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03.03.2014 mit Volldampf zurück in absolutistische Zeiten

Konstantin Wecker warnt uns vor dem Krieg - Kommentatoren in bürgerlichen Zeitungen rüsten verbal auf

von: Konstantin Wecker

Liebe Freunde, das Gedicht "Der Krieg" von Georg Heym hat mich schon als Jugendlicher fasziniert. Es stammt aus dem Jahr 1911 und setzt sich drei Jahre vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges mit dem Thema des Krieges auseinander. Der Krieg lag seit der Marokkokrise (1905/06 und 1911) atmosphärisch in der Luft.

Heym, der schon 1912 im Alter von 24 Jahren bei einem Unfall ums Leben kam, hat die Schrecken des Krieges im Gegensatz zu seinen Altersgenossen nicht mehr erlebt.
Umso faszinierender, mit welchem prophetischen Genie er das Grauen der nächsten Jahre in Worte zu fassen vermochte.

Das Gedicht beginnt mit den Zeilen:

Aufgestanden ist er, welcher lange schlief,
Aufgestanden unten aus Gewölben tief.
In der Dämmrung steht er, groß und unerkannt,
Und den Mond zerdrückt er in der schwarzen Hand.

Man muss kein Prophet sein um zu spüren, dass diese Zeilen aktueller sind als in den letzten Jahrzehnten. Die Rhetorik der Presse und unserer Politiker wird kriegerischer, auch wer nicht hellhörig ist, hört die Kriegstrommel. Gauck, Merkel und zunehmend auch Kommentatoren in bürgerlichen Zeitungen rüsten verbal auf.


Der Textschreiber Stefan Scholl schreibt in der Südwestpresse in einem Beitrag über den "heroischen Kampf in der Ukraine", nachdem er erstmal über die "zivilisierte, von Pazifismus und Rundumtoleranz getränkten Öffentlichkeit Westeuropas " lästert:


" Die Ukrainer haben ihren ostslawischen Brüdervölkern gezeigt, wie man Zaren das Fürchten lehrt. Und dass Demokratie lohnt, sein BLUT FÜR SIE ZU VERGIEßEN."
Es war ja auch selten das Blut der Journalisten, das in Kriegen vergossen wurde, nicht wahr, Herr Scholl? "Nach Kriegsende sollte man die Kriegsliteraten einfangen und von den Kriegsinvaliden auspeitschen lassen" schrieb Karl Kraus.


Und der wußte, wovon er schrieb.
Freunde - fallen wir säbelrasselnd in die Zeit vor dem ersten Weltkrieg zurück?
Der Journalist und Autor Jürgen Weber schreibt, er schäme sich für seinen Berufsstand, wenn er so etwas liest. Er hat eine lesenswerte Erwiderung geschrieben.

Konstantin Wecker

http://hinter-den-schlagzeilen.de/2014/02/28/heldentot-und-heroischer-kampf/

Dazu ein Leser:

Nicht nur militärisch und sprachlich, auch gesellschaftlich befinden wir uns auf dem Weg mit Volldampf zurück in absolutistische Zeiten. Der neue Herrscher heißt nicht mehr König, sondern Vorstandsvorsitzender, CEO oder Investor, der seine Schergen in der Politik ausschickt, um die Steuern einzutreiben und die jungen Männer in den Krieg zu schicken. Das ganze wird von einem Staatsoberhaupt befördert, der Kriegseinsätze im Ausland befürwortet (dass der Mann Theologe ist, spielt wohl in einem anderen Leben eine Rolle).

Die Hofberichterstattung findet alles toll, kritische Stimmen sind kaum zu hören und werden gern als Vaterlandsverräter gebrandmarkt. Der Russe ist wie immer der Böse, auch und gerade für die Presse. Und wo wir gerade dabei sind, irrlichtert ein bayrischer Provinzfürst mit dumpfen rassistischen und fremdenfeindlichen Aussprüchen durch die Stammtische und wird dafür bejubelt.

Das ganze wird begleitet von der systematische betriebenen Verarmung weiter Bevölkerungsteile, damit diese über der Sorge um ihr täglich Brot nicht mehr auf die Idee kommen, sich um mehr zu kümmern. Die Wahlen werden ohnehin nur noch als Folklore inszeniert, denn eine Wahl hat man nicht mehr. Da macht es auch schon nichts mehr, dass manche fordern, dass ein jeder nach seinem Einkommen wählen dürfen soll.

Der Staat wird ausgehungert und abverkauft, damit immer mehr Könige und Fürsten immer mehr Macht kriegen können. Gesegnet wird das von den Auguren und Priestern der Marktwirtschaft, die heute Wirtschaftswissenschaftler heißen. Da passt das Säbelrasseln in der Ukraine doch wunderbar ins Bild.

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