Ein Herzen brechendes Drama, das aus einer ganz einfachen Prämisse besteht; (c) Alamode (Wild Bunch)
Ebenso realistisches wie bewegendes Drama um eine junge Frau, die um ihren Job kämpft, von den preisgekrönten Dardenne-Brüdern.
Drei Jahre, nachdem sie bei "Der Junge mit dem Fahrrad" mit Cecile de France erstmals mit einer professionellen Schauspielerin gearbeitet hatten, steht mit Marion Cotillard nun abermals ein Profi vor der gewohnt unbestechlichen Kamera der Dardenne-Brüder. Reibung entstand keine: Die Oscar-Preisträgerin fügt sich nahtlos in die so dokumentarisch echte und nachvollziehbare Welt, die die zweifachen Goldene-Palme-Gewinner so mühelos evozieren. Wie sie mit ebenso großer Liebe wie Unerbittlichkeit trügerisch einfach von den Nöten ganz normaler Menschen auf der unteren Stufe der Unterschicht erzählen, ist auch hier wieder unwiderstehlich.
"Zwei Tage, eine Nacht" ist sozusagen "Die Faust im Nacken", wie er vielleicht von Bresson gedreht worden wäre, ein Film, der die Solidarität derer beschwört, die ohnehin nichts haben, ein Herzen brechendes Drama, das aus einer ganz einfachen Prämisse besteht: Eine Frau hat ein Wochenende lang Zeit, ihre 16 Kollegen davon zu überzeugen, bei einer am Montag bevorstehenden Wahl dafür zu stimmen, dass sie ihren Job behalten darf - dafür müssen sie allerdings auf den Jahresbonus von jeweils 1000 Euro verzichten. Das ist so high concept, wie man sich einen Film der Dardennes nur vorstellen mag. Aber wie sie daraus eine Geschichte entwickeln, die mit soviel Bodenhaftung soviel Wucht entfaltet, einen zutiefst rührt und bewegt, ist allergrößte Kinokunst, wie sie außer dem Brüderpaar nur wenige beherrschen. Zusätzliches Gewicht erhält das existenzbedrohende Dilemma dadurch, dass bei einer ersten Wahl nur zwei Kollegen für sie gestimmt haben - die Wahl nun nur wegen technischer Unregelmäßigkeiten wiederholt wird und weil Vorarbeiter Jean-Luc Druck auf die Arbeiter ausgeübt hat.
Mit der Hilfe ihres Ehemannes zieht Sandra, die wegen einer schweren Depression monatelang nicht in der kleinen Firma arbeiten konnte und in ihrer Abwesenheit sozusagen obsolet geworden ist, also los, in einer Mischung aus Kreuzweg und Sisyphusarbeit. Jede gewonnene Stimme treibt sie an, jede Absage wirft sie in ein immer noch größeres Jammertal, setzt ihr körperlich und seelisch zu. Schlussendlich steuert die Geschichte, eine Art Variante von "Zum Beispiel Balthasar", auf einen ebenso verblüffenden wie genialen Schluss zu, weniger versöhnlich wie der Vorgänger, aber mit einer kämpferischen Lust, wie man sie bei den Dardennes noch nicht gekannt hat: Aufrechten Hauptes verlässt die Heldin den Film, beseelt der Zuschauer den Kinosaal. ts.
Kinostart: 30.10.2014
Quelle: kino.de