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20.08.2017 komponiert Erzählungen und dirigiert Stücke

Werk der Woche: Thomas Draschan „Ideal State“ - ornamentale und präzis komponierte Collagepretiosen

von: GFDK - Redaktion

Kontextdislozierung: ein Zebra im Konzertsaal, eine fliegende Taube in einem barocken Innenraum, eine in der Mode der 1950er Jahre gekleidete europäische Familie, die wie selbst- verständlich durch eine orientalische Architektur spaziert,ein Luftballon, der zum Leuchter mutiert.

Thomas Draschans ornamentale und präzis komponierte Collagepretiosen spielen in Phantasieweiten, in zeiten - und kulturenübergreifenden Architekturen wie Pagoden, Moscheen, Räumen des Wiener Jugendstil und steilen Gebirgslandschaften.

Er nivelliert Maßstäbe, Raumzusammenhänge, Zeitebenen und Materialunterschiede. Draschan löst geografische und architektonische Zusammenhänge zu absurden Raumkombinationen auf, sie erinnern an Giorgio de Chirico und die pittura metafisica.

Er komponiert Erzählungen und dirigiert Stücke: Relationen zwischen den Bildelementen, Figuren und Räumen entstehen nicht durch narrative Konsistenz, statt dessen spielt er in ästhetischen Balanceakten und eklektizistischen Rankenformationen emotionale Binarismen gegeneinander aus - Terror und Freude, Hass und Liebe.

Existenzielle Verhärtungen jedoch löst der Macher von 'Fare Mondi', wie die aktuelle Collage' im öffentlichen Raum im Kunsthalle-Schaufenster selbstsprechend betitelt ist, mit Nonchalance und Koketterie. Seine transformative Kunst lässt Superlative aufeinanderprallen. Sie oszilliert zwischen Mikro und Makro, mutet universalistisch an, bedient sich Mystizismen, verwendet Bilder aus dem Weltraum, der Natur mit Wasserfällen, Blitzen und Explosionen.

Die Verschwendung von Material ist die Essenz von Thomas Draschans Arbeit: Sein Verschwenden kennt keine Erschöpfung, es ist wie mit dem Schlafen, dem Essen und dem Lieben, sein Verschwenden ist ein Impuls, der nicht zu tilgen ist.

Für seine Sujets gräbt der in Berlin und Wien lebende Künstler in banalem Alltagsmaterial wie alten Magazinen, Fachzeitschriften und Postkarten nach Motiven, die er während seines manischen Vagabundierens durch Second Hand-Läden und Flohmärkte findet.

Das fertige Kunstwerk assimiliert das heterogene Material, das hochaufgelöst eingescannt und am Computer Artist Pages zusammengefügt wird. Als geometrisch abstrakte Elemente bereichern die unterschiedlichen Rasterund Pixelstrukturen die Oberflächen: Fotografien haben kaum Raster, alte Postkarten aus den USA sehen in der Pixelung und Farbgebung ganz anders aus als die aus Europa.

Das Werk des österreichischen Künstlers, der bei Peter Kubelka in Frankfurt studierte, basiert auf der Auseinandersetzung mit filmischen Positionen wie dem Handlungspurismus von Dziga Vertov und dem Foundfootage-Spezialisten Bruce Connor.

Ausgehend von den schnell geschnittenen Foundfootage Arbeiten wie 'Metropolen des Leichtsinns' entwickelte Draschan über zweidimensionale Collagen und Videos wie Freude, das sich aus ungefähr zwölf Standbildern pro Sekunde zusammensetzt, die aktuelle Videoarbeit 'Continental Divide':

Hier folgt Draschan einem neuen ästhetischen Prinzip, das Video ist viel langsamer angelegt, der Schnitt als akzelerierendes Werkzeug zur Verdichtung von visueller Information weicht nun einem sinnlichen Aufbau - nicht ganze Bilder oder Bildreihen, sondern nur Fragmente wechseln sukzessive die Frames.

Nur wenige Bildteile bewegen sich, Stillstand und Veränderung geben sich die Hand. Schmetterlinge fliegen und Elefanten marschieren durch das Bild, die Farbe des Himmels wechselt von Grau über Blau in bedrohliches Pink. Bilder im Bild tauchen auf, die Landschaften und Felsformationen werden zum Rahmen von Portraits, antike Tore fassen einen Footballspieler und eine strippende Lady ein.

Die zeitliche Stückelung der früheren Videos in den rasanten Schnittfolgen wird durch ein Collagewerk ersetzt, das im Laufbild sukzessive Motive, Vorder- und Hintergrund variiert. Das Arbeitsprinzip deutet sich bereits im Titel an, wie kontinentale Platten verschieben sich die Bildelemente, suchen ihre Position in der Komposition, driften auseinander, stoßen wieder zusammen und verzahnen sich.

Thomas Draschans Kunst ist Paradiesgarten und artifizielles Schlaraffenland der geheimen Wunscherfüllung. Es scheint, als würde er an die Tore des Unbewussten klopfen und auf direktem Weg im Verborgenen schwelende Triebe, Ängste, Wünsche und Kindheitsträume visualisieren. Seine überbordende Ästhetik lehnt sich an Literatur der Decadence wie Gustave Flauberts 'HI. Antonius' und Joris-Karl Huysmans 'Ä rebours' an.

In der Kultivierung von eskapistischen Tendenzen und symbolhaften Verdichtungen verschmelzen Innen- und Außenwelt zu Phantasmagorien, die in einem zeitlosen Niemandsland spielen. Was bleibt, ist der Augenblick - Bewegungen wie der Ballwurf eines Jongleurs werden just in einem Moment eingefroren, und der Schneeball, den ein Junge auf einen Papageien wirft, steht in der Luft still.

 

Kontakt

L.A.Galerie Lothar Albrecht

Domstraße 6

60311 Frankfurt am Main

 

 

 

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