„Ziel war es, ein Album aufzunehmen, das sich wie ein Debüt anfühlt“, sagt Kelly Jones über das siebte Studioalbum. „Keep Calm And Carry On“, das neue Album der Stereophonics, erscheint am 26. Februar 2010 und klingt anders als die Vorgänger. Die Waliser sind minimalistisch, komprimiert, kurz und bündig, poppig und gefühlvoll. Anders gesagt: Es erzählt 12 pointierte Geschichten, die mit perfekt durchdachten Melodien untermalt sind.
Ihr Klangspektrum ist gewachsen. Neben dreckigen Riffs bei „Trouble“ finden sich auf dem neuen Album minimalistische Electro-Beats auf dem Track „Beerbottle“. Dazu das anmutige, zart mit Gitarren bedachte „Could You Be The One“ oder „Show Me How“, eine wunderschöne Ballade, die das Album mit Klaviermelodien und Streichern ausklingen lässt.
„Wir alle sind schon stolz auf das, was wir erreicht haben, aber ich wusste auch, dass wir gerade jetzt alles geben und ein richtig großes Album abliefern mussten“, sagt Kelly Jones.
Nachdem sie zuletzt von ihrem Greatest-Hits-Album gut 750.000 Einheiten verkaufen konnten, hat Kelly Jones, seines Zeichens Sänger, Gitarrist und Songwriter der Stereophonics, mit seiner Band dieses Mal eine vollkommen neue Richtung eingeschlagen: „Keep Calm And Carry On“ klingt minimalistisch, komprimiert, kurz und bündig, poppig und gefühlvoll; anders gesagt: Es erzählt 12 pointierte Geschichten, die mit perfekt durchdachten Melodien untermalt sind.
„Natürlich schwebt der Name Stereophonics über uns und man erwartet daher einen gewissen Sound, auf den die Leute stehen, aber das alles wollte ich ganz bewusst wegdrücken und einfach mal für einen Moment vergessen. Stattdessen sollte es eine Platte werden, die auch ohne unsere Vorgeschichte für sich steht: Ein paar Songs, die man mit einer kleinen Band in irgendeiner x-beliebigen Bar spielen kann, und wenn sie gut genug sind, denken die Leute plötzlich gar nicht mehr an ihr Bier, drehen sich um und hören etwas genauer hin. So muss man sich das ungefähr vorstellen.“
„Decade In The Sun: The Best Of The Stereophonics“ kam vor einem Jahr, im November 2008 in die Läden. „Das war genau der richtige Zeitpunkt“, meint Bassist Richard Jones, der bereits seit der Gründung im Jahr 1992 dabei ist. „Gut zehn Jahre nach dem Release unseres Debütalbums fühlte sich dieses Best-Of-Album wie eine Veröffentlichung an, mit der man dieses Jubiläum feiern will, und nicht wie irgendeine Platte, mit der man bloß auf zusätzlichen Gewinn aus ist. Und dann hielt sich die Platte auf einmal wochenlang in den Charts, was uns neuen Ansporn gab, weil wir, so lustig das jetzt klingen mag, erst daraus ablesen konnten, dass die Leute nach wie vor auf unseren Sound stehen.“
Stereophonics waren nicht immer die absoluten Kritikerlieblinge, aber seit der Veröffentlichung ihres Debütalbums „Word Gets Around“ im Jahr 1997 ist es ihnen gelungen, sich künstlerisch permanent weiterzuentwickeln und einen Erfolg nach dem anderen zu feiern, während die meisten anderen Vertreter der Britpop-Zunft früher oder später auf der Strecke blieben. „Wir alle sind schon stolz auf das, was wir erreicht haben, aber ich wusste auch, dass wir gerade jetzt alles geben und ein richtig großes Album abliefern mussten“, sagt Kelly.
