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10.12.2013 Nach 80 Jahren ist schluß mit lustig

Wieder ein Opfer von Amazon? - Hamburger Buchhandlung Laatzen muß nach 80 Jahren die Tür verschließen

von: GFDK - Gottfried Böhmer

Hamburg-Neustadt. Aus die Maus Nikolaus heißt es nun für die 1933 gegründete Buchhandlung Laatzen. Am 23. Dezember wird der Laden geschlossen und Deutschland ist wieder um eine Buchhandlung ärmer. Die 1933 gegründete Traditionsbuchhandlung am Stephansplatz muß sich künftig auf den Versand konzentrieren.

Deutsche Innenstädte bald ohne Buchhandlungen?

Die allgemeine Verlagerung des Buchgeschäfts ins Internet, und eine langjährige Baustelle vor der Tür hätten zu starken Umsatzeinbußen geführt, begründet Inhaber Lauritz Laatzen die Schließung. Er will sich am 11. Dezember mit einem Fest verabschieden. Zwischen 10 und 19 Uhr wird zu jeder vollen Stunde ein Text gelesen. Jeder Kunde, der etwas kauft, erhält eine Erinnerung an die Buchhandlung geschenkt.

Unabhängige und inhabergeführte Buchhandlungen haben es in den letzten Jahren zunehmend schwerer gegen den Online-Buchhandel wie etwa dem des großen "A" anzukommen. Am 06.12.2013 haben die Freunde der Künste deshalb zu einem Flashmob gegen Amazon aufgerufen an dem sich viele Freunde beteiligt haben.


Die Büchnerpreisträgerin Sibylle Lewitscharoff hatte erst kürzlich zur Eröffnung der internationalen Buchmesse in Wien die Gelegenheit für eine leidenschaftliche Tirade gegen Amazon genutzt:

"Wenn ich eine Firma hasse, dann diese! Sollte es mir vergönnt sein, den Tod dieser verhassten Firma noch zu erleben - was leider nicht sehr wahrscheinlich ist - werde ich mit einem Jubelruf auf den Lippen ins Grab sinken."

"Wenn ich eine Firma hasse, dann diese! Amazon bezahlt keine Steuern in den Ländern, in denen dieser widerliche Klub eine Menge Geld verdient, er bezahlt seine Angestellten empörend schlecht, ruiniert die Buchhändler und zunehmend auch die Verlage".

"Seriöse Betreuung, Herstellung und Vertrieb des gedruckten Buches jedoch sei, so Sybille Lewitscharoff eine arbeitsintensive Angelegenheit, für die eine ganze Branche mit einer Vielzahl von Angestellten nötig sei. "Nur um den einen Strawanzel, der das Buch geschrieben hat, geht es beileibe nicht".

"Jedenfalls halte ich dem gedruckten Buch, den erstklassigen Verlagen und den Buchhändlern, die ich liebe, die Treue, schwatze vergnügt mit ihnen und lasse mich von ihnen auch gern auf etwas hinweisen, was mir bisher entgangen ist. Nichts lieber, als eine ordentliche Summe in eine Buchhandlung zu tragen. Dort soll Ihr Geld hin, werte Leser! Es soll nicht im Rachen einer Firma landen, die Tausende von Arbeitsplätzen vernichtet und den wenigen, die für sie arbeiten, Hungerlöhne zahlt!"

Nun sei das Glas auf die Verlagsmitarbeiter und Buchhändler erhoben

Komme, was wolle, ich glaube an die Zukunft des Buches zwischen zwei Deckeln und werde nicht davon ablassen, neue Lieblinge für schönes Geld bei einem Buchhändler zu erwerben. Nun sei das Glas auf die Verlagsmitarbeiter und Buchhändler erhoben – ich wünsche ihnen gute Umsätze und ein gedeihliches Leben!

Sibylle Lewitscharoff, zählt zu den bedeutendsten Autoren der Bundesrepublik. 2011 gewann sie den Deutschen Buchpreis, 2013 wurde ihr der Georg-Büchner-Preis verliehen. Zuletzt erschien von ihr bei Insel "Pong redivivus".

 

Der Verleger Christopher Schroer schrieb am 15. Februar einem offenen Brief an den Amazon Chef Jeff Bezos der auch bei den Freunden der Künste veröffentlicht wurde.

Wir geben den Brief hier noch mal im Wortlaut wieder:

"Heute nehmen wir Abschied, wir kündigen unsere Zulieferer- wie auch Kundenkonten. Mit sofortiger Wirkung. Ohne Wenn und Aber und mit allen Konsequenzen.

Seit Jahren ist es uns als Verlag ein Dorn im Auge, dass Sie an kleine Zulieferer wie uns überzogene Rabattforderungen von 55% stellen. Nein, es muss ja, um mit dem Buchpreisbindungsgesetz konform zu sein, heißen: 50% Rabatt plus 5% Lagerkosten. Dass aber Waren, die nachweislich Durchlaufposten sind, auch ohne Lagerung diese 5% zusätzlichen Kosten verursachen, war uns schon immer unverständlich.

Luftige Buchungstricks und Gewinne maximieren

Auch haben wir akzeptiert, dass Sie mit luftigen Buchungstricks bei der Umsatzsteuer Ihren Gewinn maximieren; dass Sie von kleinen Zulieferern verlangen, Rechnungen zu stellen, die dann ins EU-Ausland versandt werden müssen; dass Sie sich vertraglich einen unglaublichen Skontorahmen einräumen lassen. Dass neue, frisch angelieferte Titel in Ihrem eigenen "Marketplace"-Anbieterkonto als Mängelexemplare auftauchen. Und dass Sie Kommissionswaren remittieren, die Sie nicht pfleglich behandelt haben und diese somit vom weiteren Verkauf ausgeschlossen sind.

