Die Mode vom Sockel stürzen (c) Catrine Val, Fotos: Jan Friese
Die Aura der Mode ordnet sich in ihrer unterschiedliche Funktionalität und Ästhetik zugunsten des Unheimlichen, unter.
Das moderne Leben hat sich von der Echtheit und Solidität weit entfernt.
Mit der Gewissheit, das man tut, was die anderen tun, weil die Mode sich ohnehin ändert.
Catrine Vals künstlerische Position entwickelt sich aus einer bedingungslosen Neugierde am Diskurs im Umgang mit Kommunikationsmedien und den damit einhergehenden Hinterfragung einer medienkulturellen Identität, die sich ihrer sozialen, politischen, ästhetischen und ethischen Eingebundenheiten bewusst ist.“
Der Schwerpunkt ihrer Arbeiten liegt in der Videokunst, wie in der konzeptuellen inszenierten Fotoarbeit. Thematisch stellen sie sensible, gesellschaftliche Beobachtungen an, die oft zum Environment inszeniert, das Verhältnis der Betrachter zum Videobild, untereinander gestalten.
Im Vordergrund trat in den letzten Arbeiten wie „Ich bin ein Anderes“ oder der hybriden Installation von „YouPrompt“ die produktive Gestaltung des Spannungsfeldes von virtuellen und realen Beiträgen im Experiment.
Im Kern bezogen sich die Installationen auf das ständig wachsende und auf YouTube abgelegte Videomaterial, in seiner ambivalenten und zuweilen belanglos erscheinenden Vieldeutigkeit. Aus den vorangegangenen Ansätzen und der bisherigen Arbeit entwickelt sie gerade das Konzept SHEPARL.
Gegenstand der Hinterfragung wird auch hier die gesellschaftliche Funktion von Medien und deren kulturelle Bedeutung. Das Projekt SHEPARL überträgt die neuen partizipatorischen Kulturen, die sich im Internet entwickelt haben, auf politische Prozesse und untersucht, welche Rolle moderne Kommunikationsmedien im politischen Diskurs der Zukunft spielen können.
Kann man eine Verwirklichung der medienkulturellen Identität, die sich ihrer sozialen, politischen, ästhetischen und ethischen Eingebundenheiten bewusst ist, alleine nur durch das Nachahmen erzeugen? Doch ihr Hauptfokus liegt gerade bei der Fortsetzung der inszenierten Modefotographie unter dem Titel „ WAYS OF ESCAPE“ mit aus Modekampagnen bekannten Haltungen und Posen in der Vervielfältigung einer einzigen Person.
Zum Thema:
Unsere Zeit wird von einer Welle des Narzissmus und einem Kult der Selbstdarstellung heimgesucht. Bezogen auf den Prozess des Sich-Selbst-Seins thematisiert der neue Fotozyklus von Catrine Val den Blick auf Fiktion zwischen Individuation und Sozialisation, zwischen Emotion und Kognition.
In diesem Sinne entspricht Catrine Val genau dieser Definition. In den neuen Fotoarbeiten WAYS OF ESCAPE! schlüpft Catrine Val in jedes einzelne Model. Aus den Schablonen des Jugendcodexes heraus konfrontiert sie den Betrachter
mit ihren körperlichen Abweichungen. Bei den Hochglanzaufnahmen handelt es sich wie bei dem vorangegangenen Fotozyklus „BIG BANG“ um ein Re-enactment in jeder Hinsicht. Das Modell als abstrakte Idee ist nicht mehr als eine Form.
Das Triptychon INGENIEUR thematisiert in ihrem Medium der Fotografie das Diktat des Flüchtigen in scheinbar, leeren dem Menschen übergeordneten, codierten Räumen. Die Aura der Mode ordnet sich in ihrer unterschiedliche Funktionalität und Ästhetik zugunsten des Unheimlichen, unter.
Die zitierten Kleidungsstücke: der erotisierende Bikini, das wallend aufgeladene Chiffonkleid und die Konzeptualität eines Martin Margilia, dienen lediglich als Orientierungshilfe.
Die Isolation der Figuren von INGENIEUR steigert sich durch die graphische Dominanz in ihrer räumlichen Erinnerungen, in eine Verlorenheit, die als Schmerz empfunden werden kann. Voran marschieren, angetrieben von ihrer klassischen Stärke: der Körperlichkeit.
Der Blick des Zuschauers ist der des Exerzierens eines Objektes, als Lehrgegenstand. Die skulpturale oberflächliche Maskerade spricht gegen die Individualität und zerstört in ihren Formen und Kleiderhüllen, die Illusion von der andauernden Jugend.
eide Geschlechter agieren. Der weibliche Körper als männliche Statue mit dem Gewicht
Das Konzept der Fotoarbeit ICH UND ES sieht erneut eine Gratwanderung entlang Irritation, Persiflage und Verletzbarkeit vor und bedient sich dabei einer Vorlage von Gianni Versace, in der besetzung einer gleichzeitig von ihr imitierenden Claudia Schiffer.
TEAM:
Fotograf: Jan Friese
Fashion & Styling: Ekachai Eksaroj
Hair& Makeup: Rebecca Keim
Postproduction: Jens Greber
Mit der Erweiterung unserer zwischenmenschlichen Kommunikation durch die verschiedenen Dienste des Internets wächst die Bedeutung virtueller sozialer Netzwerke. Das Tempo, in dem man sich über Grenzen, und Zeitzonen hinweg bewegt, ist rasantund steigt beständig.
In der großformatigen Farbphotographie TREAP entwickelt Catrine Val eine Interdependenz zwischen realen, kopierten und inszenierten Wirklichkeiten. All diese metaphysischen Mysterien werden durch die unmittelbare Verdopplung der Welt – das Mitlaufen des perfekten Doubles der Realität in Echtzeit – in Facebook, MySpace oder You- Tube neu definiert.
Den Ausgangspunkt für das Motiv von TREAP bilden die auf YouTube geposteten Videobotschaften der Miss World Wahl 2008. Catrine Val imitiert stellvertretend 11 Miss-World-Anwärterinnen aus unterschiedlichsten
Nationen in einer Collage. Da die medialen Fiktionen rund um die Schönheitsköniginnen einer „Miss Rushia“, „Miss Ethiopia“ oder „Miss Turkey“ im gleichen Maße um die Verführungskunst oberflächlicher Scheinwelten kreisen wie in der Mode, zitiert TREAP exemplarisch die viel beachtete
Anzeigenkampagne der Herbst-/Winterkollektion 2006 der deutschen Modefirma Escada. Mit vielen echten Fellen und grellen Farben steht diese Kampagne - aus heutiger Sicht in Zeiten der Rezession – für den Zenit eines längst vergangenen expressiven Luxus.
Das Styling in TREAP orientiert sich an der von den 11 Schönheitsköniginnen während ihrer Interviews auf YouTube getragenen privaten Kleidung. Man erkennt ansatzweise unterschiedliche,landestypische Modevorlieben und Auffassungen.
Dicht gedrängt werden in TREAP 11 Nationen gleichberechtigt nebeneinander gestellt. Die Nachahmung birgt ein unheimliches wie auch sinnliches Potenzial. Am Ende hinterfragt TREAP als glamouröse Camouflage
getarnt, das alltägliche Verwirrspiel von realen, kopierten und inszenierten Wirklichkeiten. Der Titel der Fotoarbeit „TREAP“ zitiert einen Begriff aus der Informatik: Dort bezeichnet dieser einen binären Suchbaum mit einem genau definierten Procedere für die Datenstruktur
TREAP
Catrine val
Digitalprint, 2009
306 x 94 cm
Foto: Jan Friese
Hair & Make-up: Rebecca Keim
Stylist: Ekachai Eksaroj
Postproduktion: Jens Greber
Romy Schneider, die ihrerseits im Film „L‘important c‘est d‘aimer“ (1975) von Andrzej Żuławski eine erfolglose Schauspielerin verkörpert. In dem Videoloop wird nur eines Szene des Filmsets komplett nachgestellt:
Romy Schneider als Nadine Chevalier steht isoliert vor der Leinwand und bittet alle anwesenden Fotographen und Kameramänner, kein einziges Abbild mehr von ihr zu machen: „ S‘il vous plaît pas de photos, pas de photos “. Ungeachtet ihrer Bitte bricht „ Nadine“ kurz darauf im Blitzlichtgewitter der Fotoapparate zusammen.
Die Kamera verweilt auf ihrem Gesicht, während ihre Hand versucht, dieses zu schützen. Stellvertretend für dieses medienreflektorische Phänomen hat die Sequenz in Zeiten von Flicker, Youtube und Facebook nichts von ihrer Brisanz verloren.
Catrine Val adaptiert Romy Schneider mit ihrem Team. Jan Friese ist der Modefotograph und gleichzeitig Schlüsselfigur ihrer letzten Produktionen. Das Klicken der Kamera ist hier übertragen als physischen Schmerz.
Der Zuschauer wird zum Voyeur und ist Komplize im Dreiecksverhältnis von Kamera, Fotograph und Model. Der Voyeurismus erfährt allerdings eine überraschende Wandlung ins Schamgefühl.
Werdegang
seid 2004
Künstlerisch-Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Klasse Bjørn Melhus, Kunsthochschule Kassel
2001 - 2004
Postgraduiertes Studium bei Valie Export, Marcel Odenbach und Horst Königstein Kunsthochschule für Medien, Köln,
1994 – 2001
Studium der Freien Kunst, Klasse Urs Lüthi, Kunsthochschule Kassel
1991-1993
Arbeit in der Webeagentur Dr. Puttner & BSB; Wien
1988 - 91
Höhere Berufsfachschule für Graphik & Design,
Ausstellungen
2010
HUMAN RIGHTS, Fondazione Opera dei Caduti
Rovereto, Italy
startUP, Sala Birolli, Verona, Italy
BIG BANG, Einzelausstellung, Politics of the body
Galerie König, Berlin
2009
26. Kasseler Dokumentarfilmfestival Monotoring, Kassel
Images Recalled,3. Foto-Festival, Kunsthalle Mannheim
Gemeinsam in die Zukunft Frankfurter Kunstverein
Ich bin ein Anderes Stiftung Starke, Einzelausstellung, Berlin
2008
Monkey Up Plug In, Einzelausstellung, Basel Schweiz
2007
WATERCOLOURS, Galerie König, Hanauport
2006
Fremd bin ich eingezogen Kunsthalle Fridericianum, Kassel
Coolhunter, Kunsthalle Budapest, Ungarn
Blosses Außen U-Bahngalerie, München
2005
Coolhunter, ZKM, Karlsruhe
Altitude KHM, Köln
Coolhunter, Kunsthaus Wien
2004
Transmitter, European Media Art Festival, Osnabrück
2002
Feminale, Köln
Unplugged, Ars Electronica, Linz, Österreich
2001
Monitoring, DokFest, Kassel
2000
Das erste Mal Marburger Kunstverein
1998
Rundgang 2
Museum Fridericianum, Kassel
Zur Künstlerin: Catrine Val, geboren 1970 in Köln, studierte Kunst bei Urs Lüthi, Valie Export, Marcel Odenbach und Horst Königstein und arbeitete an der Kunsthochschule Kassel. Ihre Video- und Fotoarbeiten waren Bestandteil diverser Ausstellungen und Festivals. (Quelle: Kehrer Verlag)
Mit "FEMINIST" war sie bereits in der Ausstellung "Gaze upon my graze" des "Art Museum at The Art Park" in Hsinchu/Taiwan und auf dem "International Portfolio Reviews/Photo Ireland Festival" vertreten. Im Juni 2012 wurde ihr Bildband "FEMINIST" für den Renaissance Photography Prize London nominiert.
Weitere Infos unter www.catrineval.de
Catrine Val
FEMINIST
Kehrer Verlag, erschienen Januar 2012
Festeinband, 120 Seiten
ISBN 978-3-86828-290-0
36 Euro
Link:
info@ catrineval.de