„Wir mussten die Latte dieses Mal noch ein Stückchen höher legen, sonst wären wir Gefahr gelaufen, dass wir einrosten, wie es so vielen der Bands passiert ist, die zeitgleich mit uns angefangen haben. Dabei hatte ich keinerlei Zweifel, dass uns das gelingen würde.“
Schon früh fassten Stereophonics daher den Entschluss, dieses Mal einen neuen Produzenten ins Boot zu holen – „einfach nur, um ein wenig Leben in die Bude zu bringen und uns vor eine neue Herausforderung zu stellen.“ Also arbeitete Kelly mit Jim Abbiss zusammen, der zuvor schon mit so unterschiedlichen Künstlern wie den Arctic Monkeys, Kasabian, The Enemy, Björk, Adele und Massive Attack im Studio war. „Angefangen haben wir mit einer Reihe von Demos, doch bilden diese frühen Aufnahmen gewissermaßen den Kern der neuen Platte. Wir haben das Pferd nämlich von hinten aufgezäumt: Ich wollte diese ganze Wand aus Gitarrensounds entfernen und den Gesang mehr in den Vordergrund stellen, und insgesamt sollte deutlich mehr Raum bleiben, damit sich die Melodien der Songs noch besser entfalten können. So gibt es auf dem Album zum Beispiel auch Stücke, die ganz ohne Bass oder mit nur ganz kurzen Gitarren-Parts auskommen. Unser Ziel war also, dass sich jeder von uns zunächst bedeckt hält und erst dann in Aktion tritt, wenn der jeweilige Song danach verlangt.“
Und der Plan ging auf: Die anderen Mitglieder der Stereophonics wussten genau, wann sie sich einbringen mussten. „Dabei darf man nicht vergessen, dass sich die Band im Laufe der Jahre sehr stark verändert hat“, meint Schlagzeuger Javier Weyler, der 2004 den Posten von Stuart Cable übernahm. „Wenn man neue Leute dazuholt, seien es nun Musiker oder Produzenten, verändert das natürlich die gesamte Chemie und die Dynamik der Band, und Kelly hat mit jedem Album versucht, diesen Aspekt in den Vordergrund zu stellen. Ich würde sagen, dass wir heute nachdrücklicher und düsterer klingen als früher, aber letztlich können wir nur durch solche Veränderungen überhaupt als Band weitermachen – sonst wären wir oder unsere Fans schon längst gelangweilt.“
„Jede Band braucht Veränderung“, meint auch Adam Zindani, der Frontmann der Band Casino, den die Stereophonics vor zwei Jahren als zusätzlichen Gitarristen anheuerten. „Wer sich zu oft wiederholt, der langweilt sich irgendwann, und früher oder später langweilt er auch die Fans. Doch Kellys Demos gingen dieses Mal in eine ganz andere Richtung, und wir haben uns als Band sofort darauf eingelassen und haben uns erstmals von den Songideen leiten lassen: Wir hörten ganz genau hin, um zu wissen, wie man sie instrumentieren und produzieren musste, anstatt es umgekehrt zu machen. So entwickelte die Platte eine Eigendynamik; sie war wie ein wildes Tier, an dem wir uns schließlich festklammerten, als hinge unser Leben davon ab.“
„Wir haben ehrlich gesagt schon Alben aufgenommen, bei denen die Arbeit im Studio mehr Spaß gemacht hat: Du machst einfach die Tür zu, beginnst die Jam-Session und vergisst alles andere. Allerdings bedeutet das nicht, dass man dadurch zu den spannendsten Resultaten gelangt“, meint Kelly. „Ich persönlich sehe in dieser Platte einen Beweis für den Zusammenhalt und das Können unserer Band: Jeder hat sich eingebracht, wenn ein Song es verlangt hat. Schließlich hätten wir auch alle die ganze Zeit Vollgas geben und richtig losrocken können, aber dieses Mal haben wir uns zurückgenommen, und die daraus resultierende Spannung kann man deutlich raushören.“
„Keep Calm And Carry On“ besticht mit einem gewaltigen Klangspektrum und extrem viel Tiefgang: Da wären die abgestuften Harmonien des bittersüßen Stücks „Innocent“, das an die Beatles erinnert, der minimalistische Electro-Beat von „Beerbottle“, bei dem Melancholie und stoischer Gleichmut mitschwingen, die hauchfeinen Gitarreneinwürfe des anmutigen „Could You Be The One“, dreckige Riffs auf „Trouble“, eine durchaus politische Hymne übrigens, und schließlich „Show Me How“, jene überdimensionale Ballade, die das Album mit einer fragil-verwundbaren Klaviermelodie und Streichern ausklingen lässt.
„Wie Songwriting eigentlich funktioniert, habe ich nie so wirklich verstanden“, sagt Kelly weiterhin. „Ich habe stattdessen immer nur versucht, den Hahn offen zu lassen, damit alles aus mir herausströmen kann. Die neuen Songs konnten letztlich nur entstehen, weil ich dieses Mal nichts hinterfragt und kein Gefühl unterdrückt habe. Ich hab einfach nur aufgeschrieben, was aus mir heraussprudelte. Und ich muss sagen, dass es mir Spaß gemacht hat, so zu arbeiten. Alles lief ausnahmsweise wie am Schnürchen, was sich natürlich gut anfühlt.“ Was den Albumtitel betrifft, hatte Kelly von einem Freund ein Propagandaplakat aus dem Zweiten Weltkrieg zugeschickt bekommen, dessen Botschaft er jeden Morgen auf dem Weg zum Studio las: „Keep Calm And Carry On“. „Und als ich mir die Songs dann genauer betrachtete, erkannte ich, dass im Verlauf dieser Stücke ebenfalls gewisse Situationen auftreten und Dinge passieren, es aber trotzdem weitergeht – und so wurde aus diesem Spruch eine Art roter Faden für das Album.“
Auch Kellys Texte sind schlüssiger und bewegender als alles, was Stereophonics seit ihrem Debütalbum aufgenommen haben: „Keep Calm And Carry On“ ist ein Album, das genauso vom Kampf wie vom Durchhalten und Weitermachen handelt, also davon, auch widrigen Umständen ihr Gutes abzugewinnen. Mal sind es Erinnerungen an den Tod eines Kindheitsfreunds („Innocent“), mal die stoische Reaktion der Eltern und anderer Dorfbewohner auf ein Hochwasser, das ihre Häuser zerstörte („Beerbottles“); dann geht es z.B. um das enorme Tempo des modernen Lebens und wie man damit zurechtkommen kann („100 MPH“) oder auch um die globale Finanzkrise und die Sorgen und Kümmernisse, die damit einhergehen („Trouble“).
„Man durchlebt vielleicht ein schlimmes Jahr, in dem einem alles einfach nur grausam vorkommt, aber dann kommt irgendwann der Punkt, an dem man die Wende einläuten muss. Ich denke mal, dass ich viele dieser Themen schon verarbeitet hatte und damit mehr oder weniger im Reinen war, aber diese Songs zeigen, was dabei herausgekommen ist.“
Eine Philosophie, die man in „Live ‘N’ Love“, einer astreinen Rocknummer, am deutlichsten raushören kann: „Damit will ich sagen: ‘Pack das an, wo du etwas verändern kannst; die anderen Dinge musst du einfach hinter dir lassen.’ Wenn man das Schlimmste durchstanden hat und es wieder aufwärts geht, muss man auch einfach mal den Moment auskosten und sich nicht nur darüber den Kopf zerbrechen, was sonst noch alles passieren könnte.“ Ein Song übrigens, der am ehesten an den klassischen Sound der Stereophonics anknüpft.
„Genau das wollten wir auf dem neuen Album eigentlich nicht machen“, gesteht Kelly, „aber ich finde es großartig, dass auch so ein Song auf der LP gelandet ist: Eine überdimensionale Hymne mit viel Gitarre und viel Schlagzeug. Schließlich macht es wahnsinnig viel Spaß, so ein Stück zu spielen; und ich würde sagen, dass wir damit trotzdem dasselbe Ziel verfolgt haben, was die Produktion betrifft. Insgesamt wollte ich, dass wir uns wieder mit Bands messen, die gerade erst ihr Debütalbum abliefern – und darum musste viel frischer Wind in die Bude. Ich weiß nämlich genau, dass wir nach wie vor wahnsinnig viele gute Ideen in uns haben.“
„Das Album klingt zwar ganz anders als die Vorgänger“, sagt Richard abschließend, „aber zugleich erkennt man sofort, dass wir es aufgenommen haben, allein schon wegen Kellys Stimme. Wir haben uns mit sehr vielen Dingen beschäftigt, sind wirklich in uns gegangen, doch letzten Endes sind wir es dann auch, die diese Songs einspielen und die damit zufrieden sein müssen – und genau das sind wir. Jetzt geht es darum, sie den Leuten endlich live zu präsentieren und allen zu zeigen, was wir auf der Bühne zu bieten haben.“
Oder anders gesagt: Nur die Ruhe bewahren. Und weitermachen.
Erschienen bei Mercury/ Universal (November 2009) www.universal-music.de
Auch erhältlich bei www.amazon.de
Pressekontakt: Jascha.Farhangi@remove-this.umusic.com