Bernhard Schlinks neuer Roman „Die Enkelin“ ist eine Geschichte über die deutsch-deutsche Vergangenheit und die deutsche Gegenwart eines vermeintlich vereinigten Landes, voller Trauer und Hoffnung:
Im Sommer 1964 verlieben sich eine Studentin aus dem Osten und ein Student aus dem Westen ineinander. Er verhilft ihr zur Flucht, aber erst nach ihrem Tod entdeckt der heute Siebzigjährige, was sie ihm ein Leben lang verschwiegen hat, die gemeinsame Tochter nämlich.
Die Suche nach ihr wird zu einer narbenvollen Reise, bis er sie und auch seine Enkelin in einer völkischen Gemeinschaft in der Provinz findet. Ihre Welt ist ihm fremd.
Für die beiden Frauen wirkt der Vater und Großvater wie von einem anderen Stern. Was können sie sich voneinander erhoffen? „Der Vorleser“ hat Schlink 1995 weltberühmt gemacht, auch sein jüngstes Werk ruft förmlich nach einer Verfilmung.
Ganz großes Kino. Diogenes (www.diogenes.ch), 367 Seiten, 25 Euro.
Wie ein kleiner Art-House-Film hingegen wirkt Èdouard Louis’ Buch „Die Freiheit einer Frau“, in dem er auf knapp 100 Seiten schonungslos wie liebevoll von seiner Mutter berichtet, für die er sich als Kind und Jugendlicher schämte.
Sie hatte keine Bildung, einen Mann, der soff, zu viel Gewalt beherrschte den Alltag.
Nach Jahren ohne Kontakt treffen sich Sohn und Mutter irgendwann in einem Pariser Café, Louis erkennt seine Mutter fast nicht wieder, wie durch eine Metamorphose scheint aus ihr eine ganz andere Frau geworden zu sein, befreit und glücklich.
Aus dem Französischen von Hinrich Schmidt-Henkel ins Deutsche übersetzt, ist „Die Freiheit einer Frau“ voller Zärtlichkeit und Hingabe geschrieben und vielleicht sogar eine Hommage an alle Mütter, deren Kinder irgendwie in der Realität verloren gegangen sind.
S. Fischer (www.fischerverlage.de), 17 Euro.
Sönke C. Weiss
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