Amazon nutzt seine Marktmacht rigoros aus

Dass Sie Ihre Marktmacht gegenüber Ihren "Partnern" rigoros ausnutzen, sollte wohl jedem klar sein: Lebendig erinnern wir uns an Ihre Aktion gegenüber den "Independent Publishers" in Ihrem Heimatland, wo Sie neue Konditionen diktierten. Wer nicht mitzog, der wurde einfach ausgelistet, dessen Bücher waren urplötzlich nicht mehr verfügbar.

Aber, das haben wir hingenommen, zwar nicht ganz freiwillig, denn will ein Kleinverlag von Endkunden wahrgenommen werden, ist es zwangsläufg verpflichtend, bei Ihnen gelistet zu sein. Amazon macht sichtbar, und wer nicht bei Ihnen gelistet ist, der ist bei Endkunden auch nicht "seriös" – oder: Was es bei amazon.de nicht gibt, gibt's nirgends.

Wirtschaftlich trägt sich Ihr Geschäftsmodell für uns nicht. Hat es im übrigens noch nie. Zu überzogen sind Ihre Forderungen, wir fühlen uns nicht als Partner behandelt, sondern als Bittsteller, der bitte, bitte, bitte seine Bücher über Ihre Plattform vertreiben darf und zwar zu Konditionen und Verträgen, die Sie diktieren.

Nun aber bringt die aktuelle Berichterstattung das Fass zum Überlaufen: Sie behandeln Menschen wie Ware. Menschen, die in eine Notlage geraten sind, die Arbeit dringend brauchen. Diese Menschen, Ihre Arbeitnehmer, Ihr "Humankapital" behandeln Sie mit genauso unfairen Praktiken, die Sie schon uns haben angedeihen lassen.

Auf eine Wiederholung der Vorwürfe verzichten wir an dieser Stelle, stehen diese noch im Raum und sind aufmerksamen Zeitgenossen durchaus in lebendiger Erinnerung.

Respektvolles wirtschaften, faire Umgangsformen und gegenseitige Rücksichtnahme sind für Amazon Fremdwörter

Aber als Ergänzung sei hinzugefügt, dass unsere Ansprechpartner ebenfalls größtenteils nicht in Deutschland sitzen, sondern − so unser Verdacht – in Indien. Wie wohl hier die Menschen behandelt werden? Menschen, denen ein Staat weniger Schutz und Rechte gibt, als auf unserem europäischen Boden.

Respektvolles Wirtschaften, faire Umgangsformen und gegenseitige Rücksichtnahme in einer Geschäftsbeziehung halten wir für unabdingbar. Egal, ob es dabei um Kunden, Mitarbeiter, Zulieferer und Vertriebspartner geht.

Sie sind, waren es nie und werden es auch wohl zukünftig nicht werden: ein Unternehmen, das Menschen wie Menschen, das Verlage wie Partner, das Kunden wie Könige und Kaiser behandelt. Ein Unternehmen, welches sich u.a. dem Kulturgut "Buch" verschreibt und soziale und ethische Grundsätze beachtet.

Wir können daher nur unsere Konsequenzen ziehen und sagen "Adieu!".

Und eigentlich sind wir froh darüber, einen so schwierigen Geschäftspartner los zu sein."

Anmerkung der Redaktion:

Christian Lindner will die Bürger vor dem Konzernkapitalismus schützen?. Das sagte er zumindest dem Cicero im Foyegespräch am 24. November. Lindner mahnte die Kartellrechtliche Prüfung von Google und Youtube an, wie er Amazon dabei vergessen konnte bleibt uns ein Rätsel. Christian Lindner " Eine der „großen ordnungspolitischen Schlüsselaufgaben“ sei das Problem, dass Großkonzerne wie etwa Google sich „überhaupt nicht an der Finanzierung unseres Gemeinwesens“ beteiligten, während Familienunternehmen enorme Lasten zu tragen hätten.

Wir fragen uns nun, was Lindner sich dabei denkt. Dass Google Amazon und Co so gut wie keine Steuern in Deutschland auf ihre Milliarden Umsätze/ Gewinne zahlen, ist allen Parteien seit über 10 Jahren bekannt. Warum hat seine FDP ihre Regierungsverantwortung nicht genutzt, um diesen kläglichen Zustand zu ändern?

Das klingt nach Heuchelei

Die Konzernmacht der besagten Unternehmen konnte gerade nur deshalb entstehen, weil sie im Gegensatz zu allen deutschen Unternehmen keine Steuern zahlen mussten. Irgendwie klingt das nach Heuchelei. Erstaunlich ist auch, dass bei den jetztigen schwarz-roten Koalitionsverhandlungen kein Wort zu einer zukünftigen Besteuerung dieser Unternehmen auf der Tagesordnung steht.

Für die deutsche Politik scheint es bequemer zu sein, sich die Steuern beim Mittelstand und den sogenannten Besserverdienenden abzugreifen. Und wenn das nicht reicht, kauft man eben noch ein paar gestohlene Steuer CDs aus der Schweiz und Luxemburg an. Amazon & Co dürfen weiterhin ihre Gewinne verschieben.

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