Politik Jahr für Jahr mehr Investitionen in Bildung, so wünscht sie sich umso mehr einen Abbau ihrer Gedächtnisleistung.

Dem eigenen Gedächtnis vertrauen

Konkret: Nehmen wir mal Griechenland, Portugal, Zypern. Wer aufmerksam geblieben ist und noch die Kraft hat, strategisch verkomplizierte Ereignisse zu simplifizieren; wer beispielsweise realisiert hat, wohin ein Großteil der Rettungsschirm-Charity-Kohle zurückfließt – auf die Konten von Großbanken in Deutschland – für den ist die ganze schmutzige Angelegenheit zunächst hinreichend besprochen.

Alles was seit dieser 1-plus-1-Erkenntnis noch dazu kommt, ist Kosmetik, ist Revision. Die Schuldigen, bzw. die Profiteure aber, sind da geduldig. Das aktuelle Meisterstück ist übrigens Syrien und der schon vor Jahren geplante Sturz Assads. Aber das ist eine andere fiese Baustelle.

Wichtig ist zunächst nur eines: Die Behauptung, es gäbe immer mehrere Wahrheiten ist falsch, also unwahr. Man muss sich nur irgendwann für die plausibelste entscheiden. Und man muss seinem Gedächtnis vertrauen, bzw. es benutzen. Und vor allem: Man sollte seinem Gedächtnis treu bleiben. Auch in schwierigen Zeiten.

Altkanzler Schröder nutzt die Gedächtnisschwäche

Das kollektive Gedächtnis hat heute eine Halbwertzeit von gerade einmal zwei bis drei Jahren. Das einzige, das länger haften bleibt, sind Ressentiments und Songs von Vicky Leandros. Die bleiben unvergessen.

Die Frage ist nun also nur, wie man so eine Vicky-Leandros-Gedächtnisleistung auf die wirklich wichtigen Dinge überträgt. Wer hat wann was getan und was hat sich daraus ergeben, was wird sich daraus ergeben?

Nehmen wir doch mal diesen Altbundeskanzler Gerhard Schröder. Ein geduldiger Mann. Wollig wattiert auf Putins Kosten hat er geduldig die Amnesie des kollektiven Gedächtnisses abgewartet und taucht nun rechtzeitig zum Bundeswahlkampf der SPD aus seiner lupenreinen Versenkung auf mit großer Fresse wie eh und je. Die Haare so schön gefärbt – pardon: getönt – wie anno dazumal.

Und was hat er im Gepäck? Zehn Jahre nach dem Start seiner Agenda 2010-Reformen warnt er vor einer nachlassenden Veränderungsbereitschaft in Deutschland. Reformen seien zu einer ständigen Aufgabe geworden. Die wirtschaftliche Basis Deutschlands ändere sich dramatisch, deshalb müsse das politisch-soziale System in immer kürzeren Abständen nachgebesserten werden.

Applaus bei den Genossen. Kopfschütteln bei allen, die sich zur Erinnerung zwingen, die Schröder-Altlasten vickyleandrossen.

Der Niedersachse mit russischen Neuwurzeln setzt also im Namen der SPD auf eine Eskalation der Nachbesserungen, auf eine Todesspirale für alles, das sozial ist, für alles, das deutsche Euros kostet, die woanders in Europa wohl dringender benötigt werden.

Entsorgt werden soll also mittels Agenda 2010-Reloaded was vom Sozialstaat übriggeblieben, was noch von der Bonner Sozialen Marktwirtschaft übriggeblieben ist.

Und da es Schröder nicht nur um eine Nachbesserung des sozialen, sondern des Politischen-Sozialen geht, darf angenommen werden, das die bundesdeutsche Rumpf-Demokratie für Schröder ebenfalls ein paar Nachbesserungen benötigt. Deutschland hat heute den größten Niedriglohnsektor Europas.

Weil Schröder damals auf einen Mindestlohn verzichtet hat, beziehen heute hunderttausende Vollzeitkräfte mit und ohne Familien Zuschüsse aus Hartz4, zählen aber nicht mehr offiziell in der Arbeitslosenstatistik und so weiter und so fort. Die politische Kosmetik wider eines erstarkenden kollektiven Gedächtnisses hat Hochkonjunktur.

DIE LINKE: Die Partei pro Gedächtnis

Nur eine Frage der Zeit, wann sich nach Schröder auch der Gangster Fischer reloaded. Die Grünen haben es allerdings etwas besser. Die Versager von gestern sind teilweise einfach weiterhin politisch aktiv geblieben und haben die Zeit, bis sie hoffen durften, das ihr Versagen kollektiv vergessen wird, so wie Ex-Bundesminister Jürgen Trittin, als grüne Parteiführungsfunktionäre ausgesessen.

Eines allerdings wird dieses Mal nicht gelingen: Die Amnesie bleibt unvollständig, denn unter dem starken Eindruck wachsender sozialer und politischer Ungerechtigkeit bei Agenda 2010 hat sich damals die Partei DIE LINKE etabliert. Ein Bumerang. Und die hat eine besondere Aufgabe mit Alleinstellungsmerkmal übernommen: Sie agiert wider des Vergessens.

Partei pro Gedächtnis. Und sie wird lautstark dafür sorgen, das Untote wie Gerhard Schröder keine Generalamnestie erwarten dürfen. Die erhoffte Amnesie findet einfach nicht statt. Es besteht sogar Hoffnung, dass es daraus resultierend so etwas wie eine Rückkehr zum Gedächtnis geben kann.

Die nun bald im Wochentakt einschießenden Wahlprognosen für die kommende Bundestagswahl dürften also so unsicher sein, wie nie zuvor. Wenn Sie sich nur erinnern. Und dann wählen gehen. Ihre Erinnerungen könnten für den einen oder anderen Reanimierten ziemlich lehrreich werden.

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