Dass sich junge britische Musiker in den amerikanischen Blues verlieben, hat eine lange Tradition. Alles begann in den Sechziger Jahren, als Bands wie The Rolling Stones, Eric Clapton, Led Zeppelin oder auch ein Jeff Beck vom Sound aus dem Hinterholz und den Bayous des amerikanischen Südens völlig hin und weg waren.
Sänger und Gitarrist Chris Turpin, der für Robert Johnson und Blind Willie McTell brennt, setzt dieses unausgesprochene Ritual fort. Nachdem er Johnsons Namen in einem White Stripes-Interview las, machte er sich prompt auf den Weg in die Londoner Berwick Street. Dort durchkämmte er jede Kiste mit Sonderposten um letztlich Zugang zu diesem wertvollen musikalischen Erbe zu erhalten.
„Ich habe damals für ein paar Pfund ein Robert Johnson Sammelalbum erstanden“, erinnert er sich. „Ich konnte einfach nicht fassen, was ich da hörte. Es war die mächtigste und intensivste Gitarre und Stimme, die ich jemals gehört habe. So etwas hatte ich noch nie zuvor gehört. Das war der Grund, warum ich eine Band gründete. Ich wollte einfach den Geist dieser Musik einfangen.“
Also schnappte sich Turpin seine akustische Gitarre, um ganz in der Tradition eines Bluesman, bei jeder Gelegenheit aufzutreten. Nachdem er dreimal die Woche bei Open Mic-Abenden für ein Bier als Entlohnung auftrat, machte er beim Singen und Gitarrespielen schnell Fortschritte. So dauerte es nicht lange und es bekamen auch andere Musiker von ihm Wind. Es schlossen sich ihm schnell Drummer Marc Jones und Sängerin und Pianistin Stephanie Ward an. Ab 2008 firmierten sie schließlich unter dem Namen Kill It Kid, nach einem Lied von Blind Willie McTell.
„Was ein britisches Kid mit Blues zu tun hat? Tja, zu dieser Zeit war die Musikszene so auf diese Hipster-Bands und diesen albernen Pop versteift“, stöhnt Turpin. „Wir hatten die Nase davon gestrichen voll. Worüber sie sangen war für uns weder relevant, noch berührte es uns in irgend einer Weise. Es war so opulent und ausdruckslos. Als wir uns fanden, wollten wir intuitiv sein. Dem Blues entspring diese bodenständige Poesie, die gnadenlos ehrlich und authentisch ist. Das haben wir versucht zu verinnerlichen.“
Turpin gab sich bei Veranstaltern als Manager eines Labels oder als Promoter aus und stellte im Alleingang eine schier selbstmörderische, monatelang währende Tour durch das Vereinigte Königreich auf die Beine. Sie traten Tag um Tag auf, bis sie regelrecht auf dem Zahnfleisch daherkrochen. Während einer Zeitspanne von vier Jahren tourten sie hart und konnten so eine solide Fanbase um sich scharen. Zeitgleich veröffentlichten sie ihre Musik über das Londoner Indielabel One Little Indian Records, welches niemand geringeren als Sir Paul McCartney unter Vertrag hat. In dieser Zeit wurde auch die Band um den Bassisten Dom Kozubik ergänzt. Im Jahre 2012 sah sich die A&R Legende von Sire Records, Seymour Stein eine Liveshow von ihnen an und signte sie gleich. Im Jahr darauf ging das Quartett nach Los Angeles um ihr eigenbetiteltes Debütalbum mit dem Producer Julian Raymond (Delta Rae, The Wallflowers, Fastball, MUTEMATH) aufzunehmen. Kill It Kid stehen nun für eine eigentümliche Mischung aus unverfälschtem Blues, tightem Rock ’n’ Roll Songwriting, folkig-nachdenklichen Texten und gitarrenverzerrter Grunge-Attitüde. Hier trifft inbrünstiger Gesang auf fast fingerbrechende Gitarren-Bendings und kompromisslos gefühlsbetonte Riffs.
Wir lieben Musik... weil sie uns glücklich macht
„Nenne es meinetwegen ‚New British Blues‘ mit einer gewissen ‚Heavyness’ und einem Schuss Americana, Folk und Country“, sagt er mit einem Lächeln. Wir folgten dem Ethos, es für uns zu tun und für keinen anderen sonst. Die oberste Prämisse dieser Band ist es, etwas Einfaches und zugleich Ehrliches zu erschaffen.“
Das ist es, was besonders die Lead Single Caroline repräsentiert – mit ihren druckvollen Gitarren-Grooves, die in einen galoppierenden Refrain übergehen. Die Fackeln werden für den Blues und Rock gleichermaßen hochgehalten. „Es ist das klassische Thema“, gibt Turpin zu. „Das Stück beschreibt die Liebe und den Verlust. Es entstand buchstäblich in drei Minuten, während zwei Telefongesprächen und der Grundtenor umreißt ziemlich gut, worum es auf der ganzen Platte geht: Der Song wandert auf einem schmalen Grat zwischen hingebungsvollem Schmachtfetzen und einem herzzerreißenden Lied über das Verlassenwerden. Es kommt ganz darauf an, wie du ihn hörst.“
Dann gibt es da noch die erste Single I´ll Be The First, die aus Handclaps in treibendes, kraftvolles Drumming übergeht, das wiederum den Weg für einen hymnenhafte Hook bereitet. Weiter fährt er fort, „Du musst dich dazu bewegen, es hat einfach den ‚Rhythm‘. Die Herangehensweise war dabei wie bei frühen Bluessachen. Die Substanz des Liedes ist dabei nicht ganz klar deutbar, aber das muss auch nicht sein. Es wurde geschrieben um nach einem alten Mississippi Fred McDowell Song zu klingen.
Auf Don´t It Feel Good und Blood Stop Run ergreift Ward das Mikrofon und gibt somit der Musik eine sehr sinnliche, weibliche Note, die während den heavy Parts, einer Verbeugung vor den ‚Southern sirens‘ Ma Rainey und Bessie Smith gleichkommt. „Es ist ziemlich aufregend für Stephs Stimme zu schreiben“, sagt Turpin. „Sie ist wie ein Spiegelbild meiner Stimme. Sie ist nicht nett und nicht süß – sie ist gefährlich.“
Letztlich muss das Debüt Kill It Kid, wie jedes zeitlose Werk, als durchgehendes Gesamtwerk verstanden werden. „Wir wollen nur, dass die Leute sich daran erfreuen und es schätzen“, schlussfolgert Turpin. „Ich hoffe es kickt euch richtig. Es ist schlussendlich Rock ’n’ Roll. Wir haben es als Ganzes aufgenommen, also muss es auch als solches gehört werden. Das ist die einzige Art, in Musik etwas Tröstendes und zugleich Erlösendes zu finden